Sonntag, 2. März 2014

Kino der Orte



Text: Rainer Kienböck

Meine Streifzüge durch die Wiener Kinolandschaft führten mich diese Woche in ein Co-Working-Space (einer dieser fancy Orte, wo man als Graphic Designer oder App-Programmierer einen Arbeitsplatz mieten kann, um sich dann in Wohnzimmeratmosphäre mit gleichgesinnten Hipstern seinem Tagewerk zu frönen) in Hütteldorf (einem Stadtteil Wiens, der sich, gelinde gesagt, weg vom Schuss befindet).
© St. Balbach Art Produktion 2014

Dort veranstaltete das Filmarchiv Austria (filmarchiv.at) ein Filmscreening im Rahmen ihres „Kino der Orte“-Projekts. Anders als in den vergangenen beiden Jahren, als Orte aufgesucht wurden, an denen man Kino normalerweise nicht vermuten würde, werden diese Jahr sieben ehemalige Spielstätten, die nunmehr als Sex-Kinos, Schuhgeschäfte oder eben Büros dienen, wieder für zwei Abende bespielt. In meinem Fall handelte es sich um das frühere Kino Baumgarten (auch Baumgartner Bio-Theater und Baumgartner Lichtspiele). Vom ehemaligen Kinosaal ist nicht mehr viel zu erkennen – kaum vorstellbar, dass hier vor 60 Jahren 574 Kinogänger Platz fanden. Das Kino schloss 1966, einzig die Balkone zu beider Seiten des Saals sind noch aus dieser Zeit erhalten. Behelfsmäßig hat man Lautsprecher aufgestellt – Büro- und Gartensessel dienen als Bestuhlung – auch Kassa und Barbetrieb sind improvisiert.

In dieser hippen Umgebung wird Giuseppe Tornatores „L’Uomo delle Stelle“ aufgeführt, ein Film, der sich mit dem Filmemachen auseinandersetzt – wie so viele Filme in der Reihe. Die Kuratoren der Programmreihe, Thomas Ballhausen (der mir danach noch Rede und Antwort stand) und Karin Moser, haben bewusst Filme ausgewählt, die sich mit dem Kino auseinandersetzen. Der erste „Ort des Kinos“, das ehemalige Eos-Kino auf der Landstraßer Haupstraße wurde mit Tornatores „Nuovo Cinema Paradiso“ wieder zum Leben erweckt. Im Baumgartner Bio-Theater konnte man diese Woche noch Woody Allens „Purple Rose of Cairo“ sehen.

Diese Thematisierung des Kinoraums, das Zurückweisen einer rein inhaltlichen Diskussion von Film und Kino imponiert und gefällt mir – das gebe ich offen zu. Als Wermutstropfen bleibt, dass der Film in deutscher Fassung, in digitaler Version gezeigt wurde – eigentlich ein Sakrileg diese heiligen Hallen so zu bespielen, doch der praktischen Umsetzbarkeit geschuldet. Gerade ein Film wie „L’Uomo delle Stelle“, der so stark die filmische Materialität behandelt, bleibt aber ein fader Beigeschmack. Ich verstehe die Entscheidung – anhand der herrschenden Lichtverhältnisse und ohne Projektionskabine und anderen technischen und räumlichen Einschränkungen wäre ein analoges Bespielen wohl unmöglich gewesen, die deutsche Fassung zu zeigen war trotzdem ein Affront – meine einzige Erklärung dafür ist die Demographie des Publikums. 
© St. Balbach Art Produktion 2014

Den gezeigten Film will ich eigentlich gar nicht näher besprechen, nur so viel: Ich hätte Tornatore solch ein grimmiges Ende gar nicht zugetraut. Thematisch passte der Film, wie gesagt, ausgezeichnet ins Programm: Es geht um einen Betrüger, der sich als Talentscout einer Produktionsfirma ausgibt und ein sizilianisches Dorf nach dem anderen abzockt, in dem er den Bewohnern Ruhm und Geld verspricht und sie für Probeaufnahmen bezahlen lässt. Der Traum der Filmkarriere im Filmtraum, der im Trauma endet.

Aber nicht nur thematisch war der Film eine gelungene Wahl. Bei solchen Programmen ist auch das Publikum in Betracht zu ziehen. Dieses war alt genug um die letzte Vorstellung im ursprünglichen Theater noch miterleben hätte können und tatsächlich habe ich am Eingang einer älteren Dame zugehört, die angab als Kind mit ihrer Mutter in diesem Kino gewesen zu sein – ihre Gesprächspartnerin war eine geschätzte Endzwanzigerin, die in dem Co-Working-Space arbeitet.

Damit erfüllt das Projekt auch seine Funktion als sozialer Raum, der unterschiedliche Menschen zusammenbringt. Auch das ist laut Thomas Ballhausen ein Beweggrund für die Initiative – dem Kino seine zentrale, soziale Rolle der vergangenen Jahrzehnte zurückzugeben. Das Kino soll als ambulante Form und als Ort thematisiert werden und ein historischer Diskurs soll entstehen und der inhaltlichen Fixierung, der cinephile Kreise so starke prägt, etwas entgegenwirken.
© St. Balbach Art Produktion 2014
Alles in allem, trotz schwieriger Rahmenbedingungen eine schöne Sache und durchaus empfehlenswert. Eine Mischung aus nostalgischer Ehrfurcht und hippem Lifestylegefühlt machen das Projekt zu einer tollen Erfahrung, wenn auch mit Einschränkungen der Vorführqualität verbunden.

Für Interessierte habe ich hier das weitere Programm aufgelistet:

Kino der Orte 3: Fortuna Kino

26.3. „Dèmoni“ von Lamberto Bava (Vorfilm: „Lumière: Premonition Following an Evil Deed“ von David Lynch)

27.3. „Berberian Sound Studio“ von Peter Strickland

Kino der Orte 4:  Kaiserappartments in der Hofburg

9. und 10.4. Kurzfilmprogramm mit Filmen der Société Lumière und Besichtigung der Kaiserappartments

Kino der Orte 5: Metro Kino (das sich gerade im Umbau befindet)

25.4. Kurzfilmprogramm von österreichischen Filmzeugnissen der 1910er Jahre

26.4. „Phönix an der Ecke“ von Peter Patzak

27.4. „Himmel oder Hölle“ von Wolfgang Murnberger (Vorfilm: „Carmen“ von Anja Salomonowitz)

Kino der Orte 6: Phönix Kino

21.5. „Prix de Beauté“ von Augusto Genina (Vorfilm: „Die Filmprimadonna“ mit Asta Nielsen)

22.5. „Sunset Blvd.“ von Billy Wilder

Kino der Orte 7: Camera Kino (Währinger Bürgertheater)

25.6. „The Last Picture Show“ von Peter Bogdanovich

26.6. Kurzfilme von D.W. Griffith, Gustav Trautschold, Buster Keaton und Guy Maddin

1 Kommentar:

  1. Hab noch nicht ganz durchschaut, worum's hier geht, aber ich glaube, das ist eine gute Sache! Wir veranstalten Ende März (29.03.) eine Filmnacht in der Manege! Buffet, Popcorn, viele Kurzfilme, Kinoatmosphäre und gute Laune!
    Ich dachte, das passt dir vielleicht ins Konzept! Wenn nicht - betrachtet diesen Beitrag bitte als nichtig.
    glg,,

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