Samstag, 15. Juni 2013

Terrence Malick-Regisseur



Sich einem Mysterium wie Terrence Malick anzunähern, bringt einige Schwierigkeiten und Gefahren mit sich. Zunächst das Offensichtliche: Da Malick kaum Interviews gibt und auch sonst um jeden seiner Filme ein großes Geheimnis gemacht wird (inzwischen gibt es Ausnahmen: How Malick constructed "To the Wonder"), hat man als Autor eines Textes, der sich mit dem Werk des Regisseurs beschäftigt nicht viele Anhaltspunkte und noch weniger Sicherheit als üblich. Außerdem fällt auf, dass je weiter sich ein Kunstschaffender zurückzieht, desto mehr scheinen die Menschen über die wahre Natur der- oder desjenigen zu wissen; jemand hat dort gelesen, wie Malick arbeitet, an anderer hat diese Anekdote parat. Oft scheinen dabei in der Karriere von Malick die langen Pausen zwischen seinen Filmen interessanter zu sein, als seine Filme. Die meisten Zuseher gehen in Malick Filme sowieso wegen seiner hochkarätigen Casts. Irgendwo herrscht da noch eine Künstlerromantik, die auch wunderbar zu den eigenwilligen Filmen passen möchte; dennoch liegt meiner Meinung nach alles vor, was man braucht, um sich mit dem Regisseur zu beschäftigen: Ein Kurzfilm und sechs Kinofilme, die er in den vergangenen 44 Jahren gedreht hat. 


Badlands

Days of Heaven

Und wenn die klassische Musik erklingt, die von Wagner, über Haydn bis Orff vieles abdeckt,dann wird man sowieso allen Background und alle Erwartungen an eventuelle Schauspielensembles vergessen, denn eine Flut an Bildern wird über den Zuschauer hereinbrechen, wie die Heuschreckenplage  in seinem Days of Heaven. Dabei kann man die Karriere von Malick in zwei Abschnitte gliedern, die ich hier

1.The way of nature


2.The way of grace

nennen möchte. Zum way of nature rechne ich seine Filme BADLANDS, DAYS OF HEAVEN und THE THIN RED LINE. Diese Werke, die in großen Abständen entstanden sind beschäftigen sich mit  Gewalt, Plagen, Krieg, Isolation, Liebe und Einsamkeit. Der Regisseur folgt mehr oder weniger geradlinigen Plots, die sich nicht zwangsläufig an einzelnen Charakteren orientieren, aber dennoch ein Identifikationszentrum für den Zuschauer bieten. In diesen Filmen spielt die Natur, das Leben in der Natur, das Vernichten der Natur und die Rache der Natur eine große Rolle. In The Thin Red Line kämpfen sich die Soldaten durch meterhohes Gras; sie dringen nicht nur in eine fremde Kultur, sondern auch in die Natur ein und zerstören alles, was ihnen in den Weg kommt. Doch am Himmel kreisen schon die Vögel, die auch die amerikanischen Soldaten holen kommen werden. Dennoch urteilt Malick nicht, sondern zeigt nur: Er zeigt wie Menschen ermordet werden in Badlands und stilisiert seine Bilder in einer romantischen Art mit zwei Liebenden alleine in der Natur; bei Malick ist alles ein Paradies, selbst die Gewalt. Sein Stil entfaltet immer dann seine volle Wirkung, wenn die Schönheit von Bild und Musik auf menschliche Schwächen und Gewalt trifft. Betrug und Mord wie in Days of Heaven werden gegen die malerischen Sonnenuntergänge von Texas geschossen,  das Meer schillert in prächtigen Farben während ein Kriegskreuzer darauf gleitet in The Thin Red Line, ja sogar nimmt er sich Zeit für die Schönheit der Sonnenstrahlen, die durch zerschossene Bäume dringen. Auch in seinem way of grace findet er diese Momente, etwa auf den erhärteten Gesichtszügen eines Vaters, der sein Kind erziehen möchte und an der Liebe scheitert in The Tree of Life oder in einem Betrug an der großen Liebe in To the Wonder, der mit einem Gang in das gleißende Licht der Sonne endet. Im grausamsten Tod im Krieg liegt immer noch ein Funken Schönheit, aufgrund der Art und Weise wie Malick ihn uns zeigt: Ehrlich.

Badlands

The Thin Red Line
In seinem way of nature folgt Malick einem realistischeren Ansatz. Seine Figuren haben noch den Drang zu sprechen; ihre Worte verkommen in der Emotion durchaus zu Poesie, aber sie haben auch das Bedürfnis nach dem Alltäglichen. Es ist auch ein Kino, das sich Zeit nimmt und seine Bilder erst formt, in den Gesichtern sucht, wie in Adrien Brodys ängstlicher Mimik in Erwartung des Feindes oder Sissy Spaceks neugierigem Blick auf den charmanten Unbekannten. Menschen rennen mit Feuer in die Nacht, um die Heuschrecken zu bekämpfen. Zeit gehorcht hier noch natürlichen Gesetzen. In diesem Kino gibt es noch Ursache und Wirkung; der Strom von Bildern und Wörtern, die sein späteres Kino prägen,  entsteht nur in Flashbacks (nennen wir sie besser Erinnerungen) und Träumen, ansonsten folgen die Filme einer beinahe klassischen Erzählstruktur.


Der way of grace besteht fast ausschließlich aus solchen unkonventionellen Erzählströmen. Zu ihm zähle ich seine Filme THE NEW WORLD, THE TREE OF LIFE und TO THE WONDER. Hier beschäftigt er sich mit Liebe, mit der Existenz, dem Menschlichen, dem Unmenschlichen, dem Vergessen, dem Fremden und den Gesetzen der Natur. Dabei erscheint alles als Bilderstrom; alles wirkt wie ein ewiger Prolog in einem lars von Trier Film. Dadurch wird die Beiläufigkeit des Lebens zur Schau gestellt. Einer Hand, die unter das Wasser greift, wird mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht, als dem Tod eines Menschen. Assoziativ verbindet Malick Formen und Farben. Dabei gleitet der Regisseur nur mehr über die Oberfläche seiner Dinge, in den vielen Schnitten lässt er keinen Blick mehr zu und alles wird zu einem einzigen Wulst an Schönheit und Gnade. Orientierten sich seine frühen Filme an der Natur und ließen sich durch die Natur gleiten, so steht Malick heute über der Natur. Selten hat ein Regisseur so effektiv Gott gespielt wie er. Es ist dennoch ein Rückschritt im Kino des Terrence Malick, denn aus einem wundervollen und stillen Beobachter ist ein philosophischer Spiritueller geworden, der seinen Worldview mit jedem Film ein bisschen stärker aufzudrängen versucht. Statt seiner Charaktere spricht er selbst durch ihre Voice-Over Gedichte, bevor er sich in romantischen Kitsch versteckt und allen Respekt im Namen seines Kameramanns Emmanuel Lubezki einheimst. Seine Drehmethoden scheinen interessanter zu sein, als die Filme. Hat im way of nature die Natur noch eine Rolle gespielt, wird sie heute nur noch ausgestellt wie bei National Geographic. Wir verdanken die Bilder von den außergewöhnlichsten Orten der Erde der Gnade eines Regisseurs.  Der Screenshot ist wichtiger geworden, als der ganze Film.

The Tree of Life

To the Wonder

Das bedeutet nicht, dass die neueren Filme von Malick nicht auch die Werke eines großen Regisseurs sind. Sie bieten viel Spielfläche und eine Weltsicht derart kunstvoll zu vermitteln, eine Sprache derart zu forcieren verlangt gebührenden Respekt. Malick löst die Grenzen der eigenen Wahrnehmung auf, er verändert den Blick des Zusehers auf die Welt. Die Kamera fliegt förmlich durch die Umgebungen. Muss man The New World gewissermaßen als Übergang zwischen Natur und Gnade verstehen, so sind The Tree of Life und To the Wonder fast schwebende Filme. Es geht ihm darum die Momente einzufangen, die kleinen Gesten und Taten; dabei benutzt er seine Frauen in fast schon beängstigender Weise als Musen für die Kamera; sie flirten und tanzen mit der Kamera, wie der Schmetterling, der auf Jessica Chastains Arm landet. Schaukeln, Karussells und die Gezeiten sind logische Bilder in dieser kreisenden Dramaturgie ohne Ende und Anfang, die dennoch mit der Evolution in Verbindung stehen. Der Plot lenkt nur von der Essenz der Filme ab. Er verteidigt ein streng romantisches Bild des Lebens und er verteidigt es mit seinen Bildern. Gewissermaßen ist das Erlebnis eines Malick-Films mit dem inneren Kampf von Javier Bardem in To the wonder oder dem Kampf der Ehepartner in The Tree of Life zu vergleichen: Der Regisseur, die Charaktere und die Zuseher sehen so viel Schönheit und Ungerechtigkeit gleichzeitig, dass sie eigentlich überfordert sind. Das Harmoniestreben wird nicht unreflektiert wiedergegeben. Dennoch wird die Gnade über die Natur triumphieren. Ob die Filme daran gewinnen, sei dahingestellt.

The Tree of Life

The New World
Malick macht ein Kino der Elemente. Feuer-Wasser-Luft-Erde spielen die Hauptrollen in seinen Filmen. Es brennt in der Natur und in den Häusern, das Wasser kommt und geht, die Oberfläche zieht Malick magisch an, der Wind und die Luft zum Atmen versetzen gerade seine Protagonistinnen immer wieder in Rauschzustände und die Liebenden suchen immer den Weg zur Erde, das Gras, den Schmutz, die Natur. Vielleicht hat Malick dieses Kino heute nur in ein Extrem geführt und vielleicht ist dort auch einfach kein Platz mehr für Menschen.

Badlands



Days of Heaven


The Thin Red Line


The New World


The Tree of Life

To the Wonder



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