Donnerstag, 3. Oktober 2013

Zur Darstellung von Regisseuren im Film



Natürlich thematisieren Filmemacher von Zeit zu Zeit Arbeit und Leben ihrer Artgenossen. Dann tauchen Regisseure in Filmen auf, meist als eine Art Alter-Ego für die Filmemacher selbst. Es gibt dafür zahlreiche tolle Beispiele, die sich häufig in Nebenrollen hervortun wie etwa in Abbas Kiarostamis „Through the Olive Trees“, bei Nuri Bilge Ceylan in „Clouds of May“ oder bei Andreas Dresen in „Whisky mit Wodka“. Das sind dann Regisseure als Arbeiter, die mal mehr und mal weniger überzeichnet vor verschiedenen alltäglichen Problemen stehen. Man merkt diesen Filmen an, dass die Regisseure persönliche Elemente mit in ihre Charaktere bringen und damit einen ehrlichen Ausschnitt in das Seelenleben eines Regisseurs geben. Allerdings gelingt es ihnen kaum dort ganze Figuren entstehen zu lassen, sondern sind es eher die Momente kurzer Wahrheit, die beeindrucken. Selbstverständlich ist es schwer einen Menschen wirklich plastisch fühlbar zu machen im Film. Gerade deshalb scheint mir, dass man häufiger von etwas fasziniert wird im Film, was man nicht kennt. Werden beispielsweise Menschen mit Behinderung in einem Film gezeigt, dann mag gesunden Menschen vieles darin plausibel und gut durchdacht vorkommen, während Menschen, die tatsächlich mit der jeweiligen Behinderung leben nur ein stupides Oberflächengekratze auf ihrem tatsächlichen Alltag bemerken. Ähnlich geht es dann wohl auch den Regisseuren, die einen Film über das Berufsbild zu machen, das sie selbst ausüben. Sie stellen sich die Frage: Wie zur Hölle könnte ich darstellen, was es bedeutet ein Regisseur zu sein? (Beziehungsweise sie sollten sich diese Frage stellen.) 

8 1/2 von Federico Fellini

Ich meine damit auch keineswegs Dokumentationen über Filmemacher, die zum Teil äußert vielschichtig gestaltet werden, ich meine fiktionale Versuche Filmemacher oder einen Filmdreh zu beleuchten. Aus Angst vor dem Versagen und weil sich mit dem Regisseur als Charakter plötzlich ein nachvollziehbarer Mensch anstatt eines nachvollziehbaren Charakters vor den Filmemachern zeigt, weichen diese viel zu häufig in völlig chaotische Karikaturen und Parodien der Figuren, überzeichnen die Filmemacher als cholerische, ständig rauchende, nervöse, arrogante Egozentriker und kehren den Blick nicht nach innen, in ihr eigenes Selbst, wo sie Ähnlichkeiten zur Figur mit großer Sicherheit finden würden, sondern ähnlich der IMDB-Trivia nach außen, indem sie kleine Anekdoten und Ticks der Regisseure beleuchten oder sie eben nur als Kultfigur durchs Bild huschen lassen. Warum? Ein ganz schreckliches Beispiel dafür war zu Beginn des Jahres mit „Hitchcock“ von Sacha Gervasi in den deutschsprachigen Kinos. Ein Film wie eine amazon-Beschreibung zu einer Biographie ohne das Buch dazu. Hitchcock wirkt darin wie aus einem Comic und vielleicht ist es nicht der Anspruch dieses Filmes etwas tiefergehendes über seine titelgebende Figur herauszufinden, aber dann hätte man sich die ganze Mühe mit der Maske für den armen Hannibal Lecter auch sparen können. Auf dem Hamburger Filmfest rennen derzeit auch einige körperlose Kultfiguren über die Leinwand, die versuchen einen mystischen Kunststatus aufrechtzuerhalten statt zu versuchen, diese über die Präsentation eines ambivalenten Charakters herzustellen. Improvisation mag Teil eines Schauspielerwerkzeugs sein, aber sie kann alleine stehen wie in einer Comedyshow. Nur weil die Tonalität und die Bewegungen Ähnlichkeiten mit dem Original haben, hat das noch lange nichts mit der Figur selbst zu tun. Der Film „Paradjanov“ von Serge Avedikian und Olena Fetisova verklärt seine Hauptfigur zu niedlichem Kult, versucht gar nicht erst zu verstehen, sondern will nur zeigen: Schaut mal, was der alles gemacht hat. Ja, aber dazu muss ich nicht in euren Film, oder?  Bei „Hunting the Northern Godard“ von Éric Morin, der ebenfalls in Hamburg zu sehen ist, handelt es sich vielleicht nicht um einen ganz so belanglosen Film, wie er sich aber der Figur des Jean-Luc Godard annähert, ist mir ein großes Rätsel. Zunächst dachte ich, dass Morin die Figur nicht wirklich zeigen wollte, sondern nur wie es manchmal mit amerikanischen Präsidenten oder ähnlich hohen Tieren gemacht wird, von schräg hinten am Bildrand mit einer Zigarette/Zigarre, die dort dann immer Macht symbolisiert. Aber später zeigt er ihn doch von vorne und er ist äußerlich tatsächlich absolut glaubhaft als Godard. Im Kino gewesen und jemanden gesehen, der wie Godard aussieht. Schon klar, dass es Morin darum ging den Regisseur mehr als eine Idee über dem Film schweben zu lassen, dann hätte er sich aber die folgenden Szenen mit dem Nouvelle-Vague Regisseur sparen können. Am Ende hat man das Bild einer Parodie vor sich, das ähnlich diverse Set-Foto von Godard im Internet auch ohne Dialog funktioniert. 

Irma Vep von Olivier Assayas

Erstaunlich irgendwie, dass in „Paradjanov“ dann auch noch Marcello Mastroianni einen Auftritt bekommt. In einer dunklen Szene erreicht er eines Abends den Wohnort von Paradschanow, den er (also der echte Mastroianni) sehr bewundert hat. Natürlich kommt er aber als Parodie, die Kamera bemüht sich etwas hinter ihm zu bleiben, weil man wohl keinen guten Schauspieler für den Part finden konnte. Dann setzt der Regisseur dem Schauspieler einen Hut und eine Brille auf, damit er so aussieht wie in „8 ½“ und dann hätte es eigentlich KLICK machen müssen. Paul Thomas Anderson zeigt Jack Horner in „Boogie Nights“, so wie alles in diesem Film auf den ersten Blick, als Parodie; doch so wie eben alles in diesem Film schwebt dahinter ein Mensch. Nur selbst ein Ausnahmeregisseur wie Anderson findet keine Parallelen zwischen einem Mann, der mit Pornos Kunst machen will und einem Mann, der mit einem Film über die Pornoindustrie Kunst machen möchte. Mit fast allen anderen Figuren kommt Anderson weiter als mit Horner (vielleicht liegt das auch an seinem Casting…). Der Regisseur in „King Kong“ von Peter Jackson ist ein rücksichtslos Besessener, der bei Truffaut ist eine Version von Antoine Doinel, der bei Assayas auch (dagegen ist nichts einzuwenden, nur dass es nichts mit dem Beruf des Regisseurs zu tun hat, wenn Léaud Regisseure spielt…). Aber Jean-Pierre Léaud kann auch anders. In „Le pornographe“ von Bertrand Bonello gibt er tatsächlich ein persönliches, vielschichtig Bild eines Filmemachers ab, der apathisch und zynisch die Facetten seines Berufes durchleidet. Oft haben die Filmemacher Angst ihre Regisseure beim Denken und Zweifeln zu zeigen, weil das dann nicht filmisch wäre. Ohne diese Meinung zu teilen, kann man sich trotzdem die Frage stellen: Ist der Beruf des Regisseur ein unfilmischer Beruf? 

Boogie Nights von Paul Thomas Anderson

Denn selbst Federico Fellini filmt Marcello Mastroianni kaum bei der Arbeit. Es ist eher sein Leben, was ihn interessiert. Die Arbeit selbst ist surreal. Erstaunlich wie in „8 ½“ gerade über das Erstellen von Karikaturen etwas Wahrhaftiges zu entstehen scheint. Sollte es sich beim leidenden Regisseur nämlich tatsächlich um jene Karikatur handeln, die die Filmgeschichte immer darin sieht, dann finde ich den hohen Grad an Identifikation mit dieser Figur geradezu unheimlich. Eine Rettung scheint es zu geben: Die Art und Weise mit der Mathieu Amalric es versteht Regisseure zu spielen, beinhaltet etwas lebendiges, etwas aufregendes, etwas echtes. In seinem eigenen „Tournée“ gibt er den Manager und Regisseur einer reisenden Burlesque-Show, der ähnlich wie Ben Gazarra bei Cassavetes und seinem „Killing of a Chinese Bookie“ zwischen Liebe, Einsamkeit und Pflichtbewusstsein wankt, während er bei Polanskis „La Vénus à la fourrure“ eine etwas komödiantischere, aber dennoch aufrichtige Performance eines leeren Manns abhängig von seiner Muse, eines kämpfenden und beobachtenden, ekstatischen und wilden Mannes gibt. Selbst in „Les Actrices“ von Valeria Bruni Tedeschi, in dem er dann doch wieder als Parodie gezeichnet ist, findet er wahre Momente.
Nur fällt auf, dass er in keinem dieser Beispiele ein Filmregisseur ist. Es scheint mehr über Film ausgesagt werden zu können, wenn man den mechanischen Aspekt betont. Eine Kamera in der Bildmitte spricht mehr über Film, als ein Portrait eines Regisseurs. Regisseure funktionieren nicht im Bild. Vielleicht muss man sie wie Rivette über andere Künste erklären, vielleicht nicht. Jedenfalls krankt die Darstellung von Filmemachern im Film. Womöglich liegt das auch daran, dass die Frage: „Was ist ein Regisseur?“ ähnlich subjektiv ist, wie die Frage „Was ist Kino?“ 

Les Actrices von Vaerlia Bruni Tedeschi

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