Freitag, 12. Juli 2013

Freiluftkinos-Ein Fest für Filme?



Freiluftkinos haben einen ganz besonderen Charme, der gerade in größeren Städten auch absolut lukrativ zu sein scheint und viele Menschen anlockt. Die Möglichkeit unter freiem Himmel Filme zu betrachten, bringt das Kino zurück zu einer Vorstellung von Romantik, einem Date-Ort. Hier zählt oft weniger der Film selbst, als die ganze Atmosphäre, die um ihn herum entsteht. Das Grillenzirpen in den ruhigeren Passagen, der leichte Wind, der Sternenhimmel, der drohende Regen, ausgeteilte Decken und der Rauch von Zigaretten vor dem Bild. Eine „Cinema Paradiso“ Nostalgie vermag zu entstehen, ein Kinoerlebnis. Leider liegt die Betonung vielerorts allerdings auf dem Erlebnis statt dem Kino. So positioniert sich das Freiluftkino am Karsplatz in Wien beispielsweise direkt neben der Karlskirche, sodass man neben dem Blick auf die Leinwand immer auch einen Blick auf die Kirche werfen kann. Wer braucht denn das? Menschen in Open-Air Projektionen sind oft mehr damit beschäftigt ihren Wein zu öffnen, als die Bilder zu betrachten. Umgebungsgeräusche demontieren sorgfältigstes Sounddesign, Autolichter beleuchten die Leinwand und werfen einen roten Schimmer auf Cocteaus „La Belle et la Bête“; die Zuseher, die gerne reden im Kino reden noch viel ungenierter draußen als drinnen. Und KLICK jemand schießt ein Foto von der Leinwand. (samt Blitz und Ton)


Ob ein Freiluftkino ein richtiger Projektionsort ist oder ob der Film dann hinter dem Erlebnis zurückbleibt, erscheint vielleicht auf den ersten Blick gar nicht diskussionswürdig. Allerdings finde ich ihn gerade deshalb relevant, da das Erlebnis eine rare Möglichkeit des Zugangs zu Filmklassikern für ein breites Publikum bildet. Damit einher geht doch die Frage: Wollen Menschen ältere Filme im Kino nur noch konsumieren, wenn diese in einen „besonderen“ Rahmen gepackt sind? Es erscheint auf der anderen Seite natürlich sinnvoller Filme im Freiluftkino zu sehen, die man schon kennt. Der Ort impliziert praktisch schon, dass man nicht den gesamten Film aufsaugen kann, Ablenkung gehört dazu, selbst in weitaus effektiver auf die Leinwand ausgerichteten Spielstätten wie am Karslplatz. Eigentlich sollte man Filme in einer geschützten Kapsel ansehen, in der man keine menschlichen Bedürfnisse verspürt, keine Umgebung wahrnimmt und nur mit dem Film ist. Viele würden dann aber nicht mehr vom Kino sprechen; ein sozialer Ort sei das, an dem gemeinsam ein Film gesehen wird. Was mir an dieser Vorstellung nicht gefällt ist, dass die Interaktion im Kino doch hauptsächlich zwischen dem Geschehen auf der Leinwand und mir stattfindet und nicht zwischen mir und anderen Zusehern. Kinogefühl bekomme ich nicht, wenn jemand neben mir Popcorn ist, sondern wenn ich in die Augen der Protagonisten blicke und mich bei ihnen fühle.Wenn ich weiß, dass es hier nur mich und den Film gibt und ich im Dunkel des Saals und in der Tiefe meines Sessels verschwinde. Im Freiluftkino fällt mir genau das manchmal schwer. Es ist ein abgelenktes Filmeschauen, das den Blick zur Seite regelrecht fördert. Selbst wenn man wie Alex DeLarge an einen Stuhl gefesselt wird und mit einem Apparat die Augen offengehalten werden, würde man das Flugzeug hören, das den Film zerstört. 


Außerdem gibt es das Phänomen der geeigneteren und ungeeigneteren Filme für Freiluftkinos. Prädestiniert im Rahmen einer Open-Air Vorführung sollten eigentlich Stummfilme sein, am besten ohne musikalische Begleitung oder mit Live-Begleitung, da dann die Aufmerksamkeit auf das Geschehen gewährleistet werden kann. Außerdem natürlich Filme, die praktisch jeder gesehen hat, also die absoluten Klassiker, die man sich dann zum wiederholten Male, aber in einer anderen Umgebung ansieht. Bei allen anderen Filmgattungen scheint es mir schwer zu sein, sie dem Werk gerecht im Freien zu projizieren. Natürlich schließe ich in meinen Überlegungen die absoluten positiven Aspekte aus wie zum Beispiel das kommunale Kinofest, den traumwandlerischen Aspekt einer Freiluftvorführung, die Kraft des Kinos jeden Ort zu durchdringen usw. Inzwischen scheinen mir Freiluftkinos im Sommer zu den Überlebensstrategien der Kinobetreiber zu gehören. Das Ereignis zu verkaufen, ist wohl weitaus effektiver als die Filme zu verkaufen. Bestes Beispiel hierfür sind die unsäglichen Sneak-Previews, die dem Zuseher die Augen vor dem Programm verbinden und ihre Attraktivität nicht aus den Filmen, sondern den Sekunden bevor es beginnt, schöpfen. Schon erstaunlich, dass Kino hier etwas ganz anderes ist als Film. Ich verstehe durchaus die Ideen dahinter, aber finde es auch bedenklich, wenn Kinos, auch wenn aus ökonomischen Druck eigentlich gegen das Medium  arbeiten, das sie verkaufen. Oder anders gefragt: Wenn heute Abend „The Godfather“ in zwei Kinos gespielt werden würde: Einmal in einem perfekt auf die Leinwand ausgerichteten, top-ausgestatteten, dunkeln Kinosaal in einer originalen 35mm Technicolor Kopie; und einmal unter freiem Himmel, in einer digitalen Kopie, wo gleichzeitig Pasta, Pizza und Rotwein angeboten wird und alle in Mafioso-Kleidung erscheinen müssten, wo würdest Du hingehen?

3 Kommentare:

  1. ICh stimme Dir in sehr vielen Punkten zu. Open-Air-Kino ist immer ein Event, bei dem der Event-Charakter im Vordergrund steht und der Film mehr oder weniger Mittel zum Zweck ist. Allerdings kann so ein Event auch Spaß machen, wenn Umgebung und Film sich ergänzen. Ein Beispiel, welches mir sehr viel Freude bereitet hat: Klaus Lemkes "Rocker" im Millerntorstadion auf St. Pauli. Die Tribüne gefüllt mit Typen, die dort gut als Komparsen hätten mitspielen können, vorne vor verkaufte Hans-Jürgen Modschiedler seine eigene Biermarke und das begeisterte Publikum gröhlte die berühmtesten Dialoge herzhaft mit. Dadurch kam der Film dann noch lebendiger und authentischer rüber, als es daheim im stillen Kämmerlein der Fall ist. Hier haben sich Film und Ort gegenseitig befruchtet. Ähnliches, wenn auch nicht Open-Air: "Der müde Tod" in einer Kirche von der Orgel begeleitet.

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    1. Ja, ich bezweifle nicht, dass das Event Spaß machen kann. Klar, Klaus Lemke am Millerntor kann schon was. Trotzdem sage ich, dass das vielleicht die aufregendste, fruchtbarste und unterhaltsamste Art ist den Film zu zeigen, aber sicher nicht die dem Medium und seiner Wahrnehmung gerechteste.

      Wenn ich mir einen an den Haaren herbeigezogenen Vergleich erlauben kann: Es wäre sicherlich auch aufregend einen Van Gogh (und sei es in einer Kopie) am Millerntor auszustellen. Ob es dem Künstler gerecht wird, keine Ahnung. Aber Lemke mit Van Gogh zu vergleichen hat auch was. Ich verrenne mich. Aber hoffe trotzdem, dass mein Punkt klarer ist.

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  2. Da van Gogh seine letzten Lebensjahre in einer Irrenanstalt verbracht hat, würde das wohl in der Tat ganz gut passen ;) Spaß beiseite, ich verstehe ja was du meinst und stimme Dir da auch zu. Mit Filmrezeption hatben "Events" generell immer sehr wenig zu tun.

    Ich wollte nur ausdrücken, dass es bei einer geschickten Kombination von Film und Umgebung durchaus zu Synergieeffekten kommen kann, die dann vielleicht losgelöst vom Film und der Location eine ganz neue Energie erschaffen. Aber da muss schon alles passen. Einfach wahllos Film A und Ort B zusammenklatschen reicht da nicht.

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