Im Rahmen
der Diagonale 2014 habe ich mich mit Johann Lurf an einen überdachten Tisch im
Regen gesetzt. Eine weiße Plane wankte unter den herabfallenden Tropfen, kleine Pfützen auf den metallenen Tischen sammelten den Dreck des Frühlings und eine kühle Luft befreite die Augen und Ohren vom Fieber des Kinos. Da ich aufgrund einer Erkältung kaum eine Stimme hatte, war es
trotz der melancholischen und entspannten Stimmung das
anstrengendste Interview meines bisherigen Lebens. Das hat allerdings nichts
mit Johann Lurf zu tun, der neben der Präsentation seines Films „Picture
Perfect Pyramid“ (meine Kritik: Hier) auch als Vorführer auf dem Festival
arbeitete.
Foto: Vladimir Kanic |
Hallo Johann, erst mal eine
Standardfrage zum Warmwerden: Wie kommt man auf die Idee eine Pyramide in
Vösendorf zu filmen?
Zunächst
finde ich jeden Grund legitim, um die Gegenwart zu filmen. Die äußere Form
dieser Pyramide hat mich fasziniert. Das ist ja ein Gebäude, das unseren Blick
lenken soll. Die Pyramide ist ein Eventzentrum und wird für viele verschiedene
mehr oder weniger fragwürdige Ereignisse hergenommen. Ich wollte das im Zentrum
des Bildes oder besser als hauptbestimmendes Objekt. Also war das Gebäude wie
ein Dreh- und Angelpunkt, um sich dann daran und außen herum zu orientieren.
Besonders fasziniert daran fand ich
dieses Wechselspiel aus Banalität und Besonderheit, die sich dadurch ergibt.
Irgendwie ist diese Pyramide ja in jeder Einstellung und wird damit ziemlich
banal, aber irgendwie suche ich auch immer danach und der Blick deiner Kamera
folgt ihr gewissermaßen. Wie war das für dich?
Das ist eh
schon gut gesagt. Diese Pyramide funktioniert wie gesagt als ein Gebäude, das
Aufmerksamkeit auf sich zieht. Aber es ist ein sehr komplexes Gebäude. Es
verändert sich stets im Lauf eines Tages, immer im Verhältnis zum Licht. Durch
die Farb- und Lichtwechsel sticht die Pyramide gleichzeitig heraus und passt
sich der Umgebung an. Das ist paradox. Diese Pyramide ist ein Ultrabrand, wenn
man so will, sie ist ein Zeichen für den Kommerzstandort. Das Banale zeigt sich
in mehreren Sachen. Zum Beispiel auf der Spitze ist einfach ein Schild, auf dem
steht: Pyramide. Und dann gibt es natürlich noch die Veranstaltungen, die innen
stattfinden. Diese Pyramide ist ein absolut komplexes Gebäude. In diesem
Wechselspiel zwischen Einfachheit und dieser erzwungen Besonderheit liegt auch
der Witz. Da will ja jemand um jeden Preis besonders sein.
Würdest du sagen, dass so ein Film
und deine Filme allgemein politisch sind?
Ich hoffe,
meine Filme haben etwas mit Heute zu tun. Das ist nicht zwingend politisch.
Aber das Heute ist immer politisch. Bei „Picture Perfect Pyramid“ habe ich auch
einen sehr dokumentarischen Ansatz gewählt. So wenig habe ich kameratechnisch
noch nie verändert. Das sind einfach nur Beobachtungen.
http://www.johannlurf.net/pictureperfectpyramid/ |
Was bedeutet für dich Wiederholung?
Ich fand bei diesem Film sehr interessant, dass du auf der einen Seite immer
wiederholst, weil es ja in jeder der 24 Einstellungen um die Pyramide geht,
aber gleichzeitig ständig veränderst, weil keine Einstellung der nächsten
gleicht.
Für mich ist
das keine Wiederholung, sondern Varianz. Man ist nicht in der Lage Unterschiede
zu erkennen und deshalb ist es so spannend das zu filmen. Da passiert etwas im
Lauf des Tages. Wiederkehrende Einstellungen oder der wiederholte Blick auf ein
Objekt ermöglicht mehr Interaktion von Seiten des Zusehers. Das schärft die
Sinne, wenn man ähnliche Einstellungen nochmal zeigt. Das Neue blitz immer auf
eine andere Art auf. So verschwimmen beispielsweise die Kanten der Pyramide in
der letzten Einstellung.
Wie war dein Gefühl mit der Kamera im
Verhältnis zur Pyramide? Hast du dich so gefühlt als würdest du die Pyramide
vergewaltigen oder hast du dich eher zärtlich genähert?
Ich schätze
die Pyramide. Man muss fasziniert sein, um eine künstlerische Arbeit machen zu
können. Aber es ist ein ambivalentes Gefühl. Das finde ich auch wichtig. Ich
bin kein Fan dieser Pyramide, aber ich will auch nicht, dass sie abgerissen
wird. Ich fühle mich von der Konstruktion und ihrer Faszination ertappt. Wie
gehe ich damit um? Das hat mich interessiert. Ich glaube, dass Landschafts- und
Architekturfilme immer einen
Vergewaltigungsimpetus haben, weil diese Objekte ja nicht weglaufen können.
Der Film war auch im Rahmen einer
Installation zu sehen. Wo ist für dich da der Unterschied und gibt es diesen
überhaupt?
Da ist auf
jeden Fall ein Unterschied. Ich sollte dazu sagen, dass der Film im
Installationsrahmen entstanden ist, aber immer mit dem Kino im Hinterkopf. Der
Film sollte als Loop funktionieren und das hat natürlich Form und Struktur
maßgeblich beeinflusst. Im Kino geht es dagegen, um diesen besonderen Moment in
den fünf Minuten. In diesen fünf Minuten muss man alles sehen. Als Installation
kannst du es eher studieren und analysieren. Dafür gibt es im Kino eine größere
Aufregung, ein Excitement. Das ist im Ausstellungsraum komplett anders. Da
wiederholt sich alles und es herrscht eine ganz andere Stimmung.
http://www.johannlurf.net/pictureperfectpyramid/ |
Wie stehst du dazu, dass sich in den
letzten Jahren Bildende Kunst und Kino immer mehr annähern?
Ich finde
diese Vermischung absolut gut. Das Ausschließen von bestimmten Bereichen bringt
nichts. Filme werden immer gemacht, um gesehen zu werden und es gibt dann
unterschiedliche Reflektionen darauf. Für mich selbst hängt das vom jeweiligen
Projekt ab. Ich denke das schon im Vorfeld mit. Aber wenn es möglich ist, darf
das gerne in beiden Feldern gesehen und reflektiert werden.
Gab es für dich mal die Idee in der
Entwicklung die Pyramide von innen zu zeigen oder einen POV der Pyramide
einzubauen?
Nein. Mich
hat das Außen fasziniert.
Hast du irgendwelche besonderen
Einflüsse in deiner Arbeit?
Ich lasse
mich da nicht so gerne festlegen. Aber ja, ich komme aus Wien und da gibt es
eine gewisse Sozialisierung. Einflüsse sind für mich immer die Vermischung
verschiedener Faktoren. Das kann man nicht so einfach sagen.
Du arbeitest gerne mit Reduktionen.
In diesem Fall 24 Einstellungen und in jeder ist die Pyramide zu sehen und die
Kamera ist dabei immer auf der Linie einer Kante. Ist das so einfacher für
dich?
Ja das macht
es einfach. So bleibt man nicht auf einem Materialberg sitzen. So eine Arbeit sollte
einfach sein, damit man sich auf das Wesentliche konzentriert. Es ist so
aufgebaut, dass man immer auf eine Kante schaut, die Kamera als Verlängerung
der Seitenkante der Pyramide. Ich bin dafür von einer Zeichnung ausgegangen und
dann wusste ich auf welchen Positionen ich sein konnte.
Das ist die Zeichnung, die mir Johann Lurf freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat |
Ich fand sehr spannend, als du im
Publikumsgespräch gesagt hast, dass es für dich selbstverständlich ist auf Film
zu drehen. Vielleicht kannst du dazu etwas sagen?
Es ist doch
schön, dass wir heute alle Möglichkeiten haben. Wir können digital oder analog
drehen. Das wird natürlich immer schwieriger. Mit Film zu arbeiten ist eine
Gefühlsentscheidung. Da geht es um Wärme und Plastizität. Ich verstehe Film und
Video als Geschwister. Sie haben ganz ähnliche Grundgedanken, aber können sich
nicht ersetzen.
Woher bekommst du denn heute dann
dein Filmmaterial?
Das ist
projektabhängig. Hängt vor allem daran, ob es Geld gibt oder nicht. Man muss es
immer so weit probieren, wie man kann. Das geht mal einfacher und mal schwerer.
Trotz all dieser formellen,
architektonischen Strenge wohnt deinem Film auch etwas Mystisches, ja Traumartiges
bei. Siehst du das auch so?
Da ist
natürlich auch die Perspektive wichtig. Mit Einstellungen lenkt man die
Aufmerksamkeit und wenn man dann etwas zeigt und nicht sagt, was es ist, dann
entstehen Zwischenräume, weil die Leute dann selbst denken müssen. Ich will
auch nicht 24mal Pyramide sagen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen