Heute fand die große Österreichpremiere von Götz Spielmanns „Oktober
November“ statt. Das Gartenbaukino war zu großen Teilen mit Mitarbeitern,
Freunden und Sponsoren des Films gefüllt, mit seiner rauchigen Stimme
leitete Spielmann zusammen mit Hans Hurch die Veranstaltung ein und am Ende
gaben sich neben Spielmann selbst auch Teile des Casts und der Crew die Ehre,
um sich vor der Leinwand selbst zu beglückwünschen. Sicherlich ein schöner und gerechtfertigter
Moment für einen Film, der trotzdem nicht zu den besten seines Machers gehört.
Spielmann erzählt ähnlich wie sein Kollege Haneke vor ihm vom Sterben,
allerdings taucht er das Ganze nicht in ein enggeschnürtes und konsequentes
Kammerspiel wie es bei „Amour“ der Fall war, sondern folgt einer fast schon
fernsehartigen Dramaturgie mit Familie, Geschwistern, melodramatischen Betrug
mit dem Landarzt und dem zynischen, sterbenden Vater. Alles ist ganz klar und
ausgewogen bei Spielmann. Wo bei „Antares-Studien der Liebe“ und „Revanche“
Ecken herausstanden, wurde jetzt fein säuberlich abgeschliffen. Alles ist hier
durchdacht und dabei ist Spielmann immer dann gut, wenn nichts gesagt wird und
meistens dann schlecht, wenn gesprochen wird. Sein Ensemble, das sich zum Teil
auch wirklich benimmt wie ein Theaterensemble (es fehlt nur das Spotlight im
entscheidenden Moment, den jeder bekommt „ihre/seine“ Szene; ganz schlimm
)erzählt die Geschichte eigentlich mit den Gesichtern. Sobald sie sprechen,
verliert sich die Magie, die Spielmann auch ansonsten nur dann zum Vorschein
bringen vermag, wenn er räumlich entfernte Menschen und Objekte in Verbindung
setzt. In einer wahrhaft grandiosen Sequenz bricht der Vater am Boden zusammen
und die Kamera verlässt fast wie in einer moderneren Version von „Professione:
reporter“ den Körper der Figur, schwebt wie ein Geist über dem Geschehen,
während gleichzeitig die zweite Tochter im Bad zu sehen ist und ein Fisch auf
einem Stein gestrandet ums Überleben kämpft. Dieses Motiv wird sowohl im Dialog
als auch im Bild weiter verfolgt und ist sicherlich der Höhepunkt eines
Heimat-Melodrams der Marke Spielmann. Leider hält der Film diese Kraft nicht
immer, verliert sich manchmal in arg konstruierten Subplots und gewolltem
Humor. Anders formuliert: Die totale Kontrolle, die Spielmann nicht nur über
seinen Film, sondern auch über das Publikum zu haben scheint, ist zwar bewundernswert,
hindert den Film aber an wahrer Größe, denn schließlich fühlt man sich immer
wie in einem Film und nie wie im Leben.
Viel schlimmer misslang Kelly Reichardts „Night Moves“. Zu
sehen ist eine Regisseurin, die mit Bildern, Rhythmus und einer totalen Verweigerung
des Schauspiels versucht gegen ein völlig danebengegangenes
Öko-Thriller-Schuldkomplexe-Drama-Drehbuch anzukämpfen. Was will man hier
erzählen? Die Naivität von Terrorismus? Die Unbedachtheit der Protagonisten?
Die Wirkungslosigkeit? Garniert wird das
Ganze mit hoffnungslos platten symbolischen Bildern, wie einem Reh, das tot am
Straßenrand liegt, aber noch ein lebendes Kind in sich trägt. Ja, wenn man eine
Sache tötet muss man aufpassen nicht noch eine andere mitzureißen. Zwar holt
Reichardt alles aus Jesse Eisenberg und Dakota Fanning raus, aber der Fehler
liegt schon im Casting selbst. Eisenberg spielt alles als Nerd. Und Fanning
soll eine Mischung aus Michelle Williams und der Jennifer Lawrence aus „Winter’s
Bone“ sein, die sich am Ende dann aber doch als Dakota Fanning entpuppt. Was
dabei fehlt, ist eine nachvollziehbare Tendenz zu einer solchen Tat. Aktivität
und Lebendigkeit hätte einem der Protagonisten sicherlich gut zu Gesicht
gestanden. Der Film sieht gut aus und fühlt sich insbesondere in der ersten
Hälfte auch gut an. Retten tut ihn das nicht. Die Neuentdeckung eines Genres verlief in "Meek's Cutoff" noch deutlich konsequenter und die Emotionalität traf einen in "Wendy and Lucy" weitaus unmittelbarer.
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