Donnerstag, 23. Januar 2014

Filmende



Das Ende ist mein Ende. Grelles Licht tauscht sich aus gegen Dunkelheit, ein Moment der Leere, der mich in meiner völligen Verwirrung, in meinem Enthusiasmus, in meinem Wohlgefühl alleine lässt. Eigentlich ist es aber das Licht, das zunächst verschwindet und die Dunkelheit, die kommt. Das Filmende ist mein Ende. Es ist ein Punkt. Manche setzen ihn, um einen Raum fürs Nachdenken zu geben. Eine Strategie des modernen Kinos. Pedro Costa spielt Musik. Das bedrückende Schwarz, das sich setzen muss. Das Ende ist ein Rahmen. Es zeichnet den Film als Film aus. Hollywood spielt mir das Ende oft in einer Euphorie zu. Ich sehe es schon kommen, wie ich Melodien im Radio erkenne. Ein Kranschuss, eine seltsam lange Einstellung , eine zufallende Tür. Ja, Dreyer und Coppola haben mir die Tür in sich Gesicht sinken lassen. Diese eine Sekunde, wenn es passiert. Das Ende beendet es. Aber der Ton mag weitergehen. Man hört noch Töne, ja. Apichatpong Weerasethakul und seine Natur dringen noch immer blissfully in meine Ohren, wenn meine Augen schon erblinden mussten. Es ist eine Methode jener Realisten des modernen Kinos, die damit den Übergang zwischen Filmrealismus und jenem anderen Realismus verschleiern. Oft setzen sie eine völlige Stille, eine Betroffenheit auf ihre Dunkelheit. Manchmal scheint das Ende schon vor dem Ende zu beginnen. Kiarostami macht es. Da beginnt die Musik zwischen den Olivenhainen schon im Abspannsmodus zu erklingen. Und Puiu. Puiu muss uns am Ende beschäftigen. Puiu sollte uns überhaupt mehr beschäftigen Er geht einfach raus und spielt fröhliche Musik in „Aurora“. Aber Puiu kann mehr. Am Ende.  


Andere blenden den Film aus. Sie lassen ihn Verschwinden als würde ein Traum beginnen. Dumont hat das gemacht. In „Flandres“ hat er es so beendet und mit den Worten „Je t’aime“. Von Trier macht es in „Antichrist“.  Bergman hat es gemacht. Tarkowski fährt durch die schwarzen Stämme der Bäume in ein unendliches schwarz. Das Ende ist ein warmer Schauer über meinen Rücken. Ich kann mich daran auch verbrennen. Das harte Ende ist ein Schuss in meine Augen, einer der größten Schocks, die ich im Kino finden kann. Die Dardennes machen es in „Le fils“. Die Welt scheint weiterzugehen, aber ich werde ausgeschlossen. Als wäre der Akku des Films leer. Truffaut hat das Bild gestoppt. Es war ein Blick in die Zukunft. So war es auch bei Paul Thomas Anderson in „Magnolia“. Ein Wechsel in der letzten Sekunde, eine neue Richtung. Das Ende ist mein Neubeginn. Fatih Akin lässt mich am Meer einfach weiterwarten. Sein Ende wartet auf der anderen Seite. Ich spüre noch den Atem des Films und hoffe, dass die Dunkelheit nicht endet. Deshalb vergesse ich das Ende. Das Ende ist das Ende meiner Erinnerung. Ich vermag mich an letzte Szenen zu erinnern, aber die wahrlich letzten Sekunden zwischen Bild und Abspann, zwischen Licht und Dunkelheit, zwischen dem Verlust und dem Spüren meines Körpers gehen verloren im Überschwang des Endes. Es hat nach einigen Sekunden die gleiche Wirkung wie nach mehreren Stunden. Ich bin süchtig nach dem Ende. Ich will so viele wie möglich erleben. Früher hat man das Ende hingeschrieben. Man hat es hingeschrieben. Es gab keine Abspänne, es gab nur ein Ende. "Fin", "The End". Manchmal ist das Ende weiß. Manchmal laufen Figuren aus dem Bild, manchmal laufen sie von mir weg. „No“ haucht sie bei Rivette in „La belle noiseuse“ und verschwindet. Aus. Filme sind gezwungen ihre eigene Vergänglichkeit anzuerkennen und ich gleich mit ihnen. Andere schauen mich an am Ende. Auch bei Kubrick. Aber Puiu. Man muss über Puiu sprechen. In seinem „Moartea domnului Lăzărescu“ ist der letzter Frame ein letzter Atemstoß, sein Ende ist das wahrliche Ende und dennoch ist es unsicher. Es ist als würde der Film seinen Atem aushauchen, den er zuvor in einem filmischen Wahnsinn auf höchsten Ebenen hat ausstoßen müssen. Puiu macht das Bild nicht schwarz, er macht es sauber. Das Ende ist eine Reinigung. Deshalb ist da auch oft ein Meer. Bei Fellini. Bei Angelopoulos. Bei Visconti. Eigentlich bei allen. Reygadas lässt das Licht natürlich verschwinden. Er gleicht sich  dem Tagesrhythmus an. Er macht das Ende zu einem letzten Schrei des stillen Lichts. Am Ende ist dann nichts mehr außer dem Gefühl und den Gedanken.

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