Manchmal-und das ist ihre große Stärke-inszeniert Kathryn
Bigelow diesen Film über die letztlich erfolgreiche Jagd eines Terroristen so,
als wäre sie selbst dabei gewesen. Fast beiläufig geht es dabei um mechanische
Abläufe, Funktionen und das Unterdrücken von Emotionen in einer krampfhaften
Professionalität. In diesen Momenten spürt man den Druck auf die Psyche und die
Bedeutung der Operation. Jessica Chastain spielt in diesem Szenario eine Frau,
die ihr Leben einem Sterben widmet, auf der Jagd nach Osama Bin Laden. Sie
beginnt professionell, aber zurückhaltend, bis sie sich völlig in der Arbeit
verliert. Sie hört auf ein Leben zu führen (nicht, dass man weißt, ob sie vorher eines hatte). Dann zeigt Bigelow ihre Kollegen,
meist müde Männer, die hart agieren, aber in ihrem Kern zerbrochen sind an den Methoden
und an einem innerpolitischen Druck, der vor allem dadurch zu Stande kommt,
dass die Charaktere sich ihm bewusst sind ohne, dass er explizit ausgesprochen
wird. Da gibt es Soldaten, die sie zwischen Angst, Galgenhumor, Freundschaft,
Wahnsinn und Professionalität beleuchtet, ganz wie in ihrem „The Hurt Locker“.
Bigelow scheint in diesen Teilen des Films eine Realität zu durchdringen, von
der man zu Recht fragen darf, woher sie diese denn so gut kennt. „Zero Dark
Thirty“ taucht völlig ein in diese Welt; die Welt aus „Argo“ von Ben Affleck,
wirkt dagegen-und man muss fairerweise dazu sagen, dass „Argo“ bei aller
Politik, die ja zudem nicht aktuell ist sicherlich mehr ein Unterhaltungsfilm sein
möchte-wie aus einem Comic, furchtbar bunt und unecht. Die Rauheit, das völlige
Chaos und die Unerbittlichkeit der Operationen in „Zero Dark Thirty“, das sich
Wiederholen und im Kreis drehen, machen den Film zu einer Tour de Force, die
einen fesselt bis man den Bildern (und das ist zugleich das größte Lob und die
größte Gefahr) völlig glaubt. Aufgrund des Realitätsbezugs erwischt man sich
ständig beim Gedanken an die Glaubwürdigkeit des Geschehens, ja auch an seine
Relevanz. Man wird fast zu einer politischen Diskussion animiert; wie es sich
für eine moderne politische Thematik gehört, verzichtet der Film größtenteils
auch auf Schwarz/Weiß-Malerei und beschränkt sich auf das Zeigen statt zu
Kommentieren.
Allerdings gibt es vier Szenen im Film, die in einen Pathos
rutschen, der den ganzen Film an den Rand eines völlig unnötigen Abgrunds
bringt, der amerikanisches Kino von seiner pathetischsten Seite präsentiert,
was gerade in diesem hyper-realistischen Zusammenhang völlig aus dem Kontext
gerissen scheint.
1. Warum,
Kathryn Bigelow beginnt der Film mit einer schwarzen Leinwand und den Stimmen
der Opfer des World Trade Center Anschlages, die ihre Liebsten über das Handy
anrufen? (die Anrufe scheinen originale Dokumente zu sein.) Mit welcher
emotionalen Schiene hier versucht wird den Zuschauer ins Boot zu ziehen,
erscheint merkwürdig. Von den „Opfern“ ist auch gar nicht mehr die Rede im
Anschluss, eigentlich spielt der ganze Anschlag keine Rolle mehr. Er ist nur
der Auslöser. Gleich danach zeigt Bigelow die harten Foltermethoden der
Amerikaner. Will sie die beiden Szenen in Kontrast setzen oder will sie die
Foltermethoden rechtfertigen? Warum diese erste Szene?
2. Warum,
Kathryn Bigelow ist der Anschlag auf die CIA-Leute in einem Militärcamp mit
einem solchen Suspense inszeniert, mit einer solchen Verzögerung? Da fährt das
Auto des Terroristen in einer teligen Einstellung durch Wüstensand, die Musik
von Alexandre Desplat und eine schwarze Katze, die die Straße kreuzt, verkünden
Unheil. Da ist die nichts-ahnende, scheinbar völlig sorglose Agentin und da ist
eine Parallelmontage, in der sie mit ihrem Handy mit Jessica Chastain schreibt,
als wären sie Mädchen vor ihrem ersten Date. Man spürt über fünf Minuten, dass
gleich etwas passieren wird. Das ist auf der einen Seite jene Spannung und Präzision
in der Inszenierung, die Bigelow in „The Hurt Locker“ so fantastisch angewandt
hatte, auf der anderen Seite wirkt so ein Element in diesem Film reichlich
deplatziert. Aber es dient leider auch zur Emotionalisierung des individuellen
Rachefeldzuges, zu dem „Zero Dark Thirty“ am Ende zu verkommen droht.
3. Warum,
Kathryn Bigelow fliegen die Hubschrauber zu Osama Bin Ladens Haus mit einer
solchen Eleganz, mit einer solchen amerikanischen Kraft, dass man unweigerlich
an Wagner und „Apocalypse Now“ denken muss? Warum werden aus Arbeitern
plötzlich Helden gemacht, die vor einer wehenden amerikanischen Flagge
losfliegen, um das „Böse“ zu besiegen? Der Beginn der Schlusssequenz wirkt wie
das komplette Gegenteil des Films. Dem Tötungsprojekt Bin Laden wird eine Bedeutung
beigemessen, als würde es das Ende aller Kriege bedeuten. Irritierend insbesondere
deshalb, weil Bigelow bei der Operation im Haus selbst wieder in die Mechanik
der Handlungen zurückkehrt.
4. Warum,
Kathryn Bigelow und Mark Boal (Drehbuch) verkommt der Charakter von Jessica
Chastain zu einer emotionalisierten Rachefigur, die in einem typisch-amerikanischen
Sujet alleine gegen den Rest der Welt kämpft, um Erfolg zu haben? Auf ihrem
Hintergrundbildschirm ist plötzlich ein Foto von ihr und der beim Anschlag im
Militärcamp verstorbenen Kollegin, sie rechtfertigt ihre manische Suche mit dem
Tod vieler ihrer Freunde. Am Ende sitzt sie im Flieger und weiß nicht mehr
wohin. Sie weint. Dabei gibt es noch viel zu tun, doch in diesem Film wirkt es
so, als wäre alles erledigt. Durch das persönliche Element raubt sich „Zero
Dark Thirty“ seinem Portrait einer Operation, seiner Realität, seiner
Glaubwürdigkeit; der Film scheint insbesondere gegen Ende jede Form von Selbstreflexivität
einzubüßen. Wir haben es geschafft. Osama ist tot.
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