Vor kurzem habe ich mich mit einem Freund
über die Atomisierung der Cinephilie ausgetauscht. Die Völlige Verteilung des Kinoliebenden
aufgrund der neuen Sehgewohnheiten und Möglichkeiten, aufgrund der unzähligen
Alternativen, die sich einem jenseits des aktuellen Kinoprogramms mit On-Demand
Services, illegalen Streams und Downloads, dem DVD- und BluRay Markt und so
weiter täglich ergeben. Wir haben von einer unendlichen Liste an
nicht-gesehenen Filmen gesprochen, von der man sich immer wieder distanzieren
muss, weil es sonst nur noch um das utopische Ziel gehen könne, alle Filme von
der Liste zu streichen. Was dieser Art von Kinoliebe oft fehlt, ist ihr
sozialer Faktor, ihr agitatorisches Massenpotenzial, das Kino propagiert. Stattdessen
zieht man sich in seine Kämmerchen zurück und betreibt Filmeschauen, als eine
Art Marathon. Man findet viele Menschen, die mit einem laufen, aber es geht zu
sehr darum, wer mehr und was gesehen hat und zu wenig darum zu sehen. Da ich
mich selbst nicht frei machen kann von diesem Drang freue ich mich sehr, dass
Rainer Kienböck sich in seinem folgenden Bericht als Mittelerde-Fanboy outet
und das Gefühl über die Vernunft siegen lässt. Denn irgendwo liegt in der oft
als „Fankultur“ abgespeisten Masse an Menschen, dann doch jenes soziale
Element, das der differenzierten Cinephilie abhanden kommt. Vielleicht kann man
davon einiges lernen, vom Kino als Medium der Massen, das zu Verkleidungen und
Mitternachtsanstehorgien verleitet. Natürlich stellt sich im derzeit ja sehr
heftig geführten Diskurs, wo bei so einem Blog wie „Jugend ohne Film“ die
Grenze liegt zwischen: Da schreibt irgendeiner über Dinge, die er mag als Fan
und da schreibt jemand als Journalist und so weiter. Meine Antwort dazu ist
relativ knapp: Es geht darum über Film zu schreiben.
A Fanboy’s
Life: Midnight Screening Frenzy
Text:
Rainer Kienböck
Schafe und Lemminge sind sie! Strömen in
die Kinosäle um sich gehypten Müll vorsetzen zu lassen. Sie merken nicht einmal
welchen Dreck sie da zu sehen bekommen, und nachher sind sie hellauf begeistert
vom sinnbetäubenden Spektakel.
Die dummen Massen, gerne schere ich sie
über einen Kamm und verurteile sie. Deshalb beschämt es mich zuzugeben, dass
auch ich, selten, aber regelmäßig, zum Schaf werde. Dafür gibt es zwei Gründe: Star Wars und Mittelerde. Mir Filmsnobismus vorzuwerfen ist durchaus legitim, ich
gebe offen zu oft nicht verstehen zu können, was die Massen an abendfüllenden
Blockbustern begeistert oder unterhält. Ich scheine Filme mit anderen Augen zu sehen, als viele meiner Freunde und Kollegen. Doch
selbst meine kinoerprobten Augen erliegen immer wieder dem Blendwerk zweier
Männer: Peter Jackson und George Lucas. Über die rare Gelegenheit, einen Film
unreflektiert ansehen zu können – ein zugleich erschreckendes und erleuchtendes
Erlebnis – handelt mein Bericht.
Mittwoch der 11. Dezember 2013, ein
grässlicher Tag. Es ist schweinekalt. Eine halbe Stunde vor Mitternacht stehe
ich auf der Wiener Mariahilfer Straße und lasse mich noch von einem
FM4-Reporter über den Status Quo des österreichischen Films interviewen. Eine
halbe Stunde noch, dann geht es los. Vorfreude? Nicht wirklich, ich bin
kritisch eingestellt. Der erste Teil von Peter Jacksons The Hobbit-Trilogie hat
mich zwar begeistert, doch umso länger ich über ihn nachgedacht habe, desto
mehr Fehler und Ungereimtheiten sind mir aufgefallen. Nichtsdestotrotz, ich
mochte den Film, und ich mag ihn noch immer – und dennoch, ein weiteres Mal
wird es Jackson nicht schaffen mich mit solch einem lauwarmen Feuerwerk zu
bannen! Im Foyer tummeln sich unzählige Besucher, die auf den Einlass warten,
man erspäht einige Verkleidungen und sogar ein paar spitze Elbenohren. Langsam
strömen die Massen in den Saal, und während man noch über die 3D-Brillen
lästert und sich über Details des ersten Teils beschwert, verdunkelt sich der
Saal. Werbung. Der Film beginnt. Wie immer im Haydn-Kino versperren einem noch
kurz die Zuspätkommenden (das Haydn ist wahrlich die Hochburg der Unpünktlichen)
die Sicht auf die Leinwand und verhindern die sofortige Immersion. Und dann:
der erste Blick auf mein geliebtes Mittelerde – der erste Gedanke: ich mochte
es noch mehr, als es noch nicht größtenteils aus Bits und Bytes bestand – setzt
sich mein kritischer Verstand doch durch? Spätestens nach fünf Minuten lässt
sich diese Frage getrost mit Nein beantworten – die Anziehung Mittelerdes ist
zu stark. Wieder bin ich verschluckt worden von dieser Effektmaschinerie, lasse
völlig unreflektiert die 1en und 0en auf mich eindreschen. Und das Schlimmste
daran: es gefällt mir. Etwa 160 Minuten später stehe ich wieder auf der
Mariahilfer Straße. Nach etwa 145 Minuten gebannten Zusehens und 15 Minuten
krampfhaft verschlossener Augen (galoppierende Arachnophobie hat seine
Nachteile) diskutiere ich über die Unzulänglichkeiten des Skripts, das Übermaß
an CGI (Merke: weniger Budget für Drachendesign, mehr für flüssiges Gold) und
spotte über Jacksons Entscheidung dieses dünne Kinderbuch zur Trilogie
auszuschlachten (man erdichte ganz einfach drei Stunden an Screentime selbst,
die man seinen Buddies aus Herr-der-Ringe-Tagen für Cameoauftritte zur
Verfügung stellt).
Es ist drei Uhr nachts, und sehr gerne
würde ich noch weitere Stunden zubringen den Film zu zerreißen. Er zählt trotzdem
mit zum Besten was das Kinojahr 2013 zu bieten hat – das Schaf in mir hat
entschieden.
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