„A Mãe e o
Mar“ (int.: „The Mother and the Sea“) von Gonçalo Tocha ist ein würdevoller
Film voller zarter Beobachtungen und Poesie. Er folgt den „pescadeira“ einer
Gruppe von Fischerfrauen, die in einem kleinen portugiesischen Dorf (Vila Chã)
noch bis vor einigen Jahren das Meer belebten, es zum Teil immer noch tun und
damit eine rare Tradition in ihren letzten Lebenszügen begleiten. Dabei werden
die Bilder von Tocha vom lyrischen Meer angezogen, immer ist es zu sehen und zu
hören, man schmeckt die Meeresluft, spürt den Geruch in allen Gliedern.
Tocha
unterlegt das immer wieder mit einem Voice Over, der fast verfremdend, aber
durch Tonfall und Wortwahl geradezu bebend vor Melancholie, die Bilder
befruchtet. Immer wieder sieht er Gloria, der letzten Fischerfrau des Ortes bei
ihrer Arbeit zu. Ganz still und irgendwie traurig, diese alte Frau und das
Meer. Anderswo hängen die vom Meer getränkten Gesichter der Alten der
Vergangenheit nach, sie diskutieren in langen Einstellungen über die Frauen,
die Vergangenheit ist fester Bestandteil ihrer Gegenwart und damit auch der des
Films. Alte Fischerscheine werden gefilmt, traditionelle Methoden und die
wenigen verbliebenen Boote einer vergangenen Zeit stehen nebeneinander am
Strand. Wie würden nun in eine Einstellungen passen, bemerkt die poetische
Stimme.
Ein Mann
behauptet, dass er mit dem Meer sprechen könne. Das Meer spricht mit dem Film.
„A Mãe e o Mar“ reiht sich in jene Reihe anthropologischer Dokumentationen ein,
die mit ihrem zurückhaltenden Stil eine Wirkung entfachen, die das Leben, auch
wenn es nicht lebendig scheint, nicht nur oberflächlich oder wissenschaftlich
betrachtet, sondern förmlich aufsaugt und damit erlebbar macht. Vorreiter für
dieses filmische Erleben war „Forest of Bliss“ von Robert Gardner. Bei Trocha
wird sein Treiben durch die Welt mit einem Bedauern kombiniert, das aus den
Untiefen cinephiler Neurosen entstammt, ein mysteriöser, melancholischer Trip
wie durch die Augen von Ventura in Pedro Costas
„Juventude Em Marcha“ gesehen, das Meer scheint zu sterben, das
Fischerwesen als letzter romantischer Beruf. Der Überlebenskampf von Viscontis neorealistischer Meeressymphonie "La terra trema" hat sich in jenes Bild verwandelt, das der italienische Regisseur beispielsweise mit dem Leuchten der Boote in der Nacht zeigte, ein Bild, indem das Leiden und Überleben eben nicht mehr so akut sind wie im Neorealismus, sondern eines indem eine hoffnungslose Dürre des Meeres, die letzten Augen der Fischerfrauen langsam erlischen lässt, indem man nicht mehr aufbegehren kann, sondern nur mehr seine Liebe zum Meer bewahrt.
Auch
versäumt es der Regisseur nicht, immer wieder den Spiegel auf den Prozess des
Filmemachens zu legen. Ein Tonmann steht im Meer, die Kamera am Strand, immer wieder fragen die
Protagonisten, ob sie nun aufhören könnten zu sprechen. In langen
Einstellungen, die Gloria bei ihrer Arbeit beobachten, entsteht ein wahrhaftig
schönes Bild von Einsamkeit, berührend.
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