Dienstag, 29. Oktober 2013

Viennale Tagebuch: Zwei Gutenachtgeschichten und das Ende des Kinos



Wenn man an zwei aufeinanderfolgenden Tagen zwei sehr ähnliche Filme ein und des gleichen Regisseurs anschaut, dann kann das schon mal zu Überlappungen in der Wahrnehmung führen. Bei mir war das an den letzten beiden Tagen bei Hong Sang-soo und seinen „Nobody’s Daughter Haewon“ und „Our Sunshi“ der Fall. Der äußere Stil von Sang-soo wirkt ein wenig wie eine nette Teerunde unter Rentnerinnen oder vielleicht eine liebe Gute-Nacht-Geschichte. Darunter mag sich etwas verbergen, aber wenn man wie Woody Allen praktisch ständig denselben Stil abfährt, der mit seinen langen, ungeschnittenen Dialogsequenzen und künstlerischen Zooms durchaus von hohem Wert ist, dann hat das etwas selbstgefälliges, was ich im Kino nicht sehen mag. In beiden Filmen stellt der Regisseur eine junge Frau an der Schwelle des Erwachsenwerdens ins Zentrum. Und in beiden Filmen bleibt diese Figur undurchdringbar, mit einer merkwürdigen magischen Aura, die Männer in Scharen anzuziehen scheint. „Our Sunshi“ kam mir dabei etwas durchdachter vor, weil er mit seinen klaren Formen und seinem System der Wiederholung von Anfang an als Gute-Nacht-Geschichte in lieben Farben angedacht war, während „Nobody’s Daughter Haewon“ eben doch ein vielschichtiger Film sein könnte, aber in seiner Form erstickt. Jedenfalls haben die Programmierung des Festivals und der Regisseur nichts dafür getan, dass ich in Zukunft diese beiden Filme auseinanderhalten kann. Aber irgendwie hat dieser Rauschzustand ja auch etwas schönes. 


In Strömen hat das Publikum „Història de la meva mort“ von Albert Serra verlassen. Einen derartigen Exodus habe ich im Kino noch nie erlebt. Grausam wie das Licht aus dem Foyer im Metrokino die Bilder auf der Leinwand zerschnitten hat, die Türen krachten, Handybildschirme leuchteten auf. Der Film selbst ist natürlich einer der besten des Jahres. Eine epische Meditation über Versuchung, Tod, Unschuld und Begehren. Heute hatte ich zudem die große Ehre Albert Serra zu interviewen, der mehr oder weniger in jedem Satz eine Provokation unterbringt. Allerdings gab er zu, dass es ihn frustrieren würde, wenn die Menschen aus seinen Filmen gingen. Verändern würde er sich aber nicht. Mir stellen sich da schon einige Fragen. Der Film hat schließlich den Goldenen Leoparden in Locarno gewonnen und wird von vielen Kritikern zu Recht hochgelobt. Warum liegen die Wahrnehmungen von Cinephilen und dem Mainstream immer so weit auseinander? Ist der Cinephile gar eine Antwort auf den Mainstream? Für mich ist dieses Kino Musik. Wenn Menschen Musik hören, würden sie nie nach einer Bedeutung fragen. Sie lassen sich einfach auf die Emotionen und den Rhythmus ein. Bei Kino scheint das der breiten Masse völlig unmöglich. Warum? Liegt es an den Feuilletonclowns, die keine Ahnung vom Kino haben, aber Filme nach ihrer gesellschaftlichen Relevanz bewerten und damit Trends und Geschmäcker prägen? Liegt es an den Fernsehanstalten, die alles in ihre Formate quetschen, die Marktanalysen erfinden, um zu wissen, was wir Menschen, der Mensch an sich, die Zielgruppe per se brauchen? Und damit wächst man auf und lebt man weiter. Liegt es an den Universitäten, wo frustrierte und oft gescheiterte Regisseure sich länger im Spiegel betrachtet haben als, dass sie die Leinwand betrachtet haben und ihren Studenten immer wieder sagen, dass es Psychologie und so weiter braucht. Dabei ist ein psychologisches Kino eben nur eine Form des Kinos. Bei Film als Gefühl geht es auch gar nicht um Intellekt, sondern so wie in der Musik sind diese Emotionen ja für jeden greifbar unabhängig von Bildung oder Interessen. „Història de la meva mort“ ist sicherlich schwer zugänglich, aber er folgt klaren menschlichen Themen. Selbst die grob skizzierte Handlung ist absolut verständlich. Ich verstehe nicht, warum man verstehen muss.„La última película“ von Mark Peranson und Raya Martin beklagt vielleicht auch deshalb ein Ende des Kinos. Der Film beschwört nicht nur ein Ende des Films als Material (ein durchgehendes Thema hier in Wien), sondern eben auch ein Ende der klassischen Wahrnehmung. Dabei kommt er sich aber ein gutes Stück zu originell vor. Der doppelte Boden auf dem das stattfindet, nämlich das Making-Of zu Dennis Hoppers „The Last Movie“ transferiert sich nicht ganz als solcher und so bleibt unsympathisch und größenwahnsinnig, was eigentlich nur ein Portrait dieser Eigenschaften hätte sein sollen. Experimentalfilm ist nicht so neu wie er hier versucht zu sein.

1 Kommentar:

  1. Historia de la meva mort und Exodus. Das muss ich mir anschauen. Wo krieg ich den Film her?

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