Jean-Luc
Godard hatte mal in seinem gewohnten Gestus verkündet: Das Kino geht von
Griffith bis Kiarostami. Das bedeutet auch, dass das Kino mit Abbas Kiarostami
endet. Kann er so viel Schuld auf sich nehmen? Kiarostami schreibt:
Der Laut des
Donners
Lässt das
Hundebellen
Über dem
Dorf
Unvollendet
Godard for a smoke |
François
Truffaut, der schreibende Truffaut hat sich bei Godard, dem schreibenden/filmemachenden
Kinodenker beschwert. Er hat ihm mit Hilfe des Tagebuchs
eines Landpfarrers mitgeteilt: “If I was in your place and I’d broken the oaths
of my ordination, I would prefer that it had been for the love of a woman
rather than what you call your intellectual evolution.” Intellekt und Kino…ist das wichtig,
gehört das zusammen? Kiarostami, der vom Ende des Kinos, will dem Zuseher alle
Macht geben, sodass aus einem Film plötzlich hunderte werden.
Unabhängig-versteht sich- vom Intellekt des Zusehers. Könnte auch Schwachsinn
sein anders zu denken. In Abgrenzung an die mainstreamigen Farsi-Filme einer
gewissen Zeit, liefen seine Filme unter der Bezeichnung Cinema-ye Motafaret,
also das andere Kino. Ein anderes Kino als Ende des Kinos?
Truffaut for a smoke, too |
Truffaut
will lieber Liebe und Frauen als Intellekt. Einmal hat Andrei Tarkowski seinen
Zeitgenossen Michelangelo Antonioni kritisiert, dessen Ende er mit „Il deserto
rosso“ kommen sah und er hat gesagt, dass sich jener Antonioni von Monica
Vittis roten Haaren und dem Nebel irreleiten hat lassen. Ein anderes Kino kann
sich das nicht erlauben? Ich denke an die ganzen Frauen, die bei Tarkowski
verlangend in die Kamera schauen (trembling).
Jean
Eustache könnte der Gedanke von Kiarostami, das aus einem Film hunderte werden,
sicher gefallen. Über sein Meisterwerk „La maman et la putain“ sagte er: „The
film begins in first person in order to end in several first persons.“ Man
träumt immer von einem anderen Film. Der Film, den man selbst macht, wird immer
anders sein. Das Neue, das Außergewöhnliche existiert immer und es existiert
nie im Kino. Wenn die Post-Zeit des Kinos nun oder auch vor etlichen Jahren
begonnen haben sollte, dann ist es schon vorbei. Dann ist es wie im Theater.
Dann gibt es jenes Post-Filmwesen, das die Masse stört und jene
Klassikerendlosschleife, die keine Reibung mehr bietet, egal was sie versucht.
Dann dreht man nicht mehr Filme, sondern sich im Kreis. Heute ist ein anderes
Kino auch nichts anderes, weil alles anders ist.
Nicht irregeleitet |
Irregeleitet? |
Was will man
also selbst machen? Ein angepasstes Kino, im Konformismus eines Markts? Ein
nostalgisches Kino im Gedanken und Gedenken, an alles, was ja mal so viel
besser war? Ein politisches Kino, das klassisch oder anders mit dem Jetzt
umgeht? Ein rebellisches Kino, das Regeln bricht und sich versucht neu zu
entdecken? Kiarostami schreibt:
Der Wind
Öffnet
Die alte Tür
Und schließt
sie
Laut
Zehnmal
Vielleicht
ist es wichtig erst mal Kino zu entdecken, zu machen, Kino in einem selbst zu
entdecken. Völlig unabhängig, ob man dabei Filme dreht, Filme schreibt, über
Filme schreibt, nachdenkt, träumt, schaut oder zeigt. Irgendwo in einem selbst
kann es dann ein Kino geben. Wenn man das gefunden hat, spielt es eigentlich
keine Rolle mehr, ob es das Kino in der äußeren Welt noch gibt. Aber (André
Bazin möge mir verzeihen) Kino ist auch eine Industrie.
Das Ende des Kinos |
Ein
Konflikt. Keine Antwort. Muss Kino mit der Zeit gehen oder geht die Zeit durch
das Kino? Roberto Rossellini hat gesagt, als der Neorealismus aus den Bildern
verschwand: „Man kann nicht ewig in zerbombten Städten drehen. Wir erliegen zu
oft dem Irrtum, uns von einem bestimmten Milieu hypnotisieren zu lassen, der
Atmosphäre eines Augenblicks.“ Ein spannender Satz, wenn man bedenkt, dass die Atmosphäre
eines Augenblicks heute, nicht durch Godard, sondern durch die Gesellschaft,
durch technische Entwicklungen beschlossen hat, eine des Endes, des Bedauerns
oder des Ignorierens zu sein. Alles was man machen kann ist gut oder schlecht,
man kann alles machen oder nichts, absurd. Kino ist frei, das Kino, wie
Rancière schreibt, am Ende der Kunst. Intellekt und Frauen, egal. Er beschreibt
die Kinobilder als jenseits der Zeit.
Spannend das
jener Rancière auch, wie es sich gehört, über Kiarostami schreibt, schön und
hochgestochen. Er nennt sein Kino ein Kino der Zeugenschaft, indem durch die
Offenlegung von Manipulation diese verdeckt wird. Er hat Recht. Kiarostami
stellt auch originale Kopien her. Und wo passieren dann noch die interessanten
Kinodinge? Es gibt da eine Tendenz, die alles gesehen hat, die nicht auf sich
aufbaut, nicht aus sich selbst erwächst, sondern die sich immer wieder selbst
als neu und außergewöhnlich rechtfertigt und damit schon vergisst, dass ein
anderes Kino immer nur eine politisch-industrielle Formulierung sein kann, ein
romantischer Zug, eine künstlerische Attitüde ohne jedes Gehalt. Wer sagt sein
Kino ist anders läuft Gefahr unglaubwürdig zu sein, denn wer kann alles gesehen
haben? Kino hat gefälligst immer anders zu sein. (Oh, du bist doch selbst ein
Romantiker, naiver Idealist)
Copie conforme |
Wenn wir vom
Kino sprechen, haben wir, und das ist ja irgendwie passend, einen ambivalenten
Begriff. Jeder hat eine andere Vorstellung davon und jeder hat auf die eine
oder andere Art auch Recht. Das beschreibt nur die Subjektivität des Kinos, die
Unmöglichkeit es wirklich einzufangen. Das Kino ist in uns. Ich werde andere
Filme machen, anders über Filme schreiben und denken, ich schaue sie anders an.
Truffaut
weiter: “But you, you're like Ursula Andress. You make a four-minute
appearance, just enough time for the cameras to flash, for you to make
two or three startling pronouncements, then you disappear, shrouded in
appealing mystery."
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