Ich schaue
den Film „Dracula 3D“ als Außenseiter. Als leidenschaftlicher Filmsnob mache
ich normalerweise einen weiten Bogen, um jenen cinephilen B-Movie Trash, der
die Herzen der Kinonerds bis zur Decke schlagen lässt und der den brachial
gefüllten Saal schon beim Auftritt von Herrn Argento persönlich erbeben lassen.
„Do you wanna say something about the aestethics or should the audience
find out for themselves“, fragt der Moderator. Argento entgegnet italienisch
grinsend: “The aestethics? It is my aestethics.” Lustiger Moment. Meine Beobachtungen zum Film sind nicht im Sinn einer klassischen Kritik zu verstehen, dafür fehlt mir einiges an Einblick und prinzipiellem Verständnis. Vielmehr versuche ich-von einem anderen Kinoplaneten kommend-die Faszination am Mitternachtskino nachzuvollziehen. Ich will verstehen, wenn mir Menschen begeistert erzählen, dass sie jetzt Hai-Horrorfilme schauen oder, dass sie Ameisenkillerfilme lieben oder eben Slasher-Trash-Bluspritzorgien, weiß der Teufel was. Also...
Es beginnt
(nach einem sehenswerten Video aus Argento-Schnipseln und grellem Geschrei von
Hélène Cattet und Bruno Forzani) die alte Geschichte vom Vampirfürsten in
dreidimensionalen Bildern und Kinderfarben, ein Stück Irrsinn hier und da, wenn
die italienischen Schauspieler auf Englisch mächtige Einzeiler von sich geben
oder der (nicht bewegliche) deutsche Exportschlager Thomas Kretschmann mit
rumänischem Akzent englisch spricht, um Dracula zu verkörpern. Highlight aber
sicherlich Rutger Hauer als Van Helsing, der dem Zuseher nach jeder Szene ein
Zeichen zu geben scheint, wie seltsam das alles doch ist. Sehr wahrscheinlich
jedoch ist dieser Effekt nichts anderes als unfreiwillige Komik. Lachen tut
jedenfalls kaum wer im Kino, ich trinke einen Schluck Wasser und kratze mich
unter der riesigen, roten 3D-Brille.
Argento
mischt zu/sehr/unheimlich große weibliche Brüste mit Blut, ein bisschen
Romantik, Spezialeffekte und ein wenig Grusel und macht das in einem 3D, das
aussieht wie frisch aus dem Kinderparadies. Sein Framing scheint oft wie aus
einem „How to Film 3D“ Handbuch. Er stellt Büsche in den Vordergrund und
platziert seine Figuren wie vor einem Greenscreen, sodass man immer das
merkwürdige Gefühl hat, dass sie gar nicht in der diegetischen Welt sind,
sondern irgendwo auf halbem Weg im Rechner steckengeblieben sind. Seine Blenden
haben nichts in diesem Film verloren. Sie nehmen dem Film jedes Gefühl für
seine Umgebung und durch die Technik evozierte Gefühl für Modernität. Außerdem geht jeder
Rhythmus, jedes Einlassen auf diese Technik dabei verloren. Es scheint einen
geheimen Kultcodex zu geben, den ich als Fremder in diesem Universum nicht ganz
verstehe. Eine Grundannahme, die besagt, dass man solche Filme nicht gleich
ansehen kann/darf/muss/soll wie andere, zumindest nicht dann, wenn man jede
unschuldige Freude verspüren will, die Argento seinem Publikum zu geben
scheint. Ich hinterfrage die Aussage, dass man sich jedem Film anders nähern muss. Ich hinterfrage, dass man die Qualität eines Films in den Grenzen seines Genres festlegen muss. So richtig zünden will der Film kaum, man kann nicht gerade von
einem tobenden Publikum sprechen, ab und an ein Lacher, ab und an schrecken
schreckhafte Menschen kurz hoch.
Dracula
verwandelt sich in bekannter Manier in so manches Tier. Eine animierte Eule
(ich habe Angst, muss an Béla Tarrs circa zehnminütige Zufahrt auf eine Eule in „Sátántangó“
denken), ein animierter Wolf, ein
merkwürdig animierter Schwarm von Fliegen (wundervoll) und in einem
aufwühlenden Moment, eine riesige grüne, megaanimierte Gottesanbeterin, die ich
zunächst für eine Heuschrecke halte, ehe man mich am Folgetag aufklärt. Ab und
an muss ich lachen, aber ich zucke auch mit meinen Beinen leicht und voll
Entzücken und Verachtung zugleich. Das passiert manchmal, nicht zu oft.
Dann gibt es
auch die Musik, sie versprüht Klassik wie Argento Blut. Spannung, Romantik, die
großen Themen und Gefühle. Manchmal langweile ich mich, nicht weil der Film
einen Raum dafür geben würde, sondern weil er fast zu gewöhnlich scheint. Ich
suche dann nach dem Hyper-Trash, den das Programmheft mir versprochen hatte,
ich hatte irgendwie mehr Gottesanbeterinnen erwartet. Mir scheint es als wäre
die Giallo-Kultfigur Argento inzwischen auf einem Boden gelandet, den seine
Fans kaum wahrhaben wollen. Der Applaus nach dem Film ist deutlich müder als
zuvor. Die Energie verliert sich in einer gezwungenen (im Gegensatz zu
freudigen) sexuell und gewaltvoll überladenen Niedlichkeit, die weder schockiert
noch wirklich verwundert, noch jene üppige Eleganz aufweist, für die das
Schaffen des Regisseurs lange Zeit stand. „The aesthetics? Which aestethics?“ Ich
habe es versucht, ich werde länger brauchen bis ich es wieder tue.
Ach Patrick, da hast Du aber auch genau den falschen Film gesehen, um zu verstehen, woher die große Verehrung für Argento und sein Werk kommt. Dieser "Dracula" (den ich selber noch nicht gesehen habe) fiel ja selbst bei seinen treusten und optimistischsten Fans durch und hinterließ nur Tränen und Kopfschütteln. Wenn möglich, versuch doch einmal "Suspiria" oder "Horror Infernal" auf der großen Leinwand zu erleben.
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