Montag, 21. April 2014

Notizen zu einem anderen Film



Jean-Luc Godard hatte mal in seinem gewohnten Gestus verkündet: Das Kino geht von Griffith bis Kiarostami. Das bedeutet auch, dass das Kino mit Abbas Kiarostami endet. Kann er so viel Schuld auf sich nehmen? Kiarostami schreibt:
 
Der Laut des Donners
Lässt das Hundebellen
Über dem Dorf
Unvollendet

 Godard for a smoke


François Truffaut, der schreibende Truffaut hat sich bei Godard, dem schreibenden/filmemachenden Kinodenker beschwert. Er hat ihm mit Hilfe des Tagebuchs eines Landpfarrers mitgeteilt: “If I was in your place and I’d broken the oaths of my ordination, I would prefer that it had been for the love of a woman rather than what you call your intellectual evolution.” Intellekt und Kino…ist das wichtig, gehört das zusammen? Kiarostami, der vom Ende des Kinos, will dem Zuseher alle Macht geben, sodass aus einem Film plötzlich hunderte werden. Unabhängig-versteht sich- vom Intellekt des Zusehers. Könnte auch Schwachsinn sein anders zu denken. In Abgrenzung an die mainstreamigen Farsi-Filme einer gewissen Zeit, liefen seine Filme unter der Bezeichnung Cinema-ye Motafaret, also das andere Kino. Ein anderes Kino als Ende des Kinos? 

Truffaut for a smoke, too

Truffaut will lieber Liebe und Frauen als Intellekt. Einmal hat Andrei Tarkowski seinen Zeitgenossen Michelangelo Antonioni kritisiert, dessen Ende er mit „Il deserto rosso“ kommen sah und er hat gesagt, dass sich jener Antonioni von Monica Vittis roten Haaren und dem Nebel irreleiten hat lassen. Ein anderes Kino kann sich das nicht erlauben? Ich denke an die ganzen Frauen, die bei Tarkowski verlangend in die Kamera schauen (trembling).

Jean Eustache könnte der Gedanke von Kiarostami, das aus einem Film hunderte werden, sicher gefallen. Über sein Meisterwerk „La maman et la putain“ sagte er: „The film begins in first person in order to end in several first persons.“ Man träumt immer von einem anderen Film. Der Film, den man selbst macht, wird immer anders sein. Das Neue, das Außergewöhnliche existiert immer und es existiert nie im Kino. Wenn die Post-Zeit des Kinos nun oder auch vor etlichen Jahren begonnen haben sollte, dann ist es schon vorbei. Dann ist es wie im Theater. Dann gibt es jenes Post-Filmwesen, das die Masse stört und jene Klassikerendlosschleife, die keine Reibung mehr bietet, egal was sie versucht. Dann dreht man nicht mehr Filme, sondern sich im Kreis. Heute ist ein anderes Kino auch nichts anderes, weil alles anders ist.

Nicht irregeleitet

Irregeleitet?

Was will man also selbst machen? Ein angepasstes Kino, im Konformismus eines Markts? Ein nostalgisches Kino im Gedanken und Gedenken, an alles, was ja mal so viel besser war? Ein politisches Kino, das klassisch oder anders mit dem Jetzt umgeht? Ein rebellisches Kino, das Regeln bricht und sich versucht neu zu entdecken? Kiarostami schreibt:

Der Wind
Öffnet
Die alte Tür
Und schließt sie
Laut
Zehnmal

Vielleicht ist es wichtig erst mal Kino zu entdecken, zu machen, Kino in einem selbst zu entdecken. Völlig unabhängig, ob man dabei Filme dreht, Filme schreibt, über Filme schreibt, nachdenkt, träumt, schaut oder zeigt. Irgendwo in einem selbst kann es dann ein Kino geben. Wenn man das gefunden hat, spielt es eigentlich keine Rolle mehr, ob es das Kino in der äußeren Welt noch gibt. Aber (André Bazin möge mir verzeihen) Kino ist auch eine Industrie. 

Das Ende des Kinos

Ein Konflikt. Keine Antwort. Muss Kino mit der Zeit gehen oder geht die Zeit durch das Kino? Roberto Rossellini hat gesagt, als der Neorealismus aus den Bildern verschwand: „Man kann nicht ewig in zerbombten Städten drehen. Wir erliegen zu oft dem Irrtum, uns von einem bestimmten Milieu hypnotisieren zu lassen, der Atmosphäre eines Augenblicks.“ Ein spannender Satz, wenn man bedenkt, dass die Atmosphäre eines Augenblicks heute, nicht durch Godard, sondern durch die Gesellschaft, durch technische Entwicklungen beschlossen hat, eine des Endes, des Bedauerns oder des Ignorierens zu sein. Alles was man machen kann ist gut oder schlecht, man kann alles machen oder nichts, absurd. Kino ist frei, das Kino, wie Rancière schreibt, am Ende der Kunst. Intellekt und Frauen, egal. Er beschreibt die Kinobilder als jenseits der Zeit.  

Spannend das jener Rancière auch, wie es sich gehört, über Kiarostami schreibt, schön und hochgestochen. Er nennt sein Kino ein Kino der Zeugenschaft, indem durch die Offenlegung von Manipulation diese verdeckt wird. Er hat Recht. Kiarostami stellt auch originale Kopien her. Und wo passieren dann noch die interessanten Kinodinge? Es gibt da eine Tendenz, die alles gesehen hat, die nicht auf sich aufbaut, nicht aus sich selbst erwächst, sondern die sich immer wieder selbst als neu und außergewöhnlich rechtfertigt und damit schon vergisst, dass ein anderes Kino immer nur eine politisch-industrielle Formulierung sein kann, ein romantischer Zug, eine künstlerische Attitüde ohne jedes Gehalt. Wer sagt sein Kino ist anders läuft Gefahr unglaubwürdig zu sein, denn wer kann alles gesehen haben? Kino hat gefälligst immer anders zu sein. (Oh, du bist doch selbst ein Romantiker, naiver Idealist)

Copie conforme

Wenn wir vom Kino sprechen, haben wir, und das ist ja irgendwie passend, einen ambivalenten Begriff. Jeder hat eine andere Vorstellung davon und jeder hat auf die eine oder andere Art auch Recht. Das beschreibt nur die Subjektivität des Kinos, die Unmöglichkeit es wirklich einzufangen. Das Kino ist in uns. Ich werde andere Filme machen, anders über Filme schreiben und denken, ich schaue sie anders an.   

Truffaut weiter: “But you, you're like Ursula Andress. You make a four-minute appearance, just enough time for the cameras to flash, for you to make two or three startling pronouncements, then you disappear, shrouded in appealing mystery."

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