Freitag, 21. März 2014

Das erste Meer von Clara Trischler



Text: Rainer Kienböck

Schon mal den Namen Clara Trischler gehört? Sie ist eine österreichische Filmstudentin am Instituto Universitario Nacional del Arte in Buenos Aires, davor war sie bereits an der Filmakademie Wien und am European Film College in Dänemark. Diese noch nicht dreißigjährige, junge Dame hat einen der Lichtblicke der bisherigen Diagonale zu verantworten. Unscheinbar im Kurzdokumentarfilm Programm 3 an der Seite eines viertelstündigen verspielten Films über zwei französische Straßenmusiker in Berlin („Virgil & Evan“), hinterließ ihr „Das erste Meer“ bleibenden Eindruck bei mir.


Und das obwohl er das leidige Thema des Konflikts zwischen Israel und Palästinensern behandelt. Die Thematisierung jüdischer Vergangenheit und Gegenwart ist etwas überstrapaziert auf diesem Festival und dennoch widme ich mich diesem Film. Nicht Beckermanns „Those who go Those who stay“, nicht Oscar-Preisträger Ruzowitzkys „Das radikal Böse“ wird diese Ehre zuteil.

So einzigartig, einfach und zurückhaltend ist Trischlers Herangehensweise. Sie nähert sich diesem Mammutthema durch die Hintertüre, indem sie eine Gruppe von palästinensischen Kindern, die in zwei Dörfern im Westjordanland leben, porträtiert. Den Kindern gegenüber steht eine Gruppe philanthropischer israelischer Frauen, die einen Verein gegründet haben, der Ausflüge ans Meer für palästinensische Kinder organisiert. So ein Ausflug ist nicht selbstverständlich, denn die rigiden Passkontrollen und Einreiseverbote machen den Palästinensern das Leben schwer. Dennoch begrüßen nicht alle Familien im Dorf diese Initiative – manche wollen einfach nichts mit diesen Verbrechern zu tun haben, die sie vor vierzig, fünfzig Jahren aus ihrer Heimat vertrieben haben.

So einseitig wie das jetzt klingen mag ist der Film aber nicht. Obwohl Trischler, die mit ihrem Team einige Zeit unter diesen Menschen gelebt hat, naturgemäß Sympathien entwickelt, gibt sie auch den Israelis eine Bühne, lässt sie zu Wort kommen und schafft es eindrucksvoll das gegenseitige Hochschaukeln aufzuzeigen. Der Hass der dieses Land brodeln lässt ist eine hausgemachte, vererbte Krankheit, die epidemisch vor keiner Volksgruppe zurückweicht.


Trischlers Strategie ist also nicht der Versuch einer Objektivität, sondern ein ständiges Neuverhandeln und Reflektieren der eigenen Position. Diese Vorgehensweise führt zu einem ähnlichen ständigen Kurswechseln und –korrigieren im Kopf des Zusehers. Dieses Hineinführen in andere Denkmuster und Philosophien ist die eigentliche Leistung des Films.
Am Strand von Jaffa (Haifa) kommt es schließlich zum ideologischen Schlagabtausch. Dort verschafft sich ein junger Mann Gehör, der sinngemäß zu verstehen gibt, dass er einfach nur in Ruhe gelassen werden will, und dafür auch Jerusalem zweiteilen würde: Es muss ein Kompromiss erzielt werden, und dafür müssen beide Seiten Teile ihrer Forderungen aufgeben. Auf die Erwiderung, dass für den Status Quo so viele Menschen ihr Leben lassen mussten entgegnet er schlicht: „Deshalb sollen noch mehr sterben?“

In diesem Geplänkel am Rande des Narrativen bietet der Film eine einfache Lösungsformel für den Konflikt. Die Stärke des Films ist es, diese Idee zu vertiefen, sondern den Fokus auf den Kindern zu belassen, die einstweilen im Meer plantschen und den Mann gar nicht hören können. Kurz danach machen sie sich auf den Heimweg und blicken noch einmal sehnsüchtig auf die Freiheit der israelischen Nachbarn.

Angesichts der Indoktrinationsmaßnahmen beider Seiten ist die Hoffnung verschwindend gering, dass sich in dieser Region jemals etwas ändern wird. Im „therapeutischen Sommercamp“ tragen die Kinder militante Gedichte vor und stellen Gefangennahmen durch die israelische Polizei nach. Mehrmals äußern sich die Kinder negativ über die Israelis, die „ihr Land gestohlen haben“ und sie singen lautstark die Kampfparolen der Demonstranten mit, ohne es auch nur annähernd zu verstehen. Paradox, denn später stellt sich heraus, dass es eigentlich nur der Wunsch ihrer Eltern und Großeltern ist nach Jaffa, Tel Aviv und wie sie alle heißen, zurückzukehren – die Kinder haben ihre Heimat schon längst in ihren Dörfern gefunden. Das gibt dann doch wieder etwas Hoffnung.


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