Montag, 8. Juli 2013

Drehtagebuch eines eigenen Films



Über die vergangenen vier Tage habe ich einen Kurzfilm gedreht. Ich möchte hier meine Gedanken, die ich immer am Abend/in der Nacht nach Drehschluss aufgeschrieben habe, teilen. Vielleicht sagen sie ein bisschen was aus über die Arbeit als unerfahrener und lernender Filmemacher. Vielleicht nicht.

Tag 1

Wenn man einen eigenen Kurzfilm gegen alle Regeln dreht, die man bislang angewendet hat. Wenn man versucht die eigene Kontrolle aufzugeben und versucht sich auf alle anderen einzulassen, scheitert man dann? Gestern habe ich mit dem Dreh eines Kurzfilms begonnen, der alles anders machen sollte, als meine bisherigen Kurzfilme. Ich habe ein kleines Team (9 Leute) versammelt, das sich durch den Moment treiben lassen soll, das improvisieren soll, das mich überraschen soll. Ich wollte mit Handkamera spontan auf die Ereignisse reagieren, die immer wieder in neue Richtungen, mit neuen Impulsen geführt werden. Den Schauspielern sollte dabei völlige Freiheit gegeben werden; es gibt kein Drehbuch, es gibt keine Auflösung; alle Schauspieler wissen Dinge über ihre Figuren, die die anderen nicht wissen, ihre Rollen tragen ihren Namen. Sie dürfen nicht untereinander über die Rollen sprechen; selbst der Kameramann wird nicht immer involviert, weiß nicht wann was passiert. Manchmal erklärte ich ihnen Motivationen, oft gab ich sie ihnen ohne Motivation. Es fällt mir unheimlich schwer auf diese Art zu drehen. Ohne Kontrolle, ohne Plan? Darunter leidet dann der Ton, das Bild…wohin mit den Gedanken? Es ging und geht mir nur darum eine bestimmte Stimmung in der Zeit festzuhalten. Warum fällt es mir so unendlich viel schwerer, wenn ich diese Stimmung versuche in der Gegenwart aufzugreifen, als wenn ich sie mir vorher überlege?

Immer wieder falle ich dann in Klischees, hänge mich auf an Vorbildern. Es gibt auch eine zweite Kamera. Sie filmt das Team, das den Film dreht, fängt die Umgebung ein…Passanten, Pflanzen, Tiere. Freier kann man nicht an einen Film herangehen und doch drückt in meinem Kopf das Verlangen nach einem Plan; einem vorgegebenen Ablauf; genauso stark ist mein Verlangen nach Statik. Ich habe das Gefühl, dass ich mich mit einer Handkamera kaum ausdrücken kann, dass ich von Freundschaft kaum erzählen kann. Aber wie früh im Leben kann man denn schon wissen, welche Form einem besser entgegenkommt; und sollte nicht immer das Thema, die Charaktere den Stil vorgeben? Es gibt ja nicht „den Stil“; alles kann funktionieren. Dieser Film sollte ein Versuch sein sich zu öffnen und ich komme mir dabei selbst so fremd vor.

Heute wird sehr anders.

Tag 2


Der zweite Tag war anders und kurios. Zu Beginn haben wir das Tempo angezogen und ich habe versucht klare und einfache Anweisungen vorzugeben. Wir haben tatsächlich nochmal bei null angefangen. Die Intensität und Direktheit war gerade in den ersten Takes wunderbar. Allerdings neigten die Darsteller zu Übertreibungen, wurden fast zu zügellos und so kam ich nach und nach wieder in den Zweifel: Soll ich bewusst eine Art Film machen, die mir nicht gefällt? In einer längeren Diskussion mit dem Kameramann und der Regieassistenz war ich so am Boden, wie noch nie während eines Filmdrehs. Ich konnte nicht mehr weiter und nicht mehr zurück. Alles hatte sich festgefahren; ohne Drehbuch, ohne Ausweg. Es gab nicht mal einen Strohhalm, an dem ich mich hätte festhalten können. Der Kameramann beharrte darauf einfach weiter zu machen. Er hatte wohl Recht. Mit der Regieassistentin und den drei Darstellern hinter mir bin ich dann blind in den Wald gelaufen bis zu einer Stelle mit einem querliegenden Baumstamm.

Mir kam die Idee die Figuren in den Wald zu schicken ohne dass sie genau wissen weshalb. Also praktisch meine eigene Situation zur Situation der Figuren zu machen; die Suche nach etwas, das man nicht kennt. Und der Wald wirkte wie eine Befreiung. Oft sind wir einfach nur gelaufen, dann haben wir Takes gedreht vom Laufen, dann haben wir Gespräche inszeniert. Wir sind immer tiefer in den Wald eingedrungen, haben uns von der Natur inspirieren lassen. Es war eine neue Energie, eine Befreiung.

Am Abend habe ich wieder alle Muster angesehen und bemerkt, dass selbst die Takes, mit denen ich unglücklich war, ihre wichtigen Momente haben. Es ist tatsächlich als würde ich gerade lernen die Augen zu schließen, wenn ich einen Film mache.

Tag 3



Am Morgen habe ich mir einen Plan von 9 Einstellungen gemacht, die wir meiner Meinung nach machen mussten, um zu einer in Rhythmik und Melodie passenden Film zu gelangen; ich habe den Schauspielern gleich am Morgen erzählt wie ich die Geschichte bisher sehe, was bisher geschah. Mir wurde klar, dass es jetzt eine Linie gab, der man folgen konnte. Dann sind wir in den Wald marschiert und haben dort Bild für Bild abgedreht.

Ich wusste, dass an diesem Tag Raum für außergewöhnliche Momente war. Die Frage bei Improvisation scheint mir immer zu sein wie und ob man Dinge wiederholt, die nicht ganz perfekt waren, aber nahe dran. Der Drang nach Perfektion ist dann immer so groß. Ich versuche bei diesem Dreh Wiederholungen zu vermeiden, aber ganz automatisch kommt man an den Punkt der Wiederholung. Das Massaker mit Anschlüssen sollte sich durch chronologisches Drehen lösen. Schnitte werden gesetzt werden müssen, um Löcher zu lassen. Die Darsteller kamen heute an die Punkte, die ich gesucht habe. Sie kamen dort weitaus effektiver ran, als wenn ich mit ihnen geprobt hätte. Ich versuche nicht mehr alles zu psychologieren, versuche Film als Handlung zu nehmen. Das Konzept erlaubt mir meine Erklärung zu verweigern. Die Dinge passieren einfach; keiner weiß, wann man lächelt, wann man schreit und wann man weint. Und immer wieder kommen Impulse aus dem Spiel, die einen in neue Richtungen drängen.

Tag 4




Auf der Welle des gestrigen Tages war heute der Versuch angesagt einfach weiterzumachen; das gelang zu Beginn sehr leicht. Allerdings musste man extrem aufpassen, dass sich die gute Stimmung und Lockerheit des Vortages nicht auf das Spiel überträgt. Meine Erfahrung mit den Darstellern und selbst mit dem Team war merkwürdig distanziert zum Teil, weil ich versucht habe ein Gefühl von Verunsicherung und Entfremdung aufrechtzuerhalten.

Mir ist auch aufgefallen, dass ich mit diesem Film zum ersten Mal in der Natur war; ich hatte den Eindruck, dass es mir dort deutlich leichter fällt auf die Umwelt zu reagieren, die Drehorte zu durchdringen. Bei dieser Art des Drehens kommt kaum Set-Gefühl aus; es gibt kein Set, weil das Set die ganze Zeit wandert. Es gibt nur vor und hinter der Kamera und selbst das haben wir beginnen zu verwischen mit unserer zweiten Kamera. Das Musterschauen am Abend hat mir unheimlich geholfen. Die arbeitsfreundliche Länge der Drehtage (ca. 7 Stunden im Schnitt) erlaubt ein sehr hohes Tempo.

Ich fühle mich nicht gut nach dem Dreh. Ich realisiere in diesem Moment was mir alles nicht gelungen ist. Ich versuche das Material zu sichten, um mich zu beruhigen. Wir haben einen völlig anderen Film gemacht als ich zuerst dachte. Trotzdem scheint er mir unheimlich nahe zu sein und völlig meinen Auffassungen zu entsprechen. Jetzt müssen wir den Film nochmal finden.

Anmerkung: Die Bilder sind unbearbeitet und im falschen Format.

4 Kommentare:

  1. Schön. Würde mich über deine älteren Filme freuen, wo sind die zu finden? Und was wird aus dem hier beschriebenen?

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  2. Danke=) Einige ältere Sachen findet man auf youtube (qualitativ zu weit entfernt, um sie zu verlinken). Die letzten 2 Kurzfilme werden gerade auf Festivals eingereicht und sind daher nicht online verfügbar.

    Diesen Film werden wir im kommenden halben Jahr schneiden und mal sehen,was dabei rauskommt.Mir fehlt noch viel an Erfahrung und ich möchte weiter versuchen eine eigene Sprache zu finden.

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  3. Spannend. Ich wußte gar nicht, dass Du auch Kurzfilme drehst. Ich würde mich auch freuen, wenn Deine vorherigen Werke - nachdem sie durch den Festival-Zirkus sind - online zur Verfügung gestellt werden. Vielleicht sogar hier bei dir im Blog?

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  4. Danke=)

    Eventuell könnte man das machen, ja.

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