Samstag, 1. Dezember 2012

François Ozon-Regisseur



François Ozon ist einer der aufregendsten Regisseure aus Frankreich.  Er scheint sich mit jedem Film selbst neu zu erfinden, aber bleibt dennoch immer erkennbar. Überbohrende, streng-filmische Inszenierung, die mit einer gewissen Opulenz ausgestattet meist auf der Gefühlsebene zum Publikum spricht und ein Spürbarmachen der Form von Dramaturgie und Filmtechnik gehören zu seinen wiederkehrenden Markenzeichen.

Swimming Pool (2003)

Mehr noch ist Ozon einer der wenigen Regisseure, die in ihren Sexszenen dramaturgische oder charakterliche Entwicklungen austragen, das bedeutet bei Ozon ist eine Sexszene nicht einfach nur eine „Jetzt schlafen sie miteinander“, sondern in der Sexszene spielen sich entscheidende Details zum Verständnis der Charaktere ab. So offenbaren sich Abhängigkeiten und Schwächen, Schuld und Unschuld innerhalb der Bettszenen in beispielsweise „5x2“ oder „Le temps qui reste“. Menschliche Schwächen, die andere in Extremsituationen suchen, findet Ozon im Alltag. Er selbst versteht sich als Beobachter solcher Szenen, die eigentlich hinter geschlossenen Türen stattfinden. Immer wieder stehen Charaktere bei Ozon im Türspalt, wo sie den Geschehnissen folgen. Der junge Claude in „Dans la Maison“ thematisiert diesen Voyeurismus sogar in seinem Aufsatz, seine Nähe zu seinen Charakteren, wen betrachtet er von welchem Standpunkt aus? Dabei muss es sich nicht immer um Sex handeln. Es sind auch die versteckten Tränen, die verschlossenen Schubladen, die Laster der Vergangenheit, die von Bedeutung sind. Doch manchmal bleibt die Tür auch verschlossen. Ozon nimmt die Welt als zweigeteilt war: Die Oberfläche und das, was darunter, was sich „Sous le sable“ befindet. In „8 Femmes“ bleibt die Tür zum Zimmer des Mannes mit einem großen Geheimnis behaftet. Zwar wirft Ozon bewusst einen Blick auf die Schwächen seiner Charaktere, erlaubt aber selten eine tatsächliche Wertung. Dabei zeichnet er sich bekanntermaßen dadurch aus, insbesondere seine Frauenrollen vielschichtig und interessant anzulegen. Ähnlich wie der Spanier Pedro Almodóvar versteht es Ozon Frauen in Schönheit, Zerbrechlichkeit, Einsamkeit, Stärke und Lebensfreude gleichzeitig zu präsentieren. Dabei erlaubt er seinen Frauen, wie etwa Catherine Deneuve in „Potiche“ Selbstironie, weil er eben selbst oberflächlich betrachtet locker und leicht daherkommt, weil sein eigener Blick ein selbstironischer ist. Frauen, die sich nicht zu ernst nehmen sind bei Ozon keine Ausnahme, Selbstironie ist ein Bestandteil seiner Protagonistinnen, weil Ozon durch sie einen Aspekt von sich selbst erzählt, weil er sich für die Frau hinter der „Frau“ interessiert. Wie Almodóvar spielt auch Musik in den Filmen von Ozon eine wichtige Rolle. Oft sind es wundervolle Klänge von Phillipe Rombi, die die durchdachten Farbkompositionen und häufigen Kamerafahrten melancholisch, schwungvoll oder spannungsgeladen untermalen. Es liegt auf der Hand, dass er sich in „8 Femmes“ auch am Genre des Musicals versuchte. Denn Ozon ist in vielerlei Hinsicht auch ein Genreregisseur. In seiner Reflektion der unterschiedlichen Stilmittel begründet sich die Offenheit seiner Form. Beachtenswert dabei ist, dass er den Sprung von Drama, zu Thriller, zu Komödie, zu Kostümfilm scheinbar leicht vollbringt. Ein Cineast also, der Filme aus persönlichen Beweggründen macht, aber bei dem ein Teil seiner Persönlichkeit auch am Kino selbst hängt. Eine Persönlichkeit, die sich droht zwischen den Grenzen der Realität und der Fiktion aufzulösen. Ein Hauptmotiv des Schaffens von Ozon ist eben jene Grenze, die ihm vielschichtige Kontextualisierungen erlaubt und den Zuseher selbst oft im Unsicheren zurücklässt. Ozon thematisiert den Prozess der künstlerischen Aktivität. Er macht Filme über das Filmemachen, über das Schreiben. „Swimming Pool“ und „Dans la Maison“ sind zwei Musterbeispiele für diese Vorgehensweise.  Dabei stellt der Regisseur in „Dans la Maison“  dar, dass die Möglichkeiten des Erzählens zahlreich sind. Ihn interessiert das „Was“ und das „Wie“ in gleicher Weise und das lässt jeden Ozon-Film zu einer kleinen Überraschungsbox werden.

Le temps qui reste (2005)


Häufig sind der Strand und das Meer bei Ozon zu sehen. Es sind Orte der Sehnsucht, der melodramatischen Emotion, vor der er so wenig Angst hat. Gleichzeitig sind es aber Orte der Einsamkeit und Verlorenheit. Am Strand könnten sich all diese Charaktere von Ozon treffen, egal ob sie nackt im Sand liegen oder im Wasser verschwinden. Schon in seinen frühen Kurzfilmen zog es ihn ans Meer. Das Meer ist zugleich intim und völlig anonym. Man kann alles beobachten, aber man wird auch leicht getäuscht. Die Weite ist trügerisch, denn wenn man einmal blinzelt, ist der Horizont verändert. Ozon macht Autorenkino, das meilenweit von vielen seiner intellektuell-versperrten Kollegen entfernt ist. Sein Kino ist körperlich und emotional. Das Besondere daran ist, dass die Kamera die merkbare Eigenschaft hat diese Emotionalität zu beobachten und zu erzählen. Daher bleibt es einem selbst überlassen, ob man sich Ozon mit dem Herzen oder mit dem Kopf nähert. Man weiß sowieso nicht, was einen erwartet.

8 Femmes (2002)


An dieser Stelle eine ganz herzliche Empfehlung für „Dans la Maison“, der gerade im Kino zu sehen ist. Unten noch einige Trailer von Ozons Filmen, die ich subjektiv empfehlen möchte.

Regarde La Mer



 Gouttes d'eau sur pierres brulantes


Sous le sable


8 Femmes


 Swimming Pool


5x2



Le temps qui reste



Angel



Le refuge



Potiche



Dans la Maison





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