François Ozon ist einer der aufregendsten Regisseure aus
Frankreich. Er scheint sich mit jedem
Film selbst neu zu erfinden, aber bleibt dennoch immer erkennbar. Überbohrende,
streng-filmische Inszenierung, die mit einer gewissen Opulenz ausgestattet
meist auf der Gefühlsebene zum Publikum spricht und ein Spürbarmachen der Form
von Dramaturgie und Filmtechnik gehören zu seinen wiederkehrenden
Markenzeichen.
Swimming Pool (2003) |
Mehr noch ist Ozon einer der wenigen Regisseure, die in ihren
Sexszenen dramaturgische oder charakterliche Entwicklungen austragen, das
bedeutet bei Ozon ist eine Sexszene nicht einfach nur eine „Jetzt schlafen sie
miteinander“, sondern in der Sexszene spielen sich entscheidende Details zum
Verständnis der Charaktere ab. So offenbaren sich Abhängigkeiten und Schwächen,
Schuld und Unschuld innerhalb der Bettszenen in beispielsweise „5x2“ oder „Le
temps qui reste“. Menschliche Schwächen, die andere in Extremsituationen
suchen, findet Ozon im Alltag. Er selbst versteht sich als Beobachter solcher
Szenen, die eigentlich hinter geschlossenen Türen stattfinden. Immer wieder
stehen Charaktere bei Ozon im Türspalt, wo sie den Geschehnissen folgen. Der
junge Claude in „Dans la Maison“ thematisiert diesen Voyeurismus sogar in
seinem Aufsatz, seine Nähe zu seinen Charakteren, wen betrachtet er von welchem
Standpunkt aus? Dabei muss es sich nicht immer um Sex handeln. Es sind auch die
versteckten Tränen, die verschlossenen Schubladen, die Laster der
Vergangenheit, die von Bedeutung sind. Doch manchmal bleibt die Tür auch
verschlossen. Ozon nimmt die Welt als zweigeteilt war: Die Oberfläche und das,
was darunter, was sich „Sous le sable“ befindet. In „8 Femmes“ bleibt die Tür
zum Zimmer des Mannes mit einem großen Geheimnis behaftet. Zwar wirft Ozon
bewusst einen Blick auf die Schwächen seiner Charaktere, erlaubt aber selten
eine tatsächliche Wertung. Dabei zeichnet er sich bekanntermaßen dadurch aus,
insbesondere seine Frauenrollen vielschichtig und interessant anzulegen.
Ähnlich wie der Spanier Pedro Almodóvar versteht es Ozon Frauen in Schönheit,
Zerbrechlichkeit, Einsamkeit, Stärke und Lebensfreude gleichzeitig zu
präsentieren. Dabei erlaubt er seinen Frauen, wie etwa Catherine Deneuve in „Potiche“
Selbstironie, weil er eben selbst oberflächlich betrachtet locker und leicht
daherkommt, weil sein eigener Blick ein selbstironischer ist. Frauen, die sich
nicht zu ernst nehmen sind bei Ozon keine Ausnahme, Selbstironie ist ein
Bestandteil seiner Protagonistinnen, weil Ozon durch sie einen Aspekt von sich
selbst erzählt, weil er sich für die Frau hinter der „Frau“ interessiert. Wie
Almodóvar spielt auch Musik in den Filmen von Ozon eine wichtige Rolle. Oft
sind es wundervolle Klänge von Phillipe Rombi, die die durchdachten
Farbkompositionen und häufigen Kamerafahrten melancholisch, schwungvoll oder
spannungsgeladen untermalen. Es liegt auf der Hand, dass er sich in „8 Femmes“
auch am Genre des Musicals versuchte. Denn Ozon ist in vielerlei Hinsicht auch
ein Genreregisseur. In seiner Reflektion der unterschiedlichen Stilmittel
begründet sich die Offenheit seiner Form. Beachtenswert dabei ist, dass er den
Sprung von Drama, zu Thriller, zu Komödie, zu Kostümfilm scheinbar leicht
vollbringt. Ein Cineast also, der Filme aus persönlichen Beweggründen macht,
aber bei dem ein Teil seiner Persönlichkeit auch am Kino selbst hängt. Eine
Persönlichkeit, die sich droht zwischen den Grenzen der Realität und der
Fiktion aufzulösen. Ein Hauptmotiv des Schaffens von Ozon ist eben jene Grenze,
die ihm vielschichtige Kontextualisierungen erlaubt und den Zuseher selbst oft
im Unsicheren zurücklässt. Ozon thematisiert den Prozess der künstlerischen
Aktivität. Er macht Filme über das Filmemachen, über das Schreiben. „Swimming
Pool“ und „Dans la Maison“ sind zwei Musterbeispiele für diese
Vorgehensweise. Dabei stellt der
Regisseur in „Dans la Maison“ dar, dass
die Möglichkeiten des Erzählens zahlreich sind. Ihn interessiert das „Was“ und
das „Wie“ in gleicher Weise und das lässt jeden Ozon-Film zu einer kleinen
Überraschungsbox werden.
Le temps qui reste (2005) |
Häufig sind der Strand und das Meer bei Ozon zu sehen. Es sind
Orte der Sehnsucht, der melodramatischen Emotion, vor der er so wenig Angst
hat. Gleichzeitig sind es aber Orte der Einsamkeit und Verlorenheit. Am Strand
könnten sich all diese Charaktere von Ozon treffen, egal ob sie nackt im Sand
liegen oder im Wasser verschwinden. Schon in seinen frühen Kurzfilmen zog es
ihn ans Meer. Das Meer ist zugleich intim und völlig anonym. Man kann alles
beobachten, aber man wird auch leicht getäuscht. Die Weite ist trügerisch, denn
wenn man einmal blinzelt, ist der Horizont verändert. Ozon macht Autorenkino,
das meilenweit von vielen seiner intellektuell-versperrten Kollegen entfernt
ist. Sein Kino ist körperlich und emotional. Das Besondere daran ist, dass die
Kamera die merkbare Eigenschaft hat diese Emotionalität zu beobachten und zu
erzählen. Daher bleibt es einem selbst überlassen, ob man sich Ozon mit dem Herzen
oder mit dem Kopf nähert. Man weiß sowieso nicht, was einen erwartet.
8 Femmes (2002) |
An dieser Stelle eine ganz herzliche Empfehlung für „Dans la
Maison“, der gerade im Kino zu sehen ist. Unten noch einige Trailer von Ozons Filmen, die ich subjektiv empfehlen möchte.
Regarde La Mer
Gouttes d'eau sur pierres brulantes
Sous le sable
8 Femmes
Swimming Pool
5x2
Le temps qui reste
Angel
Le refuge
Potiche
Dans la Maison
Danke. :-)
AntwortenLöschen