Donnerstag, 31. Oktober 2013

Viennale Tagebuch: Nächtliche Bewegungen Ende Oktober



Heute fand die große Österreichpremiere von Götz Spielmanns „Oktober November“ statt. Das Gartenbaukino war zu großen Teilen mit Mitarbeitern, Freunden und Sponsoren des Films gefüllt, mit seiner rauchigen Stimme leitete Spielmann zusammen mit Hans Hurch die Veranstaltung ein und am Ende gaben sich neben Spielmann selbst auch Teile des Casts und der Crew die Ehre, um sich vor der Leinwand selbst zu beglückwünschen. Sicherlich ein schöner und gerechtfertigter Moment für einen Film, der trotzdem nicht zu den besten seines Machers gehört. Spielmann erzählt ähnlich wie sein Kollege Haneke vor ihm vom Sterben, allerdings taucht er das Ganze nicht in ein enggeschnürtes und konsequentes Kammerspiel wie es bei „Amour“ der Fall war, sondern folgt einer fast schon fernsehartigen Dramaturgie mit Familie, Geschwistern, melodramatischen Betrug mit dem Landarzt und dem zynischen, sterbenden Vater. Alles ist ganz klar und ausgewogen bei Spielmann. Wo bei „Antares-Studien der Liebe“ und „Revanche“ Ecken herausstanden, wurde jetzt fein säuberlich abgeschliffen. Alles ist hier durchdacht und dabei ist Spielmann immer dann gut, wenn nichts gesagt wird und meistens dann schlecht, wenn gesprochen wird. Sein Ensemble, das sich zum Teil auch wirklich benimmt wie ein Theaterensemble (es fehlt nur das Spotlight im entscheidenden Moment, den jeder bekommt „ihre/seine“ Szene; ganz schlimm )erzählt die Geschichte eigentlich mit den Gesichtern. Sobald sie sprechen, verliert sich die Magie, die Spielmann auch ansonsten nur dann zum Vorschein bringen vermag, wenn er räumlich entfernte Menschen und Objekte in Verbindung setzt. In einer wahrhaft grandiosen Sequenz bricht der Vater am Boden zusammen und die Kamera verlässt fast wie in einer moderneren Version von „Professione: reporter“ den Körper der Figur, schwebt wie ein Geist über dem Geschehen, während gleichzeitig die zweite Tochter im Bad zu sehen ist und ein Fisch auf einem Stein gestrandet ums Überleben kämpft. Dieses Motiv wird sowohl im Dialog als auch im Bild weiter verfolgt und ist sicherlich der Höhepunkt eines Heimat-Melodrams der Marke Spielmann. Leider hält der Film diese Kraft nicht immer, verliert sich manchmal in arg konstruierten Subplots und gewolltem Humor. Anders formuliert: Die totale Kontrolle, die Spielmann nicht nur über seinen Film, sondern auch über das Publikum zu haben scheint, ist zwar bewundernswert, hindert den Film aber an wahrer Größe, denn schließlich fühlt man sich immer wie in einem Film und nie wie im Leben. 


Viel schlimmer misslang Kelly Reichardts „Night Moves“. Zu sehen ist eine Regisseurin, die mit Bildern, Rhythmus und einer totalen Verweigerung des Schauspiels versucht gegen ein völlig danebengegangenes Öko-Thriller-Schuldkomplexe-Drama-Drehbuch anzukämpfen. Was will man hier erzählen? Die Naivität von Terrorismus? Die Unbedachtheit der Protagonisten? Die Wirkungslosigkeit?  Garniert wird das Ganze mit hoffnungslos platten symbolischen Bildern, wie einem Reh, das tot am Straßenrand liegt, aber noch ein lebendes Kind in sich trägt. Ja, wenn man eine Sache tötet muss man aufpassen nicht noch eine andere mitzureißen. Zwar holt Reichardt alles aus Jesse Eisenberg und Dakota Fanning raus, aber der Fehler liegt schon im Casting selbst. Eisenberg spielt alles als Nerd. Und Fanning soll eine Mischung aus Michelle Williams und der Jennifer Lawrence aus „Winter’s Bone“ sein, die sich am Ende dann aber doch als Dakota Fanning entpuppt. Was dabei fehlt, ist eine nachvollziehbare Tendenz zu einer solchen Tat. Aktivität und Lebendigkeit hätte einem der Protagonisten sicherlich gut zu Gesicht gestanden. Der Film sieht gut aus und fühlt sich insbesondere in der ersten Hälfte auch gut an. Retten tut ihn das nicht. Die Neuentdeckung eines Genres verlief in "Meek's Cutoff" noch deutlich konsequenter und die Emotionalität traf einen in "Wendy and Lucy" weitaus unmittelbarer. 

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