Mittwoch, 28. Dezember 2011
Charaktereinführung
Vor kurzem hatte ich mal wieder die Gelegenheit den fantastischen Gründerfilm der Nouvelle Vague "Les quatre cents coups" (dt. Titel: "Sie küssten und sie schlugen ihn) anzuschauen. Der zur Autobiographie neigende Film von Francois Truffaut ist der erste Film seines Antoine-Doinel Zyklus. Ich kann jedem, der sich auch nur ein bisschen für Film begeistert, raten sich mit Antoine Doinel zu beschäftigen. Es lohnt sich und es ist Filmkunst ohne jemals schwer zugänglich oder wenig unterhaltsam zu sein.
Trailer
Berühmt ist "Les quatre cents coups" unter anderem für sein Ende, welches den Freeze Frame in einer wohl nie erreichten Effektivität benutzt. Aber meiner Meinung nach von mindestens ebenso großem filmischen Wert ist die Charaktereinführung. Nach einem Vorspann, der uns in den Ton und in die Stadt Paris einführt, landen wir in einer Schulklasse. Ein Pin-Up Kalender wandert durch die Reihen während der Lehrer in seine Lektüre versunken ist. Der Zuschauer ist noch völlig haltlos, weiß nicht worauf es hinausläuft. Dann bekommt Antoine Doinel den Kalender. Kritzelt etwas darauf herum. Als er ihn weitergeben will, wird er erwischt und wird bestraft.
Mit dieser einen Szene gelingt es Truffaut also sowohl den Charakter mitsamt seinem Ungehorsam zu offenbaren, also auch das Pech dieses Kindes, welches eigentlich nur eines von vielen ist. Die Willkür des ganzen, die natürlich auch etwas mit dem Elternhaus zu tun hat, aber das Elternhaus ist auch nur eine Autorität. Und der Lehrer bestraft nur wen er erwischt. Ungerechtigkeit des Lebens.
Das beste an dieser Szene ist aber die spielerische Inszenierung, der Ton des Films, der immerzu schreit: KINO! Ich liebe dich.
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