Arnaud
Desplechin hat einmal gesagt, dass es für ihn im Kino immer um das Spiel und
das Spielen gehen. David O. Russell hat nun in einem eleganten und fantastisch
aussehenden Kinofilm exakt jenes Spiel auf eine Spitze getrieben. In „American
Hustle“ geht es um ein Spiel mit Identitäten, Lügen und Darstellungen, das aus
allen Poren der Inszenierung eines Regisseurs kriecht, der seit einigen Filmen
nur noch Jazz zu spielen scheint, ein Duke Ellington des amerikanischen Kinos,
der seinen eigenen Fake mit dem Inhalt übereinstimmt und damit ein wuchtiges
Stück Unterhaltungskino schafft.
Basierend
auf einer wahren FBI-Ermittlung Ende der 70er Jahre entfaltet sich eine lässige
Story rund um die beiden Betrüger Irving Rosenfeld (Christian Bale) und Sydney
Prosser (Amy Adams), die auffliegen und in der Folge zusammen mit FBI-Agent
Richie DiMaso (Bradley Cooper) zusammenarbeiten. Doch wer den Film in Erwartung
einer raffinierten Geschichte im Stil eines „Argo“ von Ben Affleck oder eines „Ocean’s
Eleven“ von Steven Soderbergh ansieht, der wird enttäuscht werden, denn David
O. Russell schwebt von Anfang an auf einem anderen Planeten.
Von der ersten Einstellung an ist dieser Film eine Ode an die Verspieltheit des Kinos, an die Kraft des Schauspiels und die Täuschung, die damit einhergeht. Irving präpariert sein Toupet, es ist ein Blick hinter die Kulissen, wie so vieles in diesem Film. Völlig losgelöst und improvisiert wirken die Szenen und die plötzlichen Wechsel im Verhalten der Schauspieler, die immer genau für das von O.Russell verwendet werden, für das er sie gerade braucht und sich dann wieder völlig verändern können. Ein Chamäleon von einem Film zwischen einer absoluten Hysterie und einer völligen Gleichgültigkeit pendelnd.
Alles ist
falsch in dieser Welt. Das betrifft zum einen den Inhalt, der sich mit
Täuschung, der Sucht nach Nagellackdüften und gefälschten Akzenten beschäftigt,
wie für die Inszenierung selbst, die das amerikanische Kino von Scorsese, über
Tarantino bis zu P.T. Anderson durch dekliniert, als wäre es ein Basiswort.
Voice-Over Switches, Zoom, harter Schnitt, Blende, wilde Fahrten, noch wildere
Musikwechsel, alles ist möglich und O.Russell wirft den Zuschauer auf den
Genuss am Film zurück und statt damit lediglich über fehlenden Inhalt hinweg zu
blenden, macht er diese Spielereien zum Inhalt selbst.
Damit kommt
er zwar lange nicht an den unmittelbaren Effekt seines Vorbilds Scorsese und
dessen „Wolf of Wall Street“ ran, denn dieser ist einfach eine zeitgemäßere,
radikalere Komödie, jedoch vermeidet er auch dessen Albernheiten und fehlendes
Rhythmusgefühl und widmet sich mehr einer formellen Eleganz, die inmitten all
dieser Verspieltheit lauert. O.Russell surft auf der amerikanischen
Filmgeschichte wie ein Mensch, dem es egal ist. Und das ist wunderbar.
Dabei geht es nicht um eine hundertste Tarantino- oder Scorsese-Kopie, auch wenn manche Einstellung diesen Gedanken evoziert, sondern um etwas völlig anderes. O.Russell macht eine Art Meta-Film über eine gewisse Form des amerikanischen Films, die eben von jenen Regisseuren praktiziert wird. Wenn er klaut und täuscht, ist das keine Einfallslosigkeit sondern eben Teil des Wesens des Films. Und es ist ein Film über das Schauspiel.
Am meisten
hilft ihm dabei-und das ist etwas, dass O.Russell nach „The Fighter“ und „Silver
Linings“ nun endgültig in Vollkommenheit zu beherrschen scheint- sein Cast, den
er wahrlich von der Leine lässt. Christian Bale als übergewichtiger Betrüger
zwischen Macht und Ohnmacht ist ein Pulverfass der Emotionen, das im richtigen
Moment die entscheidenden Schritte kürzer treten kann. Amy Adams ist ein wahres
Wunder (mal wieder). Sie schafft mühelos Härte und Abhängigkeit, Erotik und
Abwertung zu verknüpfen und der Sexismus, dem sie ausgeliefert scheint, ist ein
Sexismus, der sich in sein Gegenteil verkehrt, wenn man sieht, welche Macht sie
damit ausübt. Sex wäre aber sowieso zu echt für „American Hustle“. In den
billigsten Momenten scheint bei ihr plötzlich die größte Verletzlichkeit durch
und in den emotionalsten Augenblicken lässt sie einen Kälte und Falschheit
spüren.
Bradley
Cooper und Jennifer Lawrence hat O. Russell ja in den letzten Jahren absolut
mitgeprägt und er führt beide im Verkleidungsspiel auf einen neuen
schauspielerischen Höhepunkt, denn im tragischen Irrsinn, indem die absurden
Einfälle des Drehbuchs von Zeit zu Zeit führen, fühlen sich die beiden
scheinbar völlig wohl. Das hohe Tempo ist eines, das OneLiner provoziert, aber
O.Russell fordert diese OneLiner in Wiederholungen und Variationen, die selbst
diese Inszenierungsstrategie zu einem Spiel werden lassen.
Selten waren
Maske und Kostüm durchgehend auf einem so extravagant hohem Level, denn hier
werden weder nur Karikaturen erzeugt, noch wird lediglich eine Zeit zum Leben
erweckt, sondern immer beides zugleich, denn natürlich fühlen sich vor allem
diese beiden Departments von jenen Identitätstäuschungen und Spielen
angesprochen. Man muss sich einlassen auf die pure Freude am Schauspiel, um den
Film zu lieben und manchem mag das zu wenig sein. Dann würde aber nicht nur
Desplechin sagen, dass man etwas am Kino nicht verstanden hat. O. Russell
jedenfalls hat einen Film gemacht bei dem sich mehr reimt als sein Name auf den
Titel.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen