Im lichtgefluteten, lauten Kinofoyer
betrachten sich Menschen in den zahlreichen geputzten Spiegeln. Sie müssen gut aussehen bevor sie in der
Dunkelheit des Saals verschwinden.
Apichatpong
Weerasethakul hat die Menschen im Kino, also die Zuseher als Geister
bezeichnet. Bewegungslose Körper, die andere Geister, nämlich die Bilder der
Vergangenheit betrachten. Inwiefern wird der Zuseher auch völlig körperlos? Vor
ungefähr einem Jahr habe ich vom perversen Körper des Filmzusehers geschrieben
(Der perverse Körper unterbricht Filme)
und heute versuche ich mich an ihn zu erinnern.
Der Geist im
Kino ist ein lesender Geist. Selten, zu selten wird diese Starre zu einem
Eintauchen, denn bevor man eintaucht, möchte man erst das Wasser kennen.
Traurige Geister haben sich ins Kino verlaufen. Der kindliche Trieb eines unschuldigen Betrachtens wird von Kultur in den Geistern gestört und verhindert. Sei nicht so kritisch, du bist
selbst ein Geist. Ich habe verschiedene Sitztechniken entwickelt, meine Größe
scheint nicht immer geeignet für Kinos. Es gibt die beide Beine auf dem Boden
Haltung, es gibt die linkes Bein überschlägt das rechte Bein und es gibt die
rechtes Bein überschlägt das linke Bein Haltung. Wenn mich ein Film ganz kalt lässt,
lege ich meinen Arm gerne auf den Nebensitz (wenn dort niemand sitzt) und wenn
ich ihn ganz besonders mag dann lehne ich mich oft nach vorne, im Eindruck dann
mehr und umfassender zu sehen. Bin ich länger als 60 Minuten im Kino (die
Regel) nehme ich auch abwechselnd linkes und rechtes Bein zu mir auf den Stuhl.
Oft halte ich meine Mütze den ganzen Film fest. Ich bewege mich, bin kein
Geist. Ich halte mich für einen miserablen Kinogänger.
Oft stellt
sich mir die Frage, ob das Kino der Ort von erhöhtem Respekt ähnlich eines
Theaters sein sollte oder ein respektloser Ort, an dem alles erlaubt ist von
Wortgefechten bis hin zur Rebellion im Zuschauerraum. Wenn es Geister sind, ist
es ein heiliger Ort. Es sind Geister, weil es die Vergangenheit ist, die wir
immerzu sehen. Tote Bilder, die eigene Jugend, gespeichert auf diversen
Materialien und vor uns lebendig auf der Leinwand. Der Star auf der unsterblichen
Leinwand scheint heute nicht mehr so interessant wie das eigene Leben, Orte und
Landschaften, die man kennt. Gemurmel und Geflüster, wann immer etwas zu sehen
ist, das man kennt. Die Geister erwachen zum Leben, sie wollen nicht
eintauchen, wollen nicht im Film sterben, sie lesen ihn und dann zerreden sie
ihn.
Doch bricht
die Illusion zusammen passiert etwas. Tonausfälle, Bildprobleme sind nicht erwünscht.
Aus welcher Illusion wird der lebendige Zuseher denn herausgerissen? Es könnte
die Illusion seiner eigenen Erwartung sein und dann findet Kino schon lange im
Kopf und nicht vor dem Zuschauer statt. Es wäre schon lange an der Zeit die
Spiegel aus den Kinofoyers zu nehmen, sie zu zerbrechen und damit die Leinwand
aufzuschlitzen. Das Kino kann nicht nur auf die Figuren, die es besuchen zurückgeworfen
werden, die Qualität eines Films kann nicht nur an der subjektiven Reaktion
eines Zusehers und seiner Bereitschaft sich zu involvieren gemessen werden.
Willkür herrscht im Land der Geister, Willkür, die zur Irrelevanz verkommt. Die
zerbrochenen Spiegel müssen wieder in die Kinosäle gebracht werden, damit statt
ästhetischer Leere und unästhetischer Überfüllung ein Kino gefunden wird, das
die Geister daran erinnert, dass sie im Kino sind, denn im Kino sein, heißt in
der Welt sein. Dieses Kino gibt es. Zum Beispiel bei Apichatpong
Weerasethakul, der es vermag seine Geister körperlich zu berühren, weil das
Vergangene für ihn Teil der Gegenwart ist und somit auch das Kino.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen