Samstag, 19. April 2014

Noah von Darren Aronofsky


Text: Luca Fuchs

Vielleicht ist es nur angemessen, dass ich diese Kritik an einem geschmacklos dekorierten Tisch eines McCafés schreibe, während ich Menschen um W-LAN-Codes anbettele und an meinem kleinen 2,30Euro-Kaffee nippe.


Doch zum eigentlichen Thema: Darren Aronorfsky’s neuem Film „Noah“.
Eine 125 Millionen Dollar-Produktion, die im Vorfeld sowohl zu begeistern, als auch zu empören wusste. Arabische Staaten verbaten die Aufführung des Bibelepos, da eine bildliche Darstellung des im Koran genannten Noah nicht mit dem Islam zu vereinbaren sei - auch von christlicher Seite gab es Bedenken gegenüber Aronofskys Film. Der Film würde von der Bibel abweichen und dadurch ein falsches Bild von Noah zeichnen. Ein Vorwurf, der in den christlichen Kreisen Amerikas durchaus in der Lage ist, einen Eklat zu entfachen. Letztlich gingen die religiös aufgeladenen Konflikte soweit, dass der Regisseur im Streit mit den Studios um den finalen Schnitt und seine Entscheidungsgewalt über diesen zu ringen hatte. Schließlich konnte Aronofsky die Hoheitsrechte als Regisseur über den finalen Schnitt jedoch wahren.

Wer den Trailer zu „Noah“ kennt, weiß mit welchem bisher von Aronofsky noch nicht gekannten Maß an Epik dieser Film aufwartet. Orchestrale Musik, extrem aufwendige Kamerafahrten und - Flüge; eine beachtliche VFX-Orgie, die Scharen von Tieren, Menschen, Wundern, Katastrophen, Wäldern und anderen der Bibel immanenten Ereignisse auf die Leinwand bringt. Den Anfang des Films bildet eine grafische Illustration, die an „Lord Of The Rings“, „The Hobbit“ und all das was die von Peter Jackson dominierte Fantasywelt der letzten Jahre hervorbrachte, erinnert. Daran knüpft die Darstellung der biblischen Menschheitsgeschichte im Schnelldurchlauf an. In wenigen Minuten springt Aronofsky von der Erbsünde vorbei an weiteren Station der christlichen Menschheitsgeschichte und landet schließlich bei einem Ereignis der (relativ betrachtet) jüngsten Vergangenheit, dem Vietnamkrieg. Dabei bedient er sich den Zeitrafferaufnahmen, die man von ihm ja bereits aus früheren Filmen wie „Requiem For A Dream“ kennt, nur eben nicht in dieser Größenordnung. Die Ästhetik der Bilder von „Noah“ ist irgendwo zwischen naturgewaltigen Desktophintergrund-Presets und Fantasy-Interface angesiedelt. Das lässt den Schluss offen, dass der Film seine biblischen Bezüge mehr in einem spätkapitalistischen Sinne verarbeitet als in einer authentischen Glaubensbekundung. Diese Hypothese wird zudem durch die Divergenz von Form und moralischem Gehalt unterstrichen. Schon zu Beginn des Films hält der Noah portraitierenden Russel Crowe seinem Sohn eine Predigt über einen idealen, besinnlichen Umgang mit der Natur. „Wir nehmen nur das, was wir brauchen.“ Der Extremismus dieser Absage an Moderne und Abstraktion liegt im Kontext der Äußerung: Noah und sein Sohn befinden sich auf einem Hügel, das Kind pflückt eine Blume - Anschließend wird das Kind für seine Tat mit den eben genannten Worten von Noah gerügt.

Angesichts der hohen Budgetierung seines Rückbesinnungs-Plädoyer schreit einen die Scheinheiligkeit dieses Filmemachers förmlich an. Doch wo man anderen Filmemachern angesichts so gearteter Produktionsbedingungen einen Bruch in der Glaubwürdigkeit ihres Werks vorwerfen könnte, liegt Aronofsky’s Chance auf Legitimation. Legitimation verstehe ich in diesem Kontext durchaus in einem gesellschaftspolitischen Sinne. Den eigentlichen Skandal des Films bildet nämlich keinen der im Vorfeld geäußerten, religiös konnotierten Kritikpunkte: Er liegt in seinen Figuren, der Art von Bildsprache und letztlich dem Inhalt selbst. „Noah“ wird von Aronofsky als soziopathischer Ökofaschist portraitiert, der wunderbar modernen Gotteskriegern nachempfunden sein könnte und mit den Gesichtszügen eines unberechenbaren Russel Crowes irgendwo im Cockpit einer Boeing 747bsitzen könnte, die geradewegs in einen Bankentower hineinsteuert. Seine Bedingungslosigkeit stellt er über seine Familie, über die Hemmschwelle vor Kindesmord und in letzter Konsequenz über die gesamte Menschheit. Ja, Aronofsky zeigt im Laufe seines Films die Konflikte seines Protagonisten auf, jedoch dienen diese Darstellungen am Ende doch nur der Annäherung an eine Figur, die in einer derartigen Zeichnung so heute kein Annäherungspotenzial mehr bieten kann. 

Oh, doch, in postmodernen Gesellschaften liegt die Rückbesinnung auf Natur und Sippe vielleicht doch so manch einem am Herzen. Jedenfalls tanzt der Film hier eine ganze Weile lang auf zwei Hochzeiten: Noah hat sich zu entscheiden, gegen das Leben der restlichen Menschheit, für seine moralische Souveränität - das ist schwer, sogar für einen Gladiator. Doch angesichts der Visualisierung des „Bösen“ durch Aronofsky ist das vielleicht gar nicht so schwer. Es ist schwarz, es überzieht und frisst den Planeten, kurz: Es erinnert mich an nationalsozialistische Propaganda. Wir alle kennen sie, die jüdische Krake: Die Tenktakeln gestreckt nach den Ersparnissen des Volkes. Es mag meiner antideutschen Sozialisierung geschuldet sein, dennoch empfinde ich derartige Bilder als widerwärtig. Trotz alledem weiß Aronofsky, wie viel Willensstärke es beansprucht seine Souveränität zu bewahren. Das zeigt er uns in den Szenen, in denen er seinen Protagonisten vor die Wahl stellt: Werden zivil anmutende Frauen einen Platz auf der Arche finden? Ein paar Blicke des Protagonisten, die der eisernen Fassade jedoch keinen Schaden tun und schon haben wir die Antwort: Nein.

Mein bereits angeführter Verweis auf die fehlende Glaubwürdigkeit ist bezüglich derartiger Szenen wirklich der Hoffnungsschweif am Horizont, der mich davor bewahrt, Darren Aronofsky als seinesgleichen suchenden Menschenfeinden aufzugeben. Er besänftigt mich durch die Gewissheit, dass ich es hier mit einem Marktprodukt zu tun habe, nicht mit einem für Weltsicht stehenden Machwerk. Es ist jedoch auch dieser Hoffnungsschweif, der ihm seinen oftmals proklamierten Ruf als „größten Querdenker Hollywoods“ abspricht. Nein, Aronofsky ist kein Querdenker. Vielleicht war er das mal. 


Ich bin mir darüber bewusst, dass dieser von mir gesehene Bruch im Gesamtwerk Aronofsky Beweise nach sich ziehen muss. Hat sich Aronofsky denn früher für seine Figuren interessiert oder war seinen Filmen schon immer ein Schielen auf aus Desinteresse und CGI geschmiedeten Tron immanent. Ja und Nein. Aronofsky war immer ein Regisseur, der seine Menschen stereotypisch zeichnete. Da wäre Maximilian Cohen, der wahnsinnige Mathematiker in „Pi“: Eine Figur, die dem klischeehaften Bild des verrückten Professors, dessen Haare zerzaust und sein Verstand von Neurosen durchweicht ist ideal entspricht. Da wäre jedoch auch Aronofskys Enthusiasmus für die Verbindung von Drum n’ Base - Musik, Schwarz-Weiß-Ästhetik und Handkamera. Ein durchaus revolutionäres Unterfangen, wenn es auch in ästhetischen Kategorien verbleibt - doch obgleich Aronofsky sich nicht für Mathematik interessiert, als Filmemacher hat er alles Recht der Welt einen Film über Mathematiker zu drehen weil ihn Schachbretter und Augenringe faszinieren.

Zwei weitere Filme die meine These belegen sind „Requiem for a Dream“ und „The Wrestler: Während in „Requiem For A Dream“ charakterliche Authenzität Aronofskys Wille zur Hip-Hop-Montage und zur orchestralen Beschallung der Randmilieus weichen müssen, interessiert ihn an Robin Raminzki letztlich doch nur sein, Mickey Rourkes, Körper. Er liebt es diesen Körper mit der Steadycam zu malträtieren, ihm eine Inszenierung zu schenken die dem Narbengesicht eines Mickey Rourkes gerecht wird. An der Ballerina, die durch die ehrgeizgetränkte Welt des Balletts zugrunde geht, sei an dem Punkt an dem wir über Klischees und Stereotype reden, keine Ausführung verloren.
Doch wenn die Figuren bisher für Aronofsky sowieso nur in ästhetischen Kategorien eine Rolle gespielt haben - warum kann ich „Noah“ nicht einfach in solch einer Kategorie sehen und genießen?
Weil es diese Kategorie in diesem Film so nicht gibt. 


Ein POV aus Sicht eines Regentropfens, die ein oder andere Steadycam hinter Russel Crowe, Kontraste in Landschaftsaufnahmen. Das war es auch schon. Aronofsky scheint sein Interesse an den Bildern verloren zu haben. Damit provoziert er einen weiteren Skandal, einen filmischen.
Vielleicht benötigt es gar nicht viel, damit ich Arronofsky verzeihen kann.Einen abgehalfterten Cop, der dann aber seine dramaturgische Einfalt durch einen aufgedunsenen Körper, ein aufgequollenes Gesicht und vieler schönen Spiegelblicksituationen bedarf.  Oder einem Geschäftsmann, der sein Glück in den einfachen Dingen findet. Dieser könnte dann vielleicht beginnen die Natur per POV durch neue, begeisterte Augen zu sehen und mit einem weggeworfenen Anzug am Rande eines Bergsees, die Schärfentiefe zu strapazieren und eine Welt zwischen Natur und Mensch öffnen.

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