Text: Luca Fuchs
Vielleicht
ist es nur angemessen, dass ich diese Kritik an einem geschmacklos dekorierten
Tisch eines McCafés schreibe, während ich Menschen um W-LAN-Codes anbettele und
an meinem kleinen 2,30Euro-Kaffee nippe.
Doch zum
eigentlichen Thema: Darren Aronorfsky’s neuem Film „Noah“.
Eine 125
Millionen Dollar-Produktion, die im Vorfeld sowohl zu begeistern, als auch zu
empören wusste. Arabische Staaten verbaten die Aufführung des Bibelepos, da
eine bildliche Darstellung des im Koran genannten Noah nicht mit dem Islam zu
vereinbaren sei - auch von christlicher Seite gab es Bedenken gegenüber
Aronofskys Film. Der Film würde von der Bibel abweichen und dadurch ein
falsches Bild von Noah zeichnen. Ein Vorwurf, der in den christlichen Kreisen
Amerikas durchaus in der Lage ist, einen Eklat zu entfachen. Letztlich gingen
die religiös aufgeladenen Konflikte soweit, dass der Regisseur im Streit mit
den Studios um den finalen Schnitt und seine Entscheidungsgewalt über diesen zu
ringen hatte. Schließlich konnte Aronofsky die Hoheitsrechte als Regisseur über
den finalen Schnitt jedoch wahren.
Wer den
Trailer zu „Noah“ kennt, weiß mit welchem bisher von Aronofsky noch nicht
gekannten Maß an Epik dieser Film aufwartet. Orchestrale Musik, extrem
aufwendige Kamerafahrten und - Flüge; eine beachtliche VFX-Orgie, die Scharen
von Tieren, Menschen, Wundern, Katastrophen, Wäldern und anderen der Bibel
immanenten Ereignisse auf die Leinwand bringt. Den Anfang des Films bildet eine
grafische Illustration, die an „Lord Of The Rings“, „The Hobbit“ und all das
was die von Peter Jackson dominierte Fantasywelt der letzten Jahre
hervorbrachte, erinnert. Daran knüpft die Darstellung der biblischen
Menschheitsgeschichte im Schnelldurchlauf an. In wenigen Minuten springt
Aronofsky von der Erbsünde vorbei an weiteren Station der christlichen
Menschheitsgeschichte und landet schließlich bei einem Ereignis der (relativ
betrachtet) jüngsten Vergangenheit, dem Vietnamkrieg. Dabei bedient er sich den
Zeitrafferaufnahmen, die man von ihm ja bereits aus früheren Filmen wie
„Requiem For A Dream“ kennt, nur eben nicht in dieser Größenordnung. Die
Ästhetik der Bilder von „Noah“ ist irgendwo zwischen naturgewaltigen
Desktophintergrund-Presets und Fantasy-Interface angesiedelt. Das lässt den
Schluss offen, dass der Film seine biblischen Bezüge mehr in einem
spätkapitalistischen Sinne verarbeitet als in einer authentischen
Glaubensbekundung. Diese Hypothese wird zudem durch die Divergenz von Form und
moralischem Gehalt unterstrichen. Schon zu Beginn des Films hält der Noah
portraitierenden Russel Crowe seinem Sohn eine Predigt über einen idealen,
besinnlichen Umgang mit der Natur. „Wir nehmen nur das, was wir brauchen.“ Der
Extremismus dieser Absage an Moderne und Abstraktion liegt im Kontext der
Äußerung: Noah und sein Sohn befinden sich auf einem Hügel, das Kind pflückt
eine Blume - Anschließend wird das Kind für seine Tat mit den eben genannten
Worten von Noah gerügt.
Angesichts
der hohen Budgetierung seines Rückbesinnungs-Plädoyer schreit einen die
Scheinheiligkeit dieses Filmemachers förmlich an. Doch wo man
anderen Filmemachern angesichts so gearteter Produktionsbedingungen einen Bruch
in der Glaubwürdigkeit ihres Werks vorwerfen könnte, liegt Aronofsky’s Chance
auf Legitimation. Legitimation verstehe ich in diesem Kontext durchaus in einem
gesellschaftspolitischen Sinne. Den eigentlichen Skandal des Films bildet
nämlich keinen der im Vorfeld geäußerten, religiös konnotierten Kritikpunkte:
Er liegt in seinen Figuren, der Art von Bildsprache und letztlich dem Inhalt
selbst. „Noah“ wird von Aronofsky als soziopathischer Ökofaschist portraitiert,
der wunderbar modernen Gotteskriegern nachempfunden sein könnte und mit den
Gesichtszügen eines unberechenbaren Russel Crowes irgendwo im Cockpit einer
Boeing 747bsitzen könnte, die geradewegs in einen Bankentower hineinsteuert.
Seine Bedingungslosigkeit stellt er über seine Familie, über die Hemmschwelle
vor Kindesmord und in letzter Konsequenz über die gesamte Menschheit. Ja, Aronofsky
zeigt im Laufe seines Films die Konflikte seines Protagonisten auf, jedoch
dienen diese Darstellungen am Ende doch nur der Annäherung an eine Figur, die
in einer derartigen Zeichnung so heute kein Annäherungspotenzial mehr bieten
kann.
Oh, doch, in postmodernen Gesellschaften liegt die Rückbesinnung auf
Natur und Sippe vielleicht doch so manch einem am Herzen. Jedenfalls tanzt der
Film hier eine ganze Weile lang auf zwei Hochzeiten: Noah hat sich zu
entscheiden, gegen das Leben der restlichen Menschheit, für seine moralische
Souveränität - das ist schwer, sogar für einen Gladiator. Doch angesichts der
Visualisierung des „Bösen“ durch Aronofsky ist das vielleicht gar nicht so
schwer. Es ist schwarz, es überzieht und frisst den Planeten, kurz: Es erinnert
mich an nationalsozialistische Propaganda. Wir alle kennen sie, die jüdische
Krake: Die Tenktakeln gestreckt nach den Ersparnissen des Volkes. Es mag meiner
antideutschen Sozialisierung geschuldet sein, dennoch empfinde ich derartige
Bilder als widerwärtig. Trotz alledem weiß Aronofsky, wie viel Willensstärke es
beansprucht seine Souveränität zu bewahren. Das zeigt er uns in den Szenen, in
denen er seinen Protagonisten vor die Wahl stellt: Werden zivil anmutende
Frauen einen Platz auf der Arche finden? Ein paar Blicke des Protagonisten, die
der eisernen Fassade jedoch keinen Schaden tun und schon haben wir die Antwort:
Nein.
Mein bereits angeführter Verweis auf die fehlende Glaubwürdigkeit ist bezüglich derartiger Szenen wirklich der Hoffnungsschweif am Horizont, der mich davor bewahrt, Darren Aronofsky als seinesgleichen suchenden Menschenfeinden aufzugeben. Er besänftigt mich durch die Gewissheit, dass ich es hier mit einem Marktprodukt zu tun habe, nicht mit einem für Weltsicht stehenden Machwerk. Es ist jedoch auch dieser Hoffnungsschweif, der ihm seinen oftmals proklamierten Ruf als „größten Querdenker Hollywoods“ abspricht. Nein, Aronofsky ist kein Querdenker. Vielleicht war er das mal.
Ich bin mir
darüber bewusst, dass dieser von mir gesehene Bruch im Gesamtwerk Aronofsky
Beweise nach sich ziehen muss. Hat sich Aronofsky denn früher für seine Figuren
interessiert oder war seinen Filmen schon immer ein Schielen auf aus
Desinteresse und CGI geschmiedeten Tron immanent. Ja und Nein. Aronofsky war immer
ein Regisseur, der seine Menschen stereotypisch zeichnete. Da wäre Maximilian
Cohen, der wahnsinnige Mathematiker in „Pi“: Eine Figur, die dem klischeehaften
Bild des verrückten Professors, dessen Haare zerzaust und sein Verstand von
Neurosen durchweicht ist ideal entspricht. Da wäre jedoch auch Aronofskys
Enthusiasmus für die Verbindung von Drum n’ Base - Musik, Schwarz-Weiß-Ästhetik
und Handkamera. Ein durchaus revolutionäres Unterfangen, wenn es auch in
ästhetischen Kategorien verbleibt - doch obgleich Aronofsky sich nicht für
Mathematik interessiert, als Filmemacher hat er alles Recht der Welt einen Film
über Mathematiker zu drehen weil ihn Schachbretter und Augenringe faszinieren.
Zwei weitere
Filme die meine These belegen sind „Requiem for a Dream“ und „The Wrestler:
Während in „Requiem For A Dream“ charakterliche Authenzität Aronofskys Wille
zur Hip-Hop-Montage und zur orchestralen Beschallung der Randmilieus weichen
müssen, interessiert ihn an Robin Raminzki letztlich doch nur sein, Mickey
Rourkes, Körper. Er liebt es diesen Körper mit der Steadycam zu malträtieren,
ihm eine Inszenierung zu schenken die dem Narbengesicht eines Mickey Rourkes
gerecht wird. An der Ballerina, die durch die ehrgeizgetränkte Welt des
Balletts zugrunde geht, sei an dem Punkt an dem wir über Klischees und
Stereotype reden, keine Ausführung verloren.
Doch wenn
die Figuren bisher für Aronofsky sowieso nur in ästhetischen Kategorien eine
Rolle gespielt haben - warum kann ich „Noah“ nicht einfach in solch einer
Kategorie sehen und genießen?
Weil es
diese Kategorie in diesem Film so nicht gibt.
Ein POV aus
Sicht eines Regentropfens, die ein oder andere Steadycam hinter Russel Crowe,
Kontraste in Landschaftsaufnahmen. Das war es auch schon. Aronofsky scheint
sein Interesse an den Bildern verloren zu haben. Damit provoziert er einen
weiteren Skandal, einen filmischen.
Vielleicht benötigt es gar nicht viel, damit ich Arronofsky verzeihen kann.Einen abgehalfterten Cop, der dann
aber seine dramaturgische Einfalt durch einen aufgedunsenen Körper, ein aufgequollenes
Gesicht und vieler schönen Spiegelblicksituationen bedarf. Oder einem
Geschäftsmann, der sein Glück in den einfachen Dingen findet. Dieser könnte
dann vielleicht beginnen die Natur per POV durch neue, begeisterte Augen zu
sehen und mit einem weggeworfenen Anzug am Rande eines Bergsees, die Schärfentiefe zu strapazieren und eine Welt zwischen Natur und Mensch öffnen.
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