Man nehme
ein Fotobuch mit Abbildungen schöner, rotbeleuchteter Innenhöfe sowie
thailändischer Touristikklischees und stelle sich vor, dass man bei jedem Umblättern
des Buches eine kleine Fahrt durch die Fotografien geschenkt bekommt. In „Only
God Forgives“ von Nicolas Winding Refn herrscht der Stil einer völligen Sinnentleerung,
die nur von Fetzen einer blutrünstigen Rachestory zusammengehalten wird. Und es
wird wenig gesprochen. Ab und an steigt
ein treibender Beat ein und Minuten später tötet jemand eine andere Person. Es
geht um eine Mutter, die Rache für ihren Sohn will, der getötet wurde nachdem
er eine minderjährige Prostituierte umgebracht hat. Die Geschichte dient
allerdings nur als Aufhänger für einen brachial abgeklärten Stil, eine filmische
Erfahrung, die zum Teil gar nichts mehr mit narrativem Kino zu tun hat, weil
sie die Zeit derart streckt, dass man zwischendurch vergisst, warum wer was
tut. Es gehört sicherlich einiges an Mut
für Refn dazu nach einem Crowdpleaser wie „Drive“ wieder zurück zu seinen fast
schon experimentellen Formen aus „Valhalla Rising“ zu kehren.
Ryan Gosling
scheint dabei im Gegensatz zur letzten Zusammenarbeit mit Refn lediglich als
Lückenfüller zu arbeiten. Wenigstens werden so viele Leute ins Kino gehen. Der
wahre Star des Films ist die Symmetrie. Hier ist alles aus einem Guss. Ist das
jetzt ein visuelles Erlebnis oder einer der schlechtesten Fanboy-Filme aller
Zeiten? Herrlich. Gefühlte 50 Mal greift Refn auf den Point-of-View Shot, auf
die nach oben geöffneten Hände zurück, den Gaspar Noé (dem er im Abspann auch
dankt, genau wie Alejandro Jodorowsky) in
seinem „Enter the Void“ zelebriert. Zelebrieren ist vielleicht auch das
richtige Wort, um „Only God Forgives“ zu beschreiben. Und dann setzt ein
treibender Beat ein und jemand tötet eine andere Person. Was gibt es noch?
Buddhistische Mythologie, eine Mutter&Sohn Beziehung, Sex? Alles nur
Aufhänger für die weitaus wichtigere Mission des Nicolas Winding Refn, die
Mission des Stils, der in jeder Einstellung einen Establishing Shot aus einem
James Bond Film präsentiert, der sich durch die Filmgeschichte zitiert, dass
sogar Quentin Tarantino aufhorchen dürfte. Unter dieser Oberfläche könnte sich doch
eine Geschichte befinden, aber vielleicht ist das nur eine vage Hoffnung. In
Filmen von Regisseuren wie Robert Bresson, Carlos Reygadas oder Claire Denis
verstecken sich die Geschichten und Charaktere auch häufig hinter dem Stil.
Aber bei ihnen dient die Form meistens einer Beschreibung der Stimmungen und
Charaktere, während bei „Only God Forgives“ lediglich ein Gefühl für Schönheit und
Gewalt vermittelt wird, das zu keiner Sekunde etwas tieferes über die Figuren
und ihr Leben vermitteln mag; es geht weder darum die asiatische Umgebung
einzufangen, noch geht es darum ein Innenleben durch äußere Form greifbar zu
machen. Aber genau hierin könnte auch der Reiz des Films liegen. Bei „Drive“
haben viele Kritiken betont: „The Style is the Substance“, jetzt muss man sagen
„The Style is the Film“. Okay, ein weiterer Versuch.
„Only God
Forgives“ von Nicolas Winding Refn handelt von einer rachegeilen Mutter und
ihrem ungeliebten Sohn. Er spielt auf den Straßen und in den edelsten und
heruntergekommensten Nachtclubs Bangkoks. Räume werden in monotone
Lichtstimmungen gesetzt. Rot, blau, grün. Manchmal gibt es mehrere Farben
gleichzeitig. Der Film gehört eigentlich in ein Museum für abstrakte Kunst, die
Tatsache, dass er in Kinos zu sehen ist, kann als Provokation verstanden
werden. Dabei ist der erzwungene Stilwillen so deutlich spürbar, dass man sich
ernsthaft fragt, wieso Refn nicht einfach in die Werbebranche wechselt. Er hat
nichts zu erzählen, nicht mal im Subplot. Keine philosophischen Themen im Stile
von Noé, keine surrealistischen Existenzfragen wie bei David Lynch. Dieser Film
scheint zur zu existieren, um gut auszusehen. Und dann setzt ein treibender Beat
ein und eine Person tötet eine andere Person meist ziemlich brutal. Es ist das
langsamste Cinema of Attraction, das man sich vorstellen kann. Refn geht es
darum Gefährliches, Spannendes und Abartiges in einer möglichst affektiven Art
und Weise zu filmen. Dazu braucht man keine Handlung, keine Wandlungen, keine
Stimmungswechsel. Wie durch einen Tunnel fährt man durch diese Welt. Und man
fährt sehr langsam, denn der Regisseur erinnert uns daran, dass er Kunst macht.
Natürlich nicht ohne einen hohen Anteil der „good old ultraviolence“. Irgendwie
schwebt man durch diesen Film. Im Presseheft beschreibt der Regisseur den Film
als die Geschichte eines Mannes, der mit Gott kämpfen will. Es wurde der Film
eines Regisseurs, der mit den Zuschauern, sich selbst und seinem Medium kämpft.
So sehr man diesen Film hassen muss, man könnte ihn auch lieben.
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