Dienstag, 10. September 2013

Moebius von Kim-Ki Duk



Kim Ki-Duk hat einen Film über den Schnitt gedreht. Den Schnitt im Sinn der filmischen Montage, den Schnitt als Mittel der Zensur und der Schnitt als explizite Gewalt. Zudem wird im ganzen Film kein Wort gesprochen, was die Macht der filmischen Montage noch weiter betont.

Gewalt

Als würde er Sigmund Freud wörtlich nehmen und seine lustvolle Gewalt in einer Verfilmung der penislastigen Theorien des Ur-Psychologen ausleben wollen, ja als hätte er Lars von Triers „Antichrist“ gesehen und wollte unbedingt eine Komödie daraus machen, bewegt sich Ki-Duk immer am Rande des Skandals, am Ende des Geschmacks durch den Film. Das macht er mit einer solchen Freude, dass man förmlich angesteckt wird. Sex, Gewalt, Sex, Gewalt und plötzlich ist beides dasselbe. Inzest, Vergewaltigungen, Sadomasochismus, für jede perverse Neigung ist was dabei. Es geht um einen jungen Mann, dessen Mutter ihm, als es ihr beim sie betrügenden Vater misslingt, den Penis abschneidet. Es geht um die Sorge des Vaters, der nach Möglichkeiten der Penistransplation und andersartigen Befriedigungen für den Sohnemann sucht. Es geht um eine Frau, die zunächst eine Affäre mit dem Vater hat und dann mit dem Sohn. Das verrückte daran ist, dass die Motivationen der Figuren in der perfiden Welt von Ki-Duk immer nachvollziehbar bleiben. Er etabliert einen Drang zum Extrem, in dem alle Figuren zu Sexbesessenen werden und sobald man dieser Welt, die sich nie zu ernst nimmt, folgt, ergibt alles einen Sinn. Er findet sogar Platz für aufrichtige Gefühle inmitten seiner abstrusen Szenen wie etwa die Schuld des Vaters oder die Eifersucht der Mutter. Es wird unheimlich viel geschnitten und mit Messern gespielt in „Moebius“. Nun sind Gewalt, Sex und Familie ja wahrlich keine neuen Themen beim koreanischen Regisseur, aber selten zuvor hat er sich so sehr darauf beschränkt. Die Frage nach Moral, die sich etwa in „Bad Guy“ oder „Time“ findet, stellt sich nun lediglich für den Zuschauer selbst.

Montage

In einer famosen, eisensteinschen Eröffnungssequenz zeigt Ki-Duk die drei Familienmitglieder (Mutter, Vater, Sohn). Er montiert die Szene so, dass man lange nicht weiß, wo sich die Figuren befinden, man sieht nie zwei Charaktere in einer Einstellung und es ist völlig unklar, dass sie sich am selben Ort befinden. Dennoch bedingen sich ihre Bewegungen durch Rhythmus und Ton. In nur wenigen Momenten schneidet Ki-Duk einen sinnbildlichen Graben zwischen die Familienmitglieder. Auch im weiteren Verlauf wird kein Wort gesprochen in „Moebius“. Das hat nichts mit irgendeiner Stummfilm-Nostalgie zu tun, sondern eher mit Verweigerung. Ki-Duk kastriert die Tonebene, um ihr inhaltlichstes Element und führt Film somit in eine natürlichere Form. Aufschreie der Lust oder des Schmerzes bleiben hörbar, die Charaktere scheinen es nur nicht für relevant zu erachten miteinander zu sprechen. Ein fast hypnotischer Sog beginnt von der deutlichen Bildsprache auszugehen. Kim Ki-Duk war sicherlich noch nie ein Meister der Subtilität und zeigt so, ähnlich wie in seinem „Frühling, Sommer, Herbst, Winter…und Frühling“, dass er seine Fähigkeiten bei wenig oder gar keinem Dialog am besten zum Vorschein bringen kann. Zwischenmenschliches ist überdeutlich. Er leuchtet mit einer Taschenlampe in menschliche Abgründe und jedes Wort würde die Unerträglichkeit nur abschwächen.

Zensur

Es steht zu befürchten und ist zum Teil auch schon bestätigt, dass man als regulärer Kinozuseher nur schwer in eine unzensierte Version wird gehen können. Der Schnitt wird also noch zu einer dritten Anwendung kommen. Allerdings ist „Moebius“  kein schwer-verdauliches Stück Gewaltkino, sondern wirklich eine schwarze Komödie. Die Gewalt kommt mit Freude, ähnlich wie bei Quentin Tarantino und wer kein Problem mit expliziten Nahaufnahmen hat, der wird Freude an der Freude des Regisseurs haben. Sollte der Film tatsächlich nur in abgeschwächten Versionen in die Kinos kommen, würde man die Essenz des Werks meiner Meinung nach ganz schön manipulieren, weil es Ki-Duk doch scheinbar um dieses „Everything goes“ und wo haben wir noch nicht reingeschnitten, geht. Wenn man die Schnitte selbst rausschneidet, würde nur ein wilder Film bleiben und nicht der wilde Film über das Kino selbst, den Kim Ki-Duk gemacht hat.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen