Montag, 15. April 2013

As I was Moving Ahead, Occasionally I saw Brief Glimpses of Beauty von Jonas Mekas


As I was Moving Ahead, Occasionally I saw Brief Glimpses of Beauty” von Jonas Mekas ist laut Angabe seines Filmers (nicht: Filmemachers, Regisseurs) ein politischer Film. Insofern ein politischer Film, weil er einen zutiefst subjektiven Blick auf die Welt wiedergibt und so einen Standpunkt über das Leben vertritt. Und dieser Standpunkt ist im Fall von Mekas die Blickweise eines Romantikers. Das Leben als eine Art verspätete Hippie-Utopie, indem alles von Harmonie und Frieden geprägt wird. So zeigt der Film über fast fünf Stunden größtenteils zufällig aneinandergereihte Bilder der Schönheit, Eindrücke aus einem Leben, das außer einer manchmal anklingenden Einsamkeit frei von Schmerz, Krankheit und Streit zu sein scheint. Doch im Gegensatz etwa zu Terrence Malick und seinen Visionen von Gnade und Natur, entschuldigt sich Mekas schon fast für seinen rosa Blick auf die Welt; er mache eben einen politischen Film und er wisse, dass das Leben nicht für alle Menschen so verlaufen würde.




Mekas ist ein Filmer, dem man der sogenannten Avantgarde-Szene New Yorks zuordnen muss. Narration sucht man also vergeblich, wobei gerade in „As I was moving ahead…“ durch den Voice- Over von Mekas durchaus sowas wie ein roter Faden auftaucht, ein roter Faden des „Nothing“, der immer wieder betont, dass das Leben nur aus Momenten besteht, schönen flüchtigen Blicken der Erinnerung, die beginnen vor Mekas selbst und vor dem Zuseher vorbeizuziehen. Irgendwann beginnt man diesem Duktus zu folgen. Mekas scheint eine genuin dem Film entsprechende Sichtweise auf das Leben zu vertreten, denn wie seine Erinnerung, wie seine Wahrnehmung aus Momenten besteht, wie er betont, dass die Schönheit des Lebens in kurzen Augenblicken auftaucht, so ist das Wesen des Films (zumindest des analogen) ja ähnlich zerstückelt, von kurzen Momenten geprägt. Es ist ein Aufflackern, der Schönheit, das im Moment seiner Existenz schon wieder verschwindet. Beliebig werden die Szenen ohne jede Chronologie aneinandergereiht und es entsteht ein Sog, der derart eindrücklich zeigt wie sich ein Film von „Glimpses“ und „Slices“ ernähren kann, wie das Kino ganz zu sich selbst findet in Fragmenten statt der erzwungenen Ganzheit und Rundheit, die das narrative Kino so oft bestimmen. Im Zufall liegt hier die Subjektivität eines Filmers, der sich treiben lässt statt zu kontrollieren. Inhalt und Form gelangen zu einer perfekten Einheit, denn beides sind nur Fragmente.

Und dann tauchen in dieser großen Collage, der scheinbaren Belanglosigkeiten Musikstücke von Wagner auf und man bekommt ein Gefühl (selbst wenn ich dieses Wort normalerweise zu oft benutze, hier ist es absolut passend) für die Wichtigkeit des Augenblicks, für die Schönheit der Sekunden. Mit einer solchen Weisheit blickt Mekas etwa auf seine Hochzeit, auf ein gemeinsames Essen mit Freunden, auf einen Urlaub mit seiner Frau in Frankreich oder die Geburt seiner Kinder, dass man zweifellos anerkennen muss, dass sich das „Paradise“ in diesem kurzen Aufflackern versteckt. Und mit seinem scheinbar willkürlichen Vorgehen auf der Suche nach der Essenz seines/des Lebens zeigt Mekas, das man mit Film einen profunden Eindruck vom Leben geben kann.

Bei einer derartig langen Laufzeit wird man unweigerlich abschweifen an manchen Stellen. „As I was moving ahead…“ lädt einen förmlich dazu ein über sein eigenes Leben nachzudenken. In seinen selbstreflexiven Statements betont Mekas zwar, dass es sich um seinen Blick auf die Welt handelt, aber gleichzeitig sagt er auch, dass er sich fragt wie viele der Erinnerungen und Eindrücke denen des Zusehers entsprechen. Eine Identifikation mit dem „Nothing“, ein Schwelgen in Erinnerung wird ausgelöst; man verschwindet völlig in einem traumartigen Flimmern, versucht sich über Dinge klarzuwerden und spürt schließlich (wenn man sich auf den Bildersturm einlässt) jene Harmonie, von der jedes Bild so durchzogen ist. Statt affektive Reaktionen auszulösen, ist der ganze Film eine affektive Reaktion. Wenn Michelangelo Antonioni seine Kamera in „Il deserto rosso“ einem gelben Strich an der Wand folgen lässt, dann sucht er dort jene Schönheit, jene Beliebigkeit, die Mekas in seinem Leben gefunden hat. Und diese Bilder laufen so lange an einem vorbei, bis man sie fängt und begreift, dass diese Bilder real sind. Denn im Gegensatz zu Antonioni ist Schönheit und Liebe für Mekas keine Flucht, sondern Film und Leben zugleich.


Wenn man versucht sich an den Film zurückzuerinnern bleiben Fragmente: Ein klarer See im Winter, Rauch aus einem Kamin, die Unschärfe einer roten Blüte, eine Katze schaut aus dem Fenster, ein sich bewegender Vorhang, ein im Wind wehender Grashalm, eine Schlittenfahrt, ein Kind schaut auf die Wellen,…Ein bisschen schäme ich mich über diesen Film zu schreiben. An einer Stelle fordert Mekas den Zuseher etwas sarkastisch auf: „Read my film like the French guys teached you, read it.“ Ich bin weit davon entfernt  wirklich etwas über „As I was moving ahead…“ zu sagen, aber die Tatsache, dass ich selbst jetzt, wenn ich darüber schreibe, Tränen bemerke, die sich in mir bilden, zeigt, dass auch ich Momente der Schönheit bemerkte, als ich mich durch den Film bewegte. Ein Film, der sich in einem bewegt, vielleicht kann man Harmonie nicht besser in einen Film umwandeln.

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