In jedem düsteren Bild von „Les Salauds“ begibt sich Claire
Denis auf die Suche nach einem Hauch von Schönheit. Die Geschichte könnte nicht
grausamer sein und dennoch findet sie Momente der Anmut. Nach einem fatalen
Unfall mit einem völlig zerstörten Auto entscheidet sich die Regisseurin dafür
den Abtransport des Wracks zu zeigen. Der Laster fährt auf der Autobahn und ein
loses Band am Wrack weht im Wind. Das Flattern ist zu hören; ein Moment der
Poesie in Augenblicken der Grausamkeit.
Im versteckten Kern erzählt Denis von einem Mann, der seiner
zerstörten Familie zur Hilfe eilt, als ein sexuell pervertierter Businessmann
sie in den seelischen und finanziellen Bankrott treibt. Aber bei all diesen
Neo-Noir Spielereien, den Rachefantasien und den Fragmenten einer Geschichte,
scheint es im Kino von Claire Denis wie so häufig um etwas anderes zu gehen.
Sie erforscht Körper und deren Abhängigkeit, die elektronischen Klänge drücken
vielleicht am besten aus, wie man sich „Les Salauds“ nähern könnte, nämlich
nicht auf der Suche nach Motiven und Melodien, sondern auf der Suche nach
Rhythmen. Elektronische Beats im Kino, Claire Denis bringt avantgardistische
Formen in ein narratives Kino und vermag daher zu bewegen. Ihre elliptische
Erzählweise treibt den Zuschauer in einen Alptraum. In wunderschönes Licht
getauft, torkelt eine junge Frau, nackt und mit High-Heels über die Straße. Sie
wurde augenscheinlich vergewaltigt. Ein Mann stürzt sich aus dem Fenster. Die
kräftigen Arme von Vincent London stützen sich auf die Bettkante. Jeder Schnitt
in „Les Salauds“ verbirgt etwas. Es sind furchtbar harte Schnitte, die wie
Schüsse auf die Poesie der Bilder einprasseln. Dennoch ist „Les Salauds“ ein
ruhiger Film. Er lässt sich Zeit, studiert die Körper seiner Charaktere oder
besser gesagt die Schatten der Körper, denn ein Großteil des Films spielt sich
in der Dunkelheit ab.
Denis lässt häufig Dialoge aus. Stattdessen schneidet sie auf
die nächste Einstellung. Sie spielt mit der Antizipation des Zuschauers und
entwickelt dadurch eine genuin individuelle Filmsprache, die sich vielleicht
Anleihen bei großen Meistern wie Robert Bresson nimmt, aber immer einen eigenen
Touch behält. Wie in all ihren Filmen zeigt sich auch in „Les Salauds“ eine
große Fähigkeit für kraftvolle Musikeinsätze. Bei einer Autofahrt mit ihrem
Zuhälter schaltet die suizidale Tochter das Frontlicht aus. Sie fährt immer
schneller durch die tiefe Nacht und man ahnt, was kommt. Statt durch Ton und
Bild zu erzählen, wird jedoch die pulsierende Musik immer lauter und steigert
sich eine schier unerträglich lange Zeit bis zum großen Knall, der dann gar
nicht gezeigt wird. Film als Musik. Der Film läuft in einer kaum
chronologischen Kreisbewegung ab. Im Gegensatz zu verdaubaren Fragmentfilmen
wie „21 Grams“ von Alejandro González Iñárritu erschließen sich aus der
Kreisbewegung nicht immer alle Fäden. Es fühlt sich eher an wie ein Gefängnis,
aus dem es kein Entkommen gibt. Mit vielen Schärfenverlagerungen und Details
von Händen und der Haut verstärkt Denis den Effekt des völligen Verlierens
noch. Es ist ein schmerzvoller Film und in der finalen Sequenz schlägt er einem
nochmal mit voller Wucht in die Magengrube, als in absoluter Rauheit die Konsequenz
der sexuellen Perversion vorgeführt wird. Denis gehört zu einer Generation
französischer Filmemacher, wie Bruno Dumont oder Gaspar Noé, die keine Angst
haben zu zeigen statt zu erzählen. Die keine Angst haben Grausamkeit zu zeigen.
Sie demonstriert eindrucksvoll, dass man über Stimmungen weitaus kräftiger
erzählen kann, als über Handlungen.
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