Sich einem Mysterium wie Terrence Malick anzunähern, bringt
einige Schwierigkeiten und Gefahren mit sich. Zunächst das Offensichtliche: Da
Malick kaum Interviews gibt und auch sonst um jeden seiner Filme ein großes
Geheimnis gemacht wird (inzwischen gibt es Ausnahmen: How Malick constructed "To the Wonder"), hat man als Autor
eines Textes, der sich mit dem Werk des Regisseurs beschäftigt nicht viele
Anhaltspunkte und noch weniger Sicherheit als üblich. Außerdem fällt auf, dass
je weiter sich ein Kunstschaffender zurückzieht, desto mehr scheinen die
Menschen über die wahre Natur der- oder desjenigen zu wissen; jemand hat dort
gelesen, wie Malick arbeitet, an anderer hat diese Anekdote parat. Oft scheinen
dabei in der Karriere von Malick die langen Pausen zwischen seinen Filmen
interessanter zu sein, als seine Filme. Die meisten Zuseher gehen in Malick
Filme sowieso wegen seiner hochkarätigen Casts. Irgendwo herrscht da noch eine
Künstlerromantik, die auch wunderbar zu den eigenwilligen Filmen passen möchte;
dennoch liegt meiner Meinung nach alles vor, was man braucht, um sich mit dem
Regisseur zu beschäftigen: Ein Kurzfilm und sechs Kinofilme, die er in den
vergangenen 44 Jahren gedreht hat.
Badlands |
Days of Heaven |
Und wenn die klassische Musik erklingt, die von Wagner, über
Haydn bis Orff vieles abdeckt,dann wird man sowieso allen Background
und alle Erwartungen an eventuelle Schauspielensembles vergessen, denn eine
Flut an Bildern wird über den Zuschauer hereinbrechen, wie die Heuschreckenplage
in seinem Days of Heaven. Dabei kann man die Karriere von Malick in zwei
Abschnitte gliedern, die ich hier
1.The way
of nature
2.The way
of grace
nennen möchte. Zum way of nature rechne ich
seine Filme BADLANDS, DAYS OF HEAVEN
und THE THIN RED LINE. Diese
Werke, die in großen Abständen entstanden sind beschäftigen sich mit Gewalt, Plagen, Krieg, Isolation, Liebe und
Einsamkeit. Der Regisseur folgt mehr oder weniger geradlinigen Plots, die sich
nicht zwangsläufig an einzelnen Charakteren orientieren, aber dennoch ein
Identifikationszentrum für den Zuschauer bieten. In diesen Filmen spielt die
Natur, das Leben in der Natur, das Vernichten der Natur und die Rache der Natur
eine große Rolle. In The Thin Red Line kämpfen
sich die Soldaten durch meterhohes Gras; sie dringen nicht nur in eine fremde
Kultur, sondern auch in die Natur ein und zerstören alles, was ihnen in den Weg
kommt. Doch am Himmel kreisen schon die Vögel, die auch die amerikanischen
Soldaten holen kommen werden. Dennoch urteilt Malick nicht, sondern zeigt nur:
Er zeigt wie Menschen ermordet werden in Badlands
und stilisiert seine Bilder in einer romantischen Art mit zwei Liebenden
alleine in der Natur; bei Malick ist alles ein Paradies, selbst die Gewalt.
Sein Stil entfaltet immer dann seine volle Wirkung, wenn die Schönheit von Bild
und Musik auf menschliche Schwächen und Gewalt trifft. Betrug und Mord wie in Days of Heaven werden gegen die malerischen
Sonnenuntergänge von Texas geschossen, das Meer schillert in prächtigen Farben
während ein Kriegskreuzer darauf gleitet in The
Thin Red Line, ja sogar nimmt er sich Zeit für die Schönheit der
Sonnenstrahlen, die durch zerschossene Bäume dringen. Auch in seinem way of grace findet er diese Momente,
etwa auf den erhärteten Gesichtszügen eines Vaters, der sein Kind erziehen
möchte und an der Liebe scheitert in The
Tree of Life oder in einem Betrug an der großen Liebe in To the Wonder, der mit einem Gang in das
gleißende Licht der Sonne endet. Im grausamsten Tod im Krieg liegt immer noch ein Funken Schönheit, aufgrund der Art und Weise wie Malick ihn uns zeigt: Ehrlich.
Badlands |
The Thin Red Line |
In seinem way of nature
folgt Malick einem realistischeren Ansatz. Seine Figuren haben noch den Drang
zu sprechen; ihre Worte verkommen in der Emotion durchaus zu Poesie, aber sie
haben auch das Bedürfnis nach dem Alltäglichen. Es ist auch ein Kino, das sich
Zeit nimmt und seine Bilder erst formt, in den Gesichtern sucht, wie in Adrien
Brodys ängstlicher Mimik in Erwartung des Feindes oder Sissy Spaceks
neugierigem Blick auf den charmanten Unbekannten. Menschen rennen mit Feuer in
die Nacht, um die Heuschrecken zu bekämpfen. Zeit gehorcht hier noch natürlichen Gesetzen. In diesem Kino gibt es noch
Ursache und Wirkung; der Strom von Bildern und Wörtern, die sein späteres Kino
prägen, entsteht nur in Flashbacks
(nennen wir sie besser Erinnerungen) und Träumen, ansonsten folgen die Filme
einer beinahe klassischen Erzählstruktur.
Der way of grace besteht
fast ausschließlich aus solchen unkonventionellen Erzählströmen. Zu ihm zähle ich seine Filme THE NEW WORLD, THE TREE OF LIFE und TO THE
WONDER. Hier beschäftigt er sich mit Liebe, mit der Existenz, dem
Menschlichen, dem Unmenschlichen, dem Vergessen, dem Fremden und den Gesetzen
der Natur. Dabei erscheint alles als Bilderstrom; alles wirkt wie ein ewiger
Prolog in einem lars von Trier Film. Dadurch wird die Beiläufigkeit des Lebens zur Schau gestellt. Einer Hand, die unter das Wasser
greift, wird mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht, als dem Tod eines Menschen.
Assoziativ verbindet Malick Formen und Farben. Dabei gleitet der Regisseur nur
mehr über die Oberfläche seiner Dinge, in den vielen Schnitten lässt er keinen
Blick mehr zu und alles wird zu einem einzigen Wulst an Schönheit und Gnade. Orientierten sich seine frühen Filme an der
Natur und ließen sich durch die Natur gleiten, so steht Malick heute über der
Natur. Selten hat ein Regisseur so effektiv Gott gespielt wie er. Es ist
dennoch ein Rückschritt im Kino des Terrence Malick, denn aus einem
wundervollen und stillen Beobachter ist ein philosophischer Spiritueller
geworden, der seinen Worldview mit jedem Film ein bisschen stärker aufzudrängen
versucht. Statt seiner Charaktere spricht er selbst durch ihre Voice-Over
Gedichte, bevor er sich in romantischen Kitsch versteckt und allen Respekt im Namen
seines Kameramanns Emmanuel Lubezki einheimst. Seine Drehmethoden scheinen
interessanter zu sein, als die Filme. Hat im way of nature die Natur noch eine Rolle gespielt, wird sie heute
nur noch ausgestellt wie bei National Geographic. Wir verdanken die Bilder von
den außergewöhnlichsten Orten der Erde der Gnade eines Regisseurs. Der Screenshot ist wichtiger geworden, als der ganze Film.
The Tree of Life |
To the Wonder |
Das bedeutet
nicht, dass die neueren Filme von Malick nicht auch die Werke eines großen Regisseurs sind. Sie bieten
viel Spielfläche und eine Weltsicht derart kunstvoll zu vermitteln, eine
Sprache derart zu forcieren verlangt gebührenden Respekt. Malick löst die Grenzen
der eigenen Wahrnehmung auf, er verändert den Blick des Zusehers auf die Welt.
Die Kamera fliegt förmlich durch die Umgebungen. Muss man The New World gewissermaßen als Übergang zwischen Natur und Gnade
verstehen, so sind The Tree of Life und
To the Wonder fast schwebende Filme.
Es geht ihm darum die Momente einzufangen, die kleinen Gesten und Taten; dabei
benutzt er seine Frauen in fast schon beängstigender Weise als Musen für die
Kamera; sie flirten und tanzen mit der Kamera, wie der Schmetterling, der auf
Jessica Chastains Arm landet. Schaukeln, Karussells und die Gezeiten sind
logische Bilder in dieser kreisenden Dramaturgie ohne Ende und Anfang, die
dennoch mit der Evolution in Verbindung stehen. Der Plot lenkt nur von der Essenz der Filme ab. Er verteidigt ein streng romantisches
Bild des Lebens und er verteidigt es mit seinen Bildern. Gewissermaßen ist das
Erlebnis eines Malick-Films mit dem inneren Kampf von Javier Bardem in To the wonder oder dem Kampf der
Ehepartner in The Tree of Life zu
vergleichen: Der Regisseur, die Charaktere und die Zuseher sehen so viel
Schönheit und Ungerechtigkeit gleichzeitig, dass sie eigentlich überfordert sind.
Das Harmoniestreben wird nicht unreflektiert wiedergegeben. Dennoch wird die
Gnade über die Natur triumphieren. Ob die Filme daran gewinnen, sei
dahingestellt.
The Tree of Life |
The New World |
Malick macht ein Kino der Elemente. Feuer-Wasser-Luft-Erde spielen die Hauptrollen in seinen Filmen. Es brennt in der Natur und in den Häusern, das Wasser kommt und geht, die Oberfläche zieht Malick magisch an, der Wind und die Luft zum Atmen versetzen gerade seine Protagonistinnen immer wieder in Rauschzustände und die Liebenden suchen immer den Weg zur Erde, das Gras, den Schmutz, die Natur. Vielleicht hat Malick dieses Kino heute nur in ein Extrem geführt und vielleicht ist dort auch einfach kein Platz mehr für Menschen.
Badlands
Days of Heaven
The Thin Red Line
The New World
The Tree of Life
To the Wonder
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