Das zweite Interview zum Thema "Was ist Film" wurde mit dem 23jährigen Markus aus München geführt, der ab Herbst an der Hochschule für Fernsehen und Film München Produktion studieren wird.
Wann warst du zuletzt im Kino?
Fiese Frage. Vor zwei Wochen. Brennende Erde oder Auf brennender Erde. Normalerweise gehe ich einmal pro Woche immer am Montag, aber jetzt hatte ich ein bisschen Stress, deswegen war ich länger nicht.
Wie fandest du den Film?
Also ich bin ja in erster Linie, wegen des Regisseurs reingegangen. (Guillermo Arriaga) Der hat ja die Drehbücher zu 21 Gramm und Babel u.a. geschrieben und mich hat einfach interessiert, inwiefern sich dann sein erster Film als Regisseur seinen Filmen als Drehbuchautor ähnelt. Es gab natürlich schon Ähnlichkeiten und man hat schon bemerkt, dass da der gleiche Autor sitzt, aber insgesamt war er mir zu aufgesetzt und ich war im Endeffekt enttäuscht. Er ist lange nicht so tief gegangen, wie ich mir erhofft habe. Interessant fand ich allerdings, dass sich die zeitlichen Ebenen erst ganz am Schluss offenbaren. Das war handwerklich gut gemacht, da man es erahnt hat, aber nicht sicher wusste. Die Verknüpfung der Geschichten bekam dann doch noch eine größere Bedeutung oder Tragweite.
Informierst du dich über Filme bevor du sie anschaust?
Ja, ich gehe schon sehr zielgerichtet. Ich lese regelmäßig den Filmdienst, ich lese verschiedene Feuilletonsteile. Das Thema muss mich ansprechen, dann interessiert mich ein Film. Ich gehe nicht ins Kino, weil da zum Beispiel Fluch der Karibik läuft und man den sehen „muss“. Ich will erstens Filme sehen, die ich mir vorstellen kann mal selbst zu machen und zweitens selektiere ich aufgrund der Masse an Filmen nach dem Motto: OK, der kommt eh später im Fernsehen, kannst du dir also jetzt sparen.
Was ist dein Lieblingsfilm?
Gute Frage.
Natürlich.
Ja, ich hatte diese Fragen ja gerade bei meiner Bewerbung für die Filmhochschule München zu beantworten. Dort habe ich mich für Im Winter ein Jahr (Caroline Link) entschieden. Zum einen, weil es um ein Thema geht, das sonst wenig Beachtung findet, und wenn, nicht aus dieser Perspektive. Momente der harten Wahrheit und Realität treffen auf eine Welt, die der Zuschauer eher als „locker“ kennt (Kunst, Malerei). Dass ein Maler, der selbst im Leben keinen festen Stand, hat und dann als Künstler, oder besser Therapeut, zum einzigen Freund der Betroffenen wird, das find ich eine interessante Personenkonstellation, rund um die auseinanderfallende Familie. Zudem finde ich Josef Bierbichler als vielleicht schwuler Maler optimal besetzt und auch gespielt.
Was möchtest du mal für Filme machen? Gib uns eine Vorstellung!
Ich könnte jetzt natürlich alles erzählen, aber ich bin Realist genug, dass ich weiß, dass es sich primär nach den Möglichkeiten richtet, die mir zur Verfügung stehen. Ich denke, Man muss einfach verschiedene Stationen durchlaufen in diesem Geschäft. Man fängt mit Kurzfilmen an. Ich weiß zum Beispiel, dass ich, jetzt zumindest, nicht der Typ für Komödien bin, da es unglaublich schwer eine ist gute Komödie zu machen. Ich will Geschichten aus dem Leben erzählen. Realismus ist da ganz wichtig. Ich kann mir momentan nicht vorstellen eine Geschichte zu erfinden, wie zum Beispiel bei Avatar (James Cameron), die dann in einer völlig fremden Welt spielt. Bei einem Film wie Gladiator (Ridley Scott) ist das dann schon wieder etwas anderes, weil er ja gewissermaßen eine Verankerung in der Realität hat. Mich interessieren Personenkonstellationen! Ich will kein reines Kopfkino machen, sondern in der nähe der Realität auch unterhalten. Unterhaltung ist natürlich ein großer Begriff, aber diesen mit Anspruch zu verbinden, das sind die Filme, die ich gern machen will. Aber ich glaube das Denken und die Fähigkeiten ändern sich mit dem Können und der Erfahrung, also einfach mit der Zeit, die man Filme macht.
Warum willst du Filme machen?
Weil es nie aufhören wird, dass Menschen Unterhaltung suchen, brauchen und wollen. Vielleicht sieht Unterhaltung ja ganz anders aus in zehn Jahren, wer weiß schon wie sich Film verändern wird? Aber Unterhaltung wollen die Menschen immer und deshalb wird dieser Beruf nie langweilig. Es ist eine Arbeit, die man mit Leidenschaft und Spaß sein Leben lang machen kann und muss. Und mitten in diesem unbekannten Prozess der nächsten Jahre zu stecken ist einfach toll. Und in letzter Zeit habe ich auch gemerkt, wie sehr es mich begeistert an Stoffen und Themen zu arbeiten.
Ist Film für dich eine Kunstform wie Malerei oder eher Unterhaltung wie am Abend tanzen gehen?
Kunst oder Kommerz wäre die bessere Frage. Film ist Unterhaltung! Aus meiner produzentenlastigen Sicht ist Unterhaltung mein primäres Ziel. Ich finde, die Details und der Kunstaspekt sind was für den Regisseur. Für mich ist der Gang ins Kino immer Unterhaltung und Interesse an einem Thema. Die Gespräche, die nach dem Kino geführt werden, gehen doch meist um die Unterhaltungssicht. Darüber sprechen die Leute.
Es gibt so eine Tendenz im Kino, dass Filme nur noch aufgrund ihrer Themen interessant sind. Keinen interessiert mehr der nackte Film als Kunstwerk, sondern nur das Thema und wie es behandelt wird. Als würde man sich Lieder anhören oder Bilder anschauen und sie immer nur danach untersuchen, wie sie mit dem Thema umgegangen sind.
Das liegt meiner Ansicht nach daran, dass das Thema dir den Zugang zum Film verschafft. Erst das Thema zieht dich in die Welt des Filmes. Wenn man nur beobachtet oder betrachtet kreiert das Distanz. So wie ich das bis jetzt sehe, erlauben Nur Komödien diese Distanz.
Aber ist es jedes Mal notwendig eine emotionale Vorgeschichte im Film zu haben? Muss man denn die Charaktere immer verstehen, um mit ihnen zu fühlen?
Kommt auf die Art von Film an. Bei Komödie glaube ich nicht, das ist Unterhaltung im Sinne von lachen, und bei ernsteren Filmen muss es keine Vorgeschichte sein, aber irgendwo muss dich der Film berühren. Ist es eine Geschichte, die du selbst erlebt hast? Kannst du dich mit einer Figur identifizieren oder verstehst du ihre Welt gar nicht? Beides geht. Bei Die Fremde (Feo Aladag) kann ich das Mädchen nicht verstehen, warum sie die Stadt nicht verlässt, weil ich ihre Welt nicht kenne. Also da gibt’s auch keine direkt Vorgeschichte, aber die Umstände im Film lassen es zu bzw. drängen mich dazu, mit zu fühlen.
Warst du schon mal alleine im Kino?
Ja.
Warum?
Dreimal glaub ich. Einmal als ich umgezogen bin und niemand kannte in meinem neuen Ort. Zuletzt war ich erst in Winter’s Bone. (Debra Granik) Ich finde es interessant alleine ins Kino zu gehen. Man kann sich mehr auf den Film einlassen und wird nicht abgelenkt.
Kannst du dir vorstellen rundum zufrieden mit einem Film von dir zu sein?
Momentan geht es mir so, dass wenn man den Film in seinen einzelnen Aspekten betrachtete denke ich ja, es geht. Wenn man ihn als Gesamtwerk betrachtet wird es eher schwieriger. Mit der Zeit ändert sich das glaube ich und man bekommt auch einen anderen Blick auf eigene Filme.
Glaubst du an den Regisseur als Autor?
Glaube ich schon, ja. Es kommt natürlich darauf an. Leute wie Alejandro Gonzales Inarritu oder Fatih Akin sind natürliche Autoren. Aber bei einem Pro7/Sat1 Event Movie gibt es sowas glaube ich eher weniger. Da geht es darum bestimmte Erwartungen des Zuschauers zu erfüllen. So wie das auch bei Mehrteilern im Kino gemacht wird. Fluch der Karibik ist ja auch eine Serie. Da geht es nicht mehr um den Regisseur als Autor, da bestimmt das Publikum den Film, ganz fies gesagt.
Dürftest du den nächsten Fluch der Karibik Teil produzieren und du hättest zwei Drehbücher auf deinem Tisch liegen: Das eine macht alles wie immer, ist nicht schlecht, aber auch nicht gut und das andere ist ein überragendes Buch, das dich total anspricht und mitnimmt, für welches würdest du dich entscheiden?
Genau das macht den Job ja so interessant. Man muss einfach ständig abwägen, kalkulieren. Wenn man gerne was mit Geld macht, ist das ein Traum. Man kann BWL studieren oder Produzent machen. Zu deiner Frage: Das ist jetzt natürlich schwer zu sagen, es kommt immer auf die Bücher an. Man muss sich an so viele Situationen anpassen. Es gäbe zum Beispiel die Möglichkeit, das bessere Drehbuch, das ja deutlich mehr Risiko für mich hat mit billigeren Mitteln zu verfilmen. Wenn die Geschichte wirklich so gut ist, findet man einen Weg sie zu verfilmen.
Wie findest du Til Schweiger?
Bewundernswert. Es ist zwar nicht meine Art Film, die er da macht, aber irgendwie mag ich sie doch. Sie versprühen eine gewisse Leichtigkeit und sind immer recht lustig, was man sich halt so erwartet. Er hat sich eine unheimliche Erfolgsbasis geschaffen und hat die völlige künstlerische Freiheit und Kontrolle. Ist doch toll für ihn, und Geld verdient er auch.
Hast du schon mal bei einem Film weinen müssen?
So richtig weinen musste ich noch nie. Ergriffen wurde ich natürlich, aber weinen musste ich nie.
Was ist dein nächster Kinofilm?
Joschka und Herr Fischer. Mich interessiert einfach wie man ein Interview visuell ansprechend umsetzen kann. Dann interessieren mich noch Source Code und Morgen das Leben.
Was würdest du zu Jemanden sagen, der dir sagt, dass im Winter ein Jahr esoterisches, gefühlsdusseliges Kino ist, mit völlig überzogener Dramatik und einem furchtbar kitschigen Look, der nur darauf aus ist bei seinem Publikum Mitgefühl zu wecken und auf die Tränendrüse drückt, wo immer es möglich ist.
Dann soll er sich halt einen anderen Film ansehen.
Anmerkung:
Auffällig ist, dass der Interviewte aus dem Gebiet kommt, in dem der Film spielt. Ist es so, dass uns Filme mehr ansprechen, wenn wir uns lokal oder gesellschaftlich in Ihnen wiederfinden. Oder ganz dumm gefragt: Hätte ein Geheimagent mehr Spaß an James Bond, als wir?
Die Frage nach einer Identifikation mit einem Film durch eine gesellschaftliche oder örtliche Spiegelung ist lediglich die Erweiterung der bekannten Frage "Kann sich der Zuschauer mit den Protagonisten identifizieren?"
AntwortenLöschenFilme und Serien haben einen signifikant höheren Zuschaueranteil in den Orten, in denen sie gedreht wurden, auch ein Grund warum so viel in New York und L.A. gedreht wird.
Eine Tatsache, die doch grausam langweilt? Immer die selben Städte, immer diesselben Geschichten. Das schlimme ist, finde ich, dass Identifikation heutzutage zu oft auf Sympathie beruht. Dabei ist es doch genauso verblüffend, seine eigenen Abgründe auf der Leinwand zu finden.
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