Der dritte Tag auf der Viennale war ein Tag der selbstverliebten Filmemacher. Zunächst rannte einer davon im Batmankostüm durch die Kaspar Hauser Legende. Die Rede ist von Aberto Gracia und seinem „The Fifth Gospel of Kaspar Hauser“, einem an sich furchtlosen Experimentalwerk, das sich meditativ der Figur des Kaspar Hauser mit inneren Bildern und unterentwickelten 16mm-Bildern annähert. Dabei wird ein Pferd in seine Einzelteile zerschnitten während Chopin zu hören ist, nach dem Buchstaben A in Formen der Umwelt gesucht und darin ist eben auch der Regisseur selbst zu sehen, verkleidet als Batman, rauchend und einmal das Batman-Thema erfolgreich fordernd. Es wirkt so als hätte Gracia Freude daran seinen eigenen Film zu zerstören. Das müsste per se nicht schlecht sein, aber er zerstört nicht den Film, sondern zeigt lediglich, dass ER es könnte. Dadurch wird das Ganze zu einem anstrengenden Film, der viele schöne und körperliche Momente hat, aber sich niemals wie das Kunstwerk anfühlt, das es vorgibt zu sein. Surreale Bilder und Töne, das Thematisieren des Filmmaterials und das ewige Verweigern von Erwartungen alleine sind nur die Zutaten eines Experimentalfilms, nicht aber seiner Wahrheit.
Da die Viennale es für richtig hält 3 Euro für ihre
Schlüsselbänder, an denen man die Akkreditierung befestigen kann, zu verlangen,
trage ich die Viennale-Karte am Schlüsselband des Hamburger Filmfests. Schön
ist wie der Scanner manchmal durch die Folie kommt und manchmal nicht. Verkrampfungen,
Flüche und verlegenes Lächeln inklusive. Ich hätte lieber für das Jerry Lewis
Buch gezahlt als für das Schlüsselband. Am Abend im alten Stadtkino sah ich „The
Dirties“ von Matt Johnson. Eine Hymne an das Nerdtum, die sich postwendend in
einen Albtraum verwandelt, aber dabei weiter nerdig bleibt. Zwei Freunde drehen
einen fiktiven Film über einen Amoklauf an ihrer Schule, der nach und nach
immer realer wird. Dabei setzt Johnson ganz auf bekannte Formen der
Fake-Documentary. Sein Freund und er tragen ihre wirklichen Namen und er schneidet
dokumentarisches und fiktionales Material so durcheinander, dass man nicht mehr
unterscheiden kann. Nach dem Screening sagt Matt Johnson, dass diese
Erzählformen mit der Adressierung der Kamera spätestens mit „The Office“ und „Arrested
Development“ immer populärer werden. Dabei spielt er seine Rolle nach dem Film
gleich weiter und so ganz mag ich ihm seine „Wir haben das nur mit Freunden
gedreht“ Geschichten nicht glauben. Ansonsten sprudelt es aus Film wie
Regisseur nur so an Zitaten und Anspielungen. Einen Film über einen Amoklauf zu
machen, indem der Täter das T-Shirt aus „Elephant“ trägt, hat schon eine
besondere Note und der Schock über die Ernsthaftigkeit sitzt auch sehr tief
nach dem anfänglichen Spaß. Im ständigen Überlappen von Fiktion und
Dokumentation verpasst der Film es aber letztlich sowas wie eine Realität zu
erschaffen. Dafür schafft er jene taube Welt, die auch schon „Spring Breakers“
zu einem Generationenportrait gemacht hat. Etwas selbstverliebt meint Johnson,
dem man das aber gar nicht so böse nehmen kann, weil er eben wie Quentin Tarantino
einem Wasserfall an Quergedanken gleicht, dass dies eine neue Art des Kinos
sei, was sicherlich ein wenig übertrieben ist. Jedenfalls wird sein Q&A als
eines der unterhaltsamsten der diesjährigen Viennale mit Sicherheit für Furore
sorgen. Auf dem Heimweg wird mir irgendwie auch klar, dass der Film auf eine merkwürdige
Weise meine eigene Jugend thematisierte. Die Zeit, in der alles ein Film war
und ich immer spielte und Ideen sammelte. Eine unschuldige Zeit, in der die
gefährlichsten Dinge passieren. Sie könnte noch immer sein.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen