Wer sich an
den merkwürdigen Abschnitt in “Mars Attacks!” von Tim Burton erinnert, indem
ein als blonde Sexbombe verkleideter Alien sich in die Welt der Menschen
schleicht, der wird sich dramaturgisch sehr schnell zurechtfinden in einer
weiteren psychedelischen Strangeness von Jonathan Glazer, der bereits mit „Sexy
Beats“ und „Birth“ zwei eigenwillige Filme machte.
In „Under
the Skin“ treffen sich rund um einen Casting-Coup, der Scarlett Johansson nicht
nur zurück zu alter Größe führt, sondern sie in einer reflexiven Geste fast neu
erfindet, eine durchstilisierte Komposition aus Bildern und Tönen mit einem
sozialen Realismus, der sich in den gezeichneten Gesichtern der schottischen
Arbeiter und den dreckigen Aufnahmen mit versteckter Kamera im Film
wiederspiegelt. Der Ästhetizismus des Musikvideo-Regisseurs erinnert in seiner
Klarheit an Anton Corbijn, der in seinem „The American“ ebenfalls eine
Bildtiefe im europäischen Hinterland (dort war es Süditalien, hier ist es
Schottland) entdeckte, die man so nicht kannte. Ceylans Anatolien hallt auch durch die vielen nächtlichen Fahrten über einsame bergige Landstraßen.
Glazer
erzählt von Körperlichkeit, vom Anderssein, von Deformationen. Er braucht dafür nur wenige Worte, weil diese
spürbare Entfremdung keine Worte benötigt. Das spannende dabei ist, dass der
Film praktisch durchgehend aus der erzählten, aber viel wichtiger erlebten
Sicht eines Aliens betrachtet wird. Garniert mit einem Horror der unangenehmen
Szenen und offensichtlich SciFi entsteht so ein existentielles Drama, indem das
Menschsein hinterfragt wird. Alles wirkt immer ein wenig fake in dieser Welt,
in der der Alien mit einem großen Sprinter nachts Männer aufreißt, um sie in
elegant choreographierten Sequenzen dem schwarzen Nichts auszuliefern, bis sie
im wahrsten Sinne des Wortes platzen.
Dabei scheut
Glazer kein bisschen davor zurück, bewusst das Darstellbare auszureizen. Von
einem sexuellen Flirt mit einem entstellten Mann bis zu einem schreienden Baby,
das alleine am Strand zurückgelassen wird. Der neugierige Pragmatismus des
Aliens, den Johansson niemals stereotyp wirken lässt, leitet die Moral des
Films. Das Menschliche, das die Figur nach und nach erlebt findet Anklänge im
menschlichen Kreislauf, von der Geburt, über die Entjungferung oder im
Spiegelstadium. (schöne Reihenfolge)
„Under the
Skin“ findet in den geometrischen Grenzen der Leinwand statt. Glazer hat sich
genau Gedanken über Dunkelheit/Licht oder Formen gemacht. Schon in seiner
ersten Einstellung kommt ganz langsam ein weißes Licht, das zunächst nur ein
Punkt ist, auf uns zu. Immer wieder kreuzen Figuren horizontal oder vertikal
das Bild. Der Bildkader verstärkt die Fremdheit, statt sie nur einzugrenzen.
Erst mit langsamen Schwenks oder spontanen Blicken beginnt man, die fließenden
Grenzen zu sehen. Unterstützt wird das Ganze von einem eigenwilligen,
tranceartigen Elektrosound von Micachu.
„Under the
Skin“ versteht Film als Performance. Damit sind nicht nur die Choreographien
von Bild und Schauspiel gemeint, sondern auch die Methode mit einer versteckten
Kamera zu drehen, die den Alien bei seiner Begegnung mit der Außenwelt
begleiteten. So verfließen auch hier die Grenzen zwischen Inszenierung und
Realität, insbesondere, da das einzige bekannte Gesicht im Film das Fremdeste
ist. Dieser Film passiert im Moment des Geschehens, er kommt aus der Dunkelheit
ans Licht.
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