Am Dienstag
war Peter Kubelkas zyklisches Programm im Österreichischen Filmmuseum wieder
einmal bei Programmnummer 6 angekommen. Dieses Programm ist ein ganz
besonderes, beinhaltet es doch Leni Riefenstahls „Triumph des Willens“, dessen
Vorführung in Österreich eigentlich verboten ist. Da der Film nur in einem
pädagogischen Kontext gezeigt werden darf, wird vorab Jack Smiths „Flaming
Creatures“ gezeigt. In Retrospektive muss ich sagen: „Flaming Creatures“ ist
der vulgärere, obszönere und schockierendere Film.
Triumph des Willens |
Ähnlich wie
„Triumph des Willens“, musste auch „Flaming Creatures“ über die Jahrzehnte mit
der Zensur kämpfen – aus ganz anderen Gründen natürlich. „Flaming Creatures“
wirkt improvisiert und billig. Die Aufnahmequalität ist furchtbar, die
Kameraführung teils dilettantisch. Der Film spricht in seiner Primitivität die
bestialische Seite des Zusehers an. Wie die Körper auf der Leinwand, windet
sich auch der Blick des Publikums. Eine verworrene Masse an Genitalien,
opulenten Kostümen und androgynen Körper wird vom Kameraauge eingefangen. Alles
ist mehrdeutig und unrein.
„Triumph des
Willens“ ist ästhetisch das genaue Gegenteil davon. Riefenstahl operierte mit
immensem Aufwand (achtzehn Kameramänner) und klinischer Präzision. Stramme
Körper marschieren in faltenfreien Uniformen unter der Nürnberger Sonne. Und
dann spricht der Führer von DEUTSCHLAND und dem DEUTSCHEN VOLK. In seiner
Eindeutigkeit wirkt der Film fast schon wie eine Parodie seiner selbst. Für den
heutigen Zuseher mag die latente Homoerotik und die exerzierenden Spatenmänner
der Organisation Todt ironisch belustigend wirken – dennoch: dieser Film ist
gefährlich. Dieser Film ist nicht nur ein Film, sondern in aller erster Linie
ein Symbol.
„Triumph des
Willens“ ist nicht wie „Flaming Creatures“ wegen seines Inhalts
provokant-problematisch. Die deutsche Herrenrasse feiert sich selbst, aber
gefährliche Ideologien werden auch von anderen Filmen verbreitet. Man denke nur
an die sowjetischen Regisseure der 20er und 30er Jahre, die sich weitaus
expliziter gegen den (Klassen-) Feind wenden, als es Riefenstahl tut. Man denke
nur an Buñuels wilde Pamphlete gegen Staat, Bourgeoisie und Kirche. Man denke
nur an die Darstellung von ethnischen Minderheiten in US-Filmen (Looking at
you, D.W.!). Sie alle wenden sich aggressiv gegen etwas, wohingegen „Triumph
des Willens“ in erster für die Verherrlichung des Nationalsozialismus eintritt.
Die Krux an der Sache ist natürlich, dass sich nicht genau trennen lässt, wo
das Implizite beginnt. Kann ich Hitler sehen, ohne auch Auschwitz zu sehen?
Flaming Creatures |
Gerade im
deutschsprachigen Raum muss man sich dieser Frage stellen. In Kambodscha mag
ein Film über die Rote Khmer mehr aufregen und schockieren. Hier, in
Westeuropa, ist der Nationalsozialismus synonym für das pure Böse. So
pathetisch das klingen mag – diese Auffassung kommt nicht von ungefähr. Wie der
Kambodscha-Vergleich zeigt ist „Triumph des Willens“ nicht intrinsisch „böse“
(moralisch verwerflich, unethisch, gefährlich,…), aber im „richtigen“
historisch-sozio-kulturellen Rahmen ist er es. In Österreich und Deutschland
ist er es.
Deshalb ist
es durchaus nachvollziehbar den Zugang zu diesem Film nur bedingt freizugeben,
auch wenn es mir etwas überzogen erscheint den Film tatsächlich mit
Aufführungsverbot zu belegen wie das in Österreich der Fall ist – also ihn
quasi zu zensurieren. Eine Demokratie aufgeklärter Bürger sollte einen solchen
Film verkraften können – sollte. Die Bürger Westeuropas sind allerdings nicht
aufgeklärt (genug). Ein paternalistischer Eingriff von Vater Staat ist nötig,
solange noch Irre herumlaufen, die „Triumph des Willens“ als Zeugnis einer
besseren Zeit verstehen und ihren Führer einmal auf der großen Leinwand
bestaunen wollen. Andererseits ist es natürlich problematisch den vielen
reflexionsfähigen Bürgern ein künstlerisch spannendes Werk vorzuenthalten. Denn
Riefenstahl ist ohne Zweifel ein großes Talent mit der Kamera. Gerade wenn es
gilt Körper in Szene zu setzen und monumental zu werden zeigt sich ihr volles
Geschick. Dramaturgisch ist dieses Schaulaufen allerdings weniger gelungen,
weshalb ich bezweifle, dass „Triumph des Willens“ zur Faschismus-Missionsarbeit
taugt (genauso wenig wie der Anselm’sche Gottesbeweis einen Agnostiker
überzeugen wird können) – da waren und sind die kommunistischen Propagandafilme
weitaus überzeugender (nach Santiago Álvarez stimme ich gerne Die
Internationale an).
So weit, so
gut. Aber ist nun der Filmprojektor oder der Filmstreifen das Teufelszeug das
von der Masse ferngehalten werden muss? Klar, eine Filmprojektion kommt nicht
ohne Filmstreifen aus – aber die winzig kleinen Bildkader eines Filmstreifens
sind weder repräsentativ, noch weiß der Großteil der Menschen (gerade in der
heutigen Zeit) viel damit anzufangen. Nicht einmal der größte Fanatiker wird
versuchen Bildkader für Bildkader, Filmrolle für Filmrolle nach Hakenkreuzen
untersuchen, denen er sich dann in Andacht widmen kann. Somit sollte der Besitz
einer solchen Filmrolle doch bedenkenlos möglich sein – denn im
republikanischen Staat verurteilt man nicht aufgrund von Potenzen, andererseits
ist auch der Besitz einer solchen Filmrolle ein Symbol. Genauso wie bei der
Vorführung könnte man auch hier mit Signalwirkung argumentieren.
Triumph des Willens |
Ich will
hier keine Ontologie des Filmstreifens aufstellen. Es geht mir rein um die
Ambiguität zwischen der Materialität des Bildstreifens und dem Schattenbild,
welches es mittels Projektor zum Leben bringen kann. In der digitalen Ära wird
diese Frage noch diffiziler: „besitzt“ man die Datenströme auf einer
Festplatte? Juristisch ist diese Frage recht einfach zu beantworten – wer z.B.
Kinderpornos auf seiner Festplatte hortet, der macht sich (zumindest nach
österreichischem Recht) strafbar. Ethisch ist es weniger eindeutig – und ich
zweifle, dass sie es jemals sein wird. Wie so viele philosophische Fragen geht
es auch bei der Frage nach dem Verhältnis zwischen narrativem Inhalt und
materieller Substanz eines Films um ein ständiges Neu-Ausverhandeln, um eine
kontinuierliche Auseinandersetzung und individuelle, situationsabhängige
Evaluation.
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