Freitag, 18. April 2014

Les rendez-vous d’Anna von Chantal Akerman



The next time that I caught my own reflection, it was on its way to meet you thinkin' of excuses to postpone
 

Die Welt in Chantal Akermans „Les rendez-vous d’Anna“ fliegt hinter Fenstern vorbei, wirkt unecht und kalt. Akermans Blick auf diese europäische Welt in den 70er Jahren ist jener ihrer Protagonistin Anna. Anna ist eine Filmemacherin, die von Stadt zu Stadt reist, um ihre Filme zu zeigen und sich in unpersönliche Umgebung selbst lange der Unpersönlichkeit hingegeben hat. Zusammen mit ihr treffen wir auf verlorene Seelen von Männern und Frauen, schnelle und einsame Beziehungen. „Les rendez-vous d’Anna“ ist ein Road-Movie, indem nicht die Bewegung der Protagonistin zählt, sondern jene um sie herum.  Der häufige Blick durch Fenster von Hotelzimmer oder Zügen spiegelt sich in den glasigen Augen von Anna, die nie wirklich am Ort zu sein scheinen, sondern eine nach innen gewandte Sehnsucht verkörpern, die mit jeder neuen Begegnung weiter abstirbt. Wenn Anna, die von der wundervollen, sinnlich-kühlen Aurore Clément verkörpert wird, lächelt, dann ist das nur ein warmer Windstoß im Schneetreiben.

Akerman erforscht in einer persönlichen Haltung Identitäten. Sie geht nicht von einer Idee aus, sondern von sich selbst. Dabei erzählt sie fast beiläufig auch von einer deutschen Identität, einer Selbstdarstellung. Der fremde Blick auf das Land ist ein verfremdeter, aber er blickt tatsächlich auf das Land. Auf die oberflächlichen Tulpendekorationen der 70er Jahre, auf die Vorstädte, die wie Außenbezirke wirken, auf den Kampf einiger Deutschen mit ihren eigenen Identitäten, mit ihrem Verständnis von Freiheit und rassistischen Überbleibseln. Dabei bewahrt sie eine Statik, die Machtlosigkeit und Passivität ausdrückt. Sowohl persönlich, als auch bezogen auf Anna und die Gesellschaft, in der sie lebt. Das Leben in „Les rendez-vous d’Anna“ geschieht einfach. Dadurch etabliert sich ein Gefühl melancholischer Klaustrophobie, ein Zerfließen der Welt in tableauartigen Gefängnissen, das an das Driften der Monica Vitti in „L’eclisse“ oder Yusuf in Ceylans „Uzak“ erinnern. Ein trauriger Film, weil er wahr ist. 


Ähnlich verhält es sich mit den zahlreichen Begegnungen und Beziehungen. Der One-Night Stand ist für Anna eine unbefriedigende Methode, Langweile zu bekämpfen. So wie alles zwischen den leeren Hotelschränken, den geschäftlichen Anrufen und den langen Reisen. Immer wieder geht Anna apathisch durch Innenräume. Sie bleibt an kleinen Objekten, kurzen Momenten hängen, aber nie entsteht ein Feuer in ihr. Wie sollte es auch? Man muss an die erste Hälfte von Sofia Coppolas „Lost in Translation“ denken. Das Leben in Hotels, die oberflächlichen Gespräche. Der Film fragt ganz bewusst danach, was Freiheit ist. Akerman blickt auf das Künstlerleben als Ohnmacht. Sie tunkt diese Ohnmacht und grüne und blaue Töne, eine sich in schmalen Lichtern auflösende Nacht, in der Halbtotalen nie weit genug weg sind, um zu verstehen, aber auch nie nah genug sind, um zu fühlen. Der Schrei nach der Berührung, der Wille zum Leben sind erstickt. Einer ihrer Liebhaber meint, dass es lange her gewesen wäre, seit er in die Nacht geblickt hätte. Anna macht eigentlich nichts anderes. Und Akerman platziert sie immer wieder hinter Glaswänden, durch Fenster hindurch, um die Isolation weiter zu betonen.


Das Versprechen von Selbstverwirklichung und Freiheit ist Geschichte. Die Filmemacherin vermag ihre Welt nicht mehr berühren, sie lebt in Isolation, sie steckt eigentlich fest in ihrer eigenen Grammatik, ihrer Filmsprache. Das versuchte Ausbrechen, die Körperlichkeit, die Berührung, das alles kann nur wieder Teil des Denkens, der subjektiven Wahrnehmung und damit des Filmemachens sein. Allerdings ist „Les rendez-vous d’Anna“ nicht nur ein Film über eine Filmemacherin, sondern über einen Menschen, der das Leben weder gefunden hat, noch sucht. In jedes Bild schreibt Akerman dieses Gefühl in einem großen Film.


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