In Cannes habe ich mich mit dem jungen rumänischen Regisseur
Tudor Cristian Jurgiu über seinen Film „În Acvariu” unterhalten, der am Ende
den dritten Preis im Cinéfondation-Wettbewerb gewinnen konnte. Sein Film, das Filmschaffen an sich,
Kurzfilme, die zweite Generation des Neuen Rumänischen Kinos und Kinoliebe:
(Das Interview wurde auf Englisch geführt und von mir
übersetzt.)
Cristi Puiu schwebt über dem Gespräch |
Basiert der Film auf
persönlichen Erlebnissen?
Ja, das könnte man sagen. Vielleicht nicht im Bezug auf das,
was in der Story passiert, aber ich habe solche Dinge (Anm: On/Off Beziehungen)
genauso erlebt wie viele andere auch, Diese Art Beziehung interessiert mich
einfach. Das passiert glaube ich mit vielen jungen Menschen. Wobei…nicht nur
jungen Menschen. Ich weiß nicht, warum es passiert. Passiert es aufgrund einer
inneren Leere? Geht es darum etwas zu verstecken? Oder versucht man nur etwas
Pfeffer in die Beziehung zu bekommen, das Liebesleben zu dramatisieren? Ist das
echt? Geht es wirklich so schnell von Liebe zu Hass und umgekehrt? Was ist das?
Mich interessiert dieses Problem oder wie immer man es nennen mag. Es geht um
die Oberflächlichkeit von Emotionen und die gleichzeitige Intensität von
Emotionen.
Als ich deinen Film
gesehen habe, habe ich dieses Gefühl eines sehr beobachtenden Stils bekommen,
der Tragik und Humor in einer sehr unschuldigen Art verbindet. Ist das etwas,
was du erreichen willst?
In meinem vorherigen Film „Oli’s Wedding“ ließ ich mich von
der Geschichte eines Freundes inspirieren, dessen Hochzeit in Amerika mit Skype
gefilmt wurde, sodass sein Vater in Rumänien zusehen konnte. Dabei war ich
daran interessiert möglichst realistisch, ja dokumentarisch an die Sache zu
gehen und dennoch eine strukturierte Story zu erzählen. Das war meiner Meinung
nach die beste Art sich dem Stoff zu nähern. Es geht darum, dass Dinge einfach
passieren und wir sie zufällig beobachten können. Aber bei „În Acvariu” empfinde ich das doch anders, gar
nicht als dokumentarisch. Natürlich kann man sagen, dass die Einstellungen sehr
lang gehalten werden, aber trotzdem ist da ein Unterschied. Ich habe wieder
nach der besten Möglichkeit gesucht die Story zu erzählen. Von einer Trennung,
zur Versöhnung, zur Trennung und wieder zur Versöhnung muss man dem Publikum
ein wenig Zeit geben, um das alles zu schlucken und so Empathie aufbringen zu
können. Deshalb die langen Blenden und langen Einstellungen. Das kam ganz
natürlich. Ich habe die Geschichte in meinen Notizen von Anekdoten von Freunden
gefunden und einfach gemacht.
Cristian Mungiu |
Sind Geschichten
deiner Freunde, was dich am meisten inspiriert?
Bei meinen bisherigen Kurzfilmen war das so, ja. Aber mein
Langfilm, den ich gerade beendet habe, den habe ich sogar basierend auf einem
fremden Drehbuch gedreht. Ich habe das zwar neu-geschrieben, aber die Idee
kommt nicht von mir. Ich rede einfach viel mit Menschen, zeichne diese
Gespräche auf, selbst wenn sie nur über irgendwas Belangloses reden. Ich
durchforste das Internet, vor allem Youtube nach Geschichten. Man kann
heutzutage so viel Material finden. Das schwere ist herauszufinden, was davon
erzählenswert ist.
Wie hängen bei „În
Acvariu” Film und Titel zusammen?
Es geht um ein Pärchen, das sich immer im Kreis dreht. Man
kann sagen, dass sie wie im Aquarium leben. Heute kommt mir mein eigener Titel
irgendwie uninspiriert vor. So metaphorisch, so offensichtlich.
Das erst, was mir
beim Titel in den Kopf gekommen ist, ist Cristian Mungius Film „4 Monate, 3
Wochen und 2 Tage“, weil die erste Einstellung des Films ein Aquarium ist.
Viele haben dann ja die metaphorische Verknüpfung zwischen Rumänien und einem
Aquarium gemacht, wegen der politischen Vergangenheit und Gegenwart…
Das finde ich nicht gut. Ein Aquarium kann eine Metapher für
alles sein. Nordkorea ist ein Aquarium, viele Länder sind Aquarien.
Abbas Kiarostami |
Trotzdem hatte ich
das Gefühl, dass Mungiu ein großer Einfluss war? Bei deinem ersten Kurzfilm war
es offensichtlich Cristi Puiu.
Bei “Oli’s Wedding” gebe ich dir Recht. Puiu war ein großer
Einfluss. Ich habe sogar mit demselben Kameramann gedreht, der „Der Tod des
Herrn Lazarescu“ gedreht hat. Aber ich habe Schwierigkeiten die Ähnlichkeiten
zwischen „În Acvariu” und Mungiu nachzuvollziehen. Vielleicht ist es immer noch
Puiu, vielleicht ein bisschen was von „Aurora“… Mungiu arbeitet viel mehr mit
Handkamera und dann ganz plötzlichen Bewegungen, wogegen „În Acvariu” ganz
leise und friedlich ist. Ich habe wirklich versucht mich vom Drama
fernzuhalten. Ich wollte Distanz zu den Charakteren wahren, sodass der Zuseher
sich seine eigene Meinung bilden kann.
Trotzdem oder gerade
deshalb habe ich das Gefühl, dass die zweiten Generation des Neuen Rumänischen
Kinos, zu der ja auch du gehörst, eigentlich genau die Dinge weitermacht, die
eben Regisseure wie Puiu oder Mungiu erfolgreich praktizieren.
Vielleicht bezüglich der Art einen Film zu drehen. Aber ich
würde sagen, dass es Ähnlichkeiten zu vielen Regisseuren in der ganzen Welt
gibt. Ich finde nicht, dass man immer diese Verbindungen so einfach ziehen
kann. Man kann ja auch nicht sagen, dass alle iranischen Filmemacher von
Kiarostami beeinflusst sind. Im Gegenteil, man kann sagen, dass viele
Filmemacher auf der ganzen Welt von ihm beeinflusst sind. Wir könnten Stunden
darüber diskutieren. Es wird den Tag geben, an dem wir über eine neue
Generation in Rumänien sprechen müssen. Ja, ich bin von Puiu beeinflusst, aber
auch von vielen anderen auf der ganzen Welt.
Aber du bist doch bei
Puiu in die Regieklasse gegangen…da ist der Einfluss doch ein anderer, oder?
Ja klar. Und natürlich hat mich das besonders geprägt. Aber
eine lustige Geschichte gab es zum Beispiel nach „În Acvariu”. Ich habe dann "Nous
ne vieillirons pas ensemble" von Maurice Pialat gesehen. Und er macht dort
exakt das gleich wie ich. Nur viel effektiver und besser…Aber alleine die
Möglichkeit eine Verbindung zu den 70ern herzustellen, sagt vieles aus. Einflüsse, Vorbilder und so weiter
existieren immer global.
Wie befreist du dich
von einem zu großen Einfluss eines Lehrers wie Cristi Puiu?
Viele Filme zu sehen hilft enorm. Je mehr Filme man sieht,
desto mehr Freiheit hat man als Regisseur. Es gibt beim Filmemachen keine
Gefahr, dass man Dinge kopiert. Wer originell sein will, ist wirklich dumm. Das
einzige, was zählt ist eine Geschichte zu finden, an der man arbeiten will.
Um was wird es in
deinem ersten Langfilm gehen?
Es geht um einen alten Mann, der einen Besuch von seinem
Sohn bekommt. Der Sohn kommt aus Japan und er und seine Familie haben sich seit
15 Jahren nicht gesehen. Der alte Mann ist alleine, weil seine Frau gestorben
ist. Es wird um die Probleme der Begegnung dieser beiden Menschen gehen.
Haben dir deine
Kurzfilme geholfen? Also hat es dir geholfen Kurzfilme gedreht zu haben im
Bezug auf deinen Langfilm jetzt?
Auf jeden Fall haben sie mir geholfen. Sogar finanziell,
weil es war für mich viel leichter Produzenten zu finden. Derselbe Produzent,
der auch „În Acvariu” gemacht hat, hat nun meinen Langfilm produziert. Und
obwohl mein Langfilm anders ist bezüglich meiner Herangehensweise und der
Story, haben mir meine Kurzfilme extrem geholfen. Ich werde auch weiter
Kurzfilme machen. Ich suche noch immer einen eigenen Stil. Kurzfilme helfen
dabei diesen zu finden.
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