Freitag, 13. Dezember 2013

Fanboys: The Hobbit: The Desolation of Smaug von Peter Jackson



Vor kurzem habe ich mich mit einem Freund über die Atomisierung der Cinephilie ausgetauscht. Die Völlige Verteilung des Kinoliebenden aufgrund der neuen Sehgewohnheiten und Möglichkeiten, aufgrund der unzähligen Alternativen, die sich einem jenseits des aktuellen Kinoprogramms mit On-Demand Services, illegalen Streams und Downloads, dem DVD- und BluRay Markt und so weiter täglich ergeben. Wir haben von einer unendlichen Liste an nicht-gesehenen Filmen gesprochen, von der man sich immer wieder distanzieren muss, weil es sonst nur noch um das utopische Ziel gehen könne, alle Filme von der Liste zu streichen. Was dieser Art von Kinoliebe oft fehlt, ist ihr sozialer Faktor, ihr agitatorisches Massenpotenzial, das Kino propagiert. Stattdessen zieht man sich in seine Kämmerchen zurück und betreibt Filmeschauen, als eine Art Marathon. Man findet viele Menschen, die mit einem laufen, aber es geht zu sehr darum, wer mehr und was gesehen hat und zu wenig darum zu sehen. Da ich mich selbst nicht frei machen kann von diesem Drang freue ich mich sehr, dass Rainer Kienböck sich in seinem folgenden Bericht als Mittelerde-Fanboy outet und das Gefühl über die Vernunft siegen lässt. Denn irgendwo liegt in der oft als „Fankultur“ abgespeisten Masse an Menschen, dann doch jenes soziale Element, das der differenzierten Cinephilie abhanden kommt. Vielleicht kann man davon einiges lernen, vom Kino als Medium der Massen, das zu Verkleidungen und Mitternachtsanstehorgien verleitet. Natürlich stellt sich im derzeit ja sehr heftig geführten Diskurs, wo bei so einem Blog wie „Jugend ohne Film“ die Grenze liegt zwischen: Da schreibt irgendeiner über Dinge, die er mag als Fan und da schreibt jemand als Journalist und so weiter. Meine Antwort dazu ist relativ knapp: Es geht darum über Film zu schreiben.

A Fanboy’s Life: Midnight Screening Frenzy

Text: Rainer Kienböck




Schafe und Lemminge sind sie! Strömen in die Kinosäle um sich gehypten Müll vorsetzen zu lassen. Sie merken nicht einmal welchen Dreck sie da zu sehen bekommen, und nachher sind sie hellauf begeistert vom sinnbetäubenden Spektakel.
Die dummen Massen, gerne schere ich sie über einen Kamm und verurteile sie. Deshalb beschämt es mich zuzugeben, dass auch ich, selten, aber regelmäßig, zum Schaf werde. Dafür gibt es zwei Gründe: Star Wars und Mittelerde. Mir Filmsnobismus vorzuwerfen ist durchaus legitim, ich gebe offen zu oft nicht verstehen zu können, was die Massen an abendfüllenden Blockbustern begeistert oder unterhält. Ich scheine Filme mit anderen Augen zu sehen, als viele meiner Freunde und Kollegen. Doch selbst meine kinoerprobten Augen erliegen immer wieder dem Blendwerk zweier Männer: Peter Jackson und George Lucas. Über die rare Gelegenheit, einen Film unreflektiert ansehen zu können – ein zugleich erschreckendes und erleuchtendes Erlebnis – handelt mein Bericht.


Mittwoch der 11. Dezember 2013, ein grässlicher Tag. Es ist schweinekalt. Eine halbe Stunde vor Mitternacht stehe ich auf der Wiener Mariahilfer Straße und lasse mich noch von einem FM4-Reporter über den Status Quo des österreichischen Films interviewen. Eine halbe Stunde noch, dann geht es los. Vorfreude? Nicht wirklich, ich bin kritisch eingestellt. Der erste Teil von Peter Jacksons The Hobbit-Trilogie hat mich zwar begeistert, doch umso länger ich über ihn nachgedacht habe, desto mehr Fehler und Ungereimtheiten sind mir aufgefallen. Nichtsdestotrotz, ich mochte den Film, und ich mag ihn noch immer – und dennoch, ein weiteres Mal wird es Jackson nicht schaffen mich mit solch einem lauwarmen Feuerwerk zu bannen! Im Foyer tummeln sich unzählige Besucher, die auf den Einlass warten, man erspäht einige Verkleidungen und sogar ein paar spitze Elbenohren. Langsam strömen die Massen in den Saal, und während man noch über die 3D-Brillen lästert und sich über Details des ersten Teils beschwert, verdunkelt sich der Saal. Werbung. Der Film beginnt. Wie immer im Haydn-Kino versperren einem noch kurz die Zuspätkommenden (das Haydn ist wahrlich die Hochburg der Unpünktlichen) die Sicht auf die Leinwand und verhindern die sofortige Immersion. Und dann: der erste Blick auf mein geliebtes Mittelerde – der erste Gedanke: ich mochte es noch mehr, als es noch nicht größtenteils aus Bits und Bytes bestand – setzt sich mein kritischer Verstand doch durch? Spätestens nach fünf Minuten lässt sich diese Frage getrost mit Nein beantworten – die Anziehung Mittelerdes ist zu stark. Wieder bin ich verschluckt worden von dieser Effektmaschinerie, lasse völlig unreflektiert die 1en und 0en auf mich eindreschen. Und das Schlimmste daran: es gefällt mir. Etwa 160 Minuten später stehe ich wieder auf der Mariahilfer Straße. Nach etwa 145 Minuten gebannten Zusehens und 15 Minuten krampfhaft verschlossener Augen (galoppierende Arachnophobie hat seine Nachteile) diskutiere ich über die Unzulänglichkeiten des Skripts, das Übermaß an CGI (Merke: weniger Budget für Drachendesign, mehr für flüssiges Gold) und spotte über Jacksons Entscheidung dieses dünne Kinderbuch zur Trilogie auszuschlachten (man erdichte ganz einfach drei Stunden an Screentime selbst, die man seinen Buddies aus Herr-der-Ringe-Tagen für Cameoauftritte zur Verfügung stellt).


Es ist drei Uhr nachts, und sehr gerne würde ich noch weitere Stunden zubringen den Film zu zerreißen. Er zählt trotzdem mit zum Besten was das Kinojahr 2013 zu bieten hat – das Schaf in mir hat entschieden.

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