Mittwoch, 23. Mai 2012

Kurzfilm=Anti Cinema

Warum ist es eigentlich so üblich für uns junge, Möchtemal-Filmemacher Kurzfilme zu drehen? Schließlich würden ja die wenigstens bei entsprechender Nachfrage antworten: "Ich möchte mal Kurzfilmregisseur werden."; Sicherlich, Kurzfilme werden als eine Art Sprungbrett verstanden, sie geben eine erste Chance das Talent der zuständigen Personen zu erkennen (in einfach konsumierbarer Zeit) und aufgrund ihrer oftmals einfacheren Produktionsbedingungen (weniger Drehtage, weniger finanzieller Aufwand etc) geben sie auch die Chance für die zuständigen Personen ihre eigenen Talente zu entdecken.

Koza-Kurzfilm von Nuri Bilge Ceylan




Professoren auf Filmschulen und auch viele bereits etablierte Filmschaffende betonen zudem immer wieder den Fakt, dass es deutliche einfacher ist sagen wir 5 Minuten Film in einer gewissen Qualität auf die Leinwand zu bringen, als 90 Minuten; dieses wäre erst mit wachsender Erfahrung möglich; bei Kurzfilmen sei es einfacher jeder Einstellung den gewünschten Grad an Perfektion zu geben. Man würde beim Machen von Kurzfilmen durch eine Art "Schule" gehen. Das System ist weit verbeitet und anerkannt und ich frage mich, wie viele talentierte Filmemacher, die in der Lage wären herausragende Langfilme zu machen daran schon früh scheitern.

Les Mistons-Kurzfilm von Francois Truffaut


Was mir dabei immer wieder auffällt: Kurzfilme haben doch eine andere Art der Dramaturgie. Was ist, wenn man als Filmemacher einfach kein Gefühl für diese Art der Dramaturgie hat? Gerade erfolgreiche Kurzfilme leben oft von einer Art pointierten Dramaturgie, die eben auf irgendeine Form von Final Twist oder Schlussgag hinauslaufen, ähnlich einem Sketch. Mehr noch werden auf vielen Nachwuchsfestivals narrative Kurzfilme, Experimentalfilme, Animationsfilme und sogar Musikvideos in einen Topf geworfen. Die Rezeptionssituation ist gelinde gesagt eine Frechheit, weil der Kurzfilm in der öffentlichen Wahrnehmung eben nicht einzeln oder in logischen Gruppen konsumiert wird, sondern von gelangweilten Programmdirektoren im Bezug auf ihre Länge hintereinander gesetzt wird. (Es gibt natürlich Ausnahmen.) Im Buch "Godard on Godard" habe ich einige Abschnitt gefunden, in denen der französische Filmdenker sich mit dem Thema auseinandersetzt und man bemerkt, dass der Unterschied vom Ende der 60er Jahre bis heute eigentlich kaum einer ist:

"Once again the Short Film Festival has played its usual dirty trick on live filmmaking by awarding the prize to an animated film."

"For truth obliges me to say that none of us (Cahier du Cinema) believes in the short film as such."

Warum wird im Kino kein ästhetischer Unterschied genommen zwischen Kurzfilm und Langfilm? Natürlich gibt es inzwischen Theorien, die sich mit Kurzfilmen beschäftigen (wenige) und es gibt auch Filmemacher, die ausschließlich im Bereich des Kurzfilmes tätig sind, aber jeder, der schon mal an einem Drehbuch für einen Kurzfilm gesessen hat und an einem Drehbuch für einen Langfilm kann nachvollziehen, dass das zwei völlig unterschiedliche, unvergleichbare Welten sind.

Godard bezeichnet Kurzfilme als Anti Cinema. "Short Film does not have time to think."

"Through this very impurity it enables (...) many directors to prove their talent."

The Lamp-Kurzfilm von Roman Polanski







Hier soll nicht der Kurzfilm schlechtgeredet werden; aber (wie auch Godard bemerkt) in der Literatur gibt es ja auch zwei völlig unterschiedliche Kategorien für Kurzgeschichte und Roman. Es würde niemand auf die Idee kommen das Potenzial eines Kurzgeschichtenautors zu untersuchen und daraus Rückschlüsse auf seine Fähigkeit Romane zu schreiben, ziehen.



Kurzfilme können wunderschön sein, berühren, aufrütteln,...sie können alles, was ein langer Film auch kann: Aber sie erreichen es ganz anders. Ich sage nicht, dass es nicht wertvoll ist Kurzfilme zu drehen, um als zukünftiger Regisseur weiterzukommen, ich sage nur, dass ein Kurzfilm kein Bewertungskriterium für die Qualität eines Regisseurs oder Drehbuchautors sein kann. Trotzdem verlangen alle Filmschulen Kurzfilme bei der Bewerbung, alle ersten Projekte auf Filmschulen sind Kurzfilme. Dabei gewinnt aber doch die Form über die Vision; wer seinen Film gerne Atmen lassen möchte, wird ihn ersticken müssen. Und zwar selbst, wenn keine Fernsehsender dafür zaheln, dass man eine bestimmte Länge einhält. So wird man schon früh erzogen.




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