Freitag, 4. April 2014

Es werde Stadt von Martin Farkas und Dominik Graf



Domink Graf wollte gestern Abend das Deutsche Fernsehen bereichern und reflektieren, erneuern und de-modernisieren zugleich. In seinem „Es werde Stadt“, der um 23:15 im WDR ausgestrahlt wurde  (und der auch im NDR, von Dienstag auf Mittwoch, 0:00 Uhr, im SWR, Mittwoch, 23:30 Uhr und im BR, 3. Juni, 22:45 Uhr zu sehen ist) konstatiert er manchmal eigenwillig, manchmal populistisch den Niedergang des deutschen Fernsehens anhand des „heldenhaften“ Grimme-Preises zu dessen Ehre dieser Film entstand. Dabei folgt der Film, den Graf zusammen mit Martin Farkas realisierte, einer Linie, der Graf auch mit seiner essayistischen Großtat „Das Wispern in Berg der Dinge“ folgte. Zwar thematisiert er sich und seine Familie nicht direkt, wohl aber seine berufliche Situation, die bekanntermaßen ja auch von Konflikten mit der Fernsehlandschaft geprägt es. Er presst seine Stimme auf manche Bilder, agiert als kritisches Gewissen im Hintergrund oder als unscharfe Kontur am Rande des Bildes. Die große Ironie des Films bleibt sowieso die Figur von Graf, der sich zwischen Kritiker und Diener des Fernsehens bewegt und dabei so etwas wie eine pragmatische-von vielen geschätzte-Autorenhaltung an den Tag legt, die diese ständig bedient, aber ignorieren will. 
 

Graf und Farkas verbinden ihre Kritik am Status Quo der Filmlandschaft mit einer architektonischen Untersuchung von Marl, der Heimat des Grimme-Preises, einer gefallenen Ödnis im Ruhrgebiet, in die sich Resignation und Hoffnungslosigkeit eingenistet haben. Gewissermaßen betreibt der Film eine Engführung dieser beiden Themen, die im explosionsartigen Abriss der Türme der Stadt mit den Logos der großen deutschen Fernsehsender kulminiert. Ein lauter, womöglich negierend-agitatorischer Verzweiflungsschrei aus einer Branche im Niedergang. Dieser Kunstgriff bietet genug Reibungsflächen, um den etwas selbstgefälligen Gestus des Films, zu rechtfertigen. Insgesamt bemüht sich „Es werde Stadt“ dann doch sehr darum ein „anderes“, provozierendes, anregendes Fernsehen zu gestalten, das sich vielleicht nicht gegen die Programmierung spät am Abend wehren kann, aber zumindest dagegen rebellieren will. Allerhand Meinungsträger, Stimmungsmacher und Zeitzeugen kommen zwischen dem Found Footage, Reenactments und Bestandsaufnahmen in Interviews zu Wort und zeichnen nach und nach ein hoffnungsloses Bild der deutschen Fernsehlandschaft, in der Anspruch, Film und Avantgarde immer weniger Platz haben und haben werden.

Als zentraler Aufhänger bedient der Film dann in einer äußerst konstruierten Narration das Jahr 1989, das für die jüngere Geschichte Europas entscheidende Jahr des Falls des Eisernen Vorhangs. Dieser Fall hätte die Konsumgesellschaft von der Leine gelassen, wird schlüssig, aber doch sehr einseitig argumentiert. Den Widerspruch, dass mit „Die Schwarzwaldklinik“ ein weiterer als Antagonist aufgebautes Hindernis der Heldenreise des anspruchsvollen Fernsehens bereits Mitte der 1980er Jahre auf Sendung geht, wird thematisiert, aber in der Relevanz für das Jahr 1989 kommentarlos hingenommen. Geld, Ausbildung, Publikum, Politik,  Gesellschaft, Wirtschaft, Redakteure, Produzenten, Praktikantenkultur; der Film holt zu einem Rundumschlag aus, der ein romantisches Bild von den dokumentarischen Möglichkeiten eines Mediums spricht, als wäre es noch zeitgemäß. Man müsse sich wieder rückbesinnen. Der Film argumentiert sich um Kopf und Kragen mit seiner „Rod Stewart singt in Trümmern-Nostalgie“, die heute-das wird kaum angesprochen-auf Youtube zu sehen ist. Er fordert Anspruch und er hat natürlich Recht, aber seine Lösungsvorschläge verkennen, dass die schöne Vergangenheit nichts mit den heutigen zeitgenössischen Medien und ihrem Gebrauch zu tun hat oder anders: Die Krise des Fernsehens sollte vielleicht eher zu einem generellen Umdenken im Bereich Förderung, Kunstbetrieb und Kunstschaffen führen. Aber dieses Thema wirkt genauso klischeebeladen wie die Pauschalargumente, die sich in „Es werde Stadt“ gegen die Dominanz des Kommerz-TVs wehren.


Aber ist es wirklich so einfach? Schließlich würde ich im Bereich des Films auch davon sprechen, dass man insbesondere in Deutschland schon mal weitergewesen ist als heute. Die Rückbesinnung auf das Vergangene könnte aber der idealistische Traum von Unverbesserlichen sein. Jedenfalls befürchte ich das. Jemand, der die Vergangenheit so stark beschwört, müsste jedenfalls zumindest versuchen die Gegenwart zu greifen. Und hier stoße ich mich am Film. Sobald „Es werde Stadt“ sich auf die Zukunft konzentriert oder den Nachwuchs beleuchtet, wechselt er den Ton. Als Nachwuchskräfte werden zwei junge Medienauszubildende beim Bau eines Regals gezeigt. Sie scheinen weder in der Lage Fernsehen zu reflektieren, noch haben sie eine Meinung oder gar Interesse. (ein ähnliches Spiel wird dann auch mit der Jugend in Marl getrieben) Herrn Farkas und Herrn Graf sollte bewusst sein, dass nicht aller Medien- und Filmnachwuchs so denkt und arbeitet. Wo ist eine andere Position in diesem Film? Wo ist dieser Film dokumentarisch, wenn er mit einer solch starken Hand geführt wird, dass der Raum für Reflektion immer genau so groß ist wie er sein darf?

Dem ganzen Unterfangen mischen Graf und Farkas dann seltsam verträumt und idealistisch zum einen eine Chris Marker Zeitreise anhand einer Nachrichtensprecherin (wunderbar verletztlich re-enacted von Judith Bohle) und deren nachgestellter Ansagen und einem Fotoessay über ihr Privatleben. die wohl darauf hinweist, wie sich Privates und Ehrliches langsam aus dem TV verabschiedeten und zum anderen eine sowieso schon verklärte und reduzierte Sicht auf das tolle Bildungsfernsehen früherer Tage bei. Das ist zum einen fatal für die Argumentationsstruktur eines ach so dokumentarischen Films und zum anderen ist es für die Gegenwart kaum von Interesse, denn das Fernsehen der Zukunft, oder sagen wir, das Revolutionspotenzial für das Fernsehen der Zukunft liegt bei Menschen, die diese Zeit nicht kennen. Denn im Gegensatz zum Kino hat Fernsehen keine Haltbarkeit, es ist ein direktes, zeitbezogenes Medium während Film/Kino immer und in jeder Aufführung neu zur Gegenwart wird.


Die Fernsehnostalgie der Generation, der Graf und praktisch all seine länger als ausschnittshaft Befragten angehören, ist eben nur von destruktivem Interesse. Der Vorschlag des Films bleibt dann eine Rückbesinnung auf die Vergangenheit. „Es werde Stadt“ ist ein interessantes und effektives Projekt, das die richtigen Fragen stellt, aber nie darüber hinausgehen könnte, weil es statt einer Dringlichkeit nur auf eine Melancholie setzt oder anders: Ein Film, der von einer Utopie spricht, die in der Vergangenheit liegt und der daher nie zeitgemäß sein kann, weil er es immer ist.

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