Text: Rainer Kienböck
Schon mal
den Namen Clara Trischler gehört? Sie ist eine österreichische Filmstudentin am
Instituto Universitario Nacional del Arte in Buenos Aires, davor war sie
bereits an der Filmakademie Wien und am European Film College in Dänemark.
Diese noch nicht dreißigjährige, junge Dame hat einen der Lichtblicke der
bisherigen Diagonale zu verantworten. Unscheinbar im Kurzdokumentarfilm
Programm 3 an der Seite eines viertelstündigen verspielten Films über zwei
französische Straßenmusiker in Berlin („Virgil & Evan“), hinterließ ihr
„Das erste Meer“ bleibenden Eindruck bei mir.
Und das
obwohl er das leidige Thema des Konflikts zwischen Israel und Palästinensern
behandelt. Die Thematisierung jüdischer Vergangenheit und Gegenwart ist etwas
überstrapaziert auf diesem Festival und dennoch widme ich mich diesem Film.
Nicht Beckermanns „Those who go Those who stay“, nicht Oscar-Preisträger
Ruzowitzkys „Das radikal Böse“ wird diese Ehre zuteil.
So
einzigartig, einfach und zurückhaltend ist Trischlers Herangehensweise. Sie
nähert sich diesem Mammutthema durch die Hintertüre, indem sie eine Gruppe von
palästinensischen Kindern, die in zwei Dörfern im Westjordanland leben,
porträtiert. Den Kindern gegenüber steht eine Gruppe philanthropischer
israelischer Frauen, die einen Verein gegründet haben, der Ausflüge ans Meer
für palästinensische Kinder organisiert. So ein Ausflug ist nicht
selbstverständlich, denn die rigiden Passkontrollen und Einreiseverbote machen
den Palästinensern das Leben schwer. Dennoch begrüßen nicht alle Familien im
Dorf diese Initiative – manche wollen einfach nichts mit diesen Verbrechern zu
tun haben, die sie vor vierzig, fünfzig Jahren aus ihrer Heimat vertrieben
haben.
So einseitig
wie das jetzt klingen mag ist der Film aber nicht. Obwohl Trischler, die mit
ihrem Team einige Zeit unter diesen Menschen gelebt hat, naturgemäß Sympathien
entwickelt, gibt sie auch den Israelis eine Bühne, lässt sie zu Wort kommen und
schafft es eindrucksvoll das gegenseitige Hochschaukeln aufzuzeigen. Der Hass
der dieses Land brodeln lässt ist eine hausgemachte, vererbte Krankheit, die
epidemisch vor keiner Volksgruppe zurückweicht.
Trischlers
Strategie ist also nicht der Versuch einer Objektivität, sondern ein ständiges
Neuverhandeln und Reflektieren der eigenen Position. Diese Vorgehensweise führt
zu einem ähnlichen ständigen Kurswechseln und –korrigieren im Kopf des
Zusehers. Dieses Hineinführen in andere Denkmuster und Philosophien ist die
eigentliche Leistung des Films.
Am Strand
von Jaffa (Haifa) kommt es schließlich zum ideologischen Schlagabtausch. Dort
verschafft sich ein junger Mann Gehör, der sinngemäß zu verstehen gibt, dass er
einfach nur in Ruhe gelassen werden will, und dafür auch Jerusalem zweiteilen
würde: Es muss ein Kompromiss erzielt werden, und dafür müssen beide Seiten
Teile ihrer Forderungen aufgeben. Auf die Erwiderung, dass für den Status Quo
so viele Menschen ihr Leben lassen mussten entgegnet er schlicht: „Deshalb
sollen noch mehr sterben?“
In diesem
Geplänkel am Rande des Narrativen bietet der Film eine einfache Lösungsformel
für den Konflikt. Die Stärke des Films ist es, diese Idee zu vertiefen, sondern
den Fokus auf den Kindern zu belassen, die einstweilen im Meer plantschen und
den Mann gar nicht hören können. Kurz danach machen sie sich auf den Heimweg
und blicken noch einmal sehnsüchtig auf die Freiheit der israelischen Nachbarn.
Angesichts
der Indoktrinationsmaßnahmen beider Seiten ist die Hoffnung verschwindend
gering, dass sich in dieser Region jemals etwas ändern wird. Im
„therapeutischen Sommercamp“ tragen die Kinder militante Gedichte vor und
stellen Gefangennahmen durch die israelische Polizei nach. Mehrmals äußern sich
die Kinder negativ über die Israelis, die „ihr Land gestohlen haben“ und sie
singen lautstark die Kampfparolen der Demonstranten mit, ohne es auch nur
annähernd zu verstehen. Paradox, denn später stellt sich heraus, dass es
eigentlich nur der Wunsch ihrer Eltern und Großeltern ist nach Jaffa, Tel Aviv
und wie sie alle heißen, zurückzukehren – die Kinder haben ihre Heimat schon längst
in ihren Dörfern gefunden. Das gibt dann doch wieder etwas Hoffnung.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen