Ein Drama im Gewand eines Thrillers, eingesperrt in das
eigene Auto und verbunden mit der Außenwelt nur durch das Telefon und eine
Freisprechanlage. Müde wandern die Augen von Tom Hardy, der den titelgebenden
Ivan Locke über die Neonlichter der Straße. Sein Leben wird sich in nur wenigen
Minuten dieses Quasi-Echtzeit-Stücks völlig auf den Kopf stellen. Es ist das
Drehbuch, das hier funktionieren muss und das Drehbuch funktioniert auch. Von
der ersten bis zur letzten Sekunde fesselt der Film und trotz eines etwas
willkürlichen Endes ist es fantastisch zu verfolgen wie lebendig Film sein
kann, obwohl er nur eine Person in ihrem Auto zum Gegenstand hat. Vielleicht
zum ersten Mal in seiner Karriere ist Tom Hardy in der Lage einen emotional
vielschichten Mann zu spielen. Seine Bewegungen zwischen Schwäche und Stärke
tragen den Film und er braucht nur wenige Sekunden, um ein großes Feld an
Emotionen zu eröffnen. Seine markante Stimme funktioniert ganz fantastisch für
die langen Dialogpassagen.
Am besten ist „Locke“ immer dann, wenn er sich auf seine
Fähigkeiten als Hörspiel verlässt. Die Stimmen am anderen Ende der Leitung, die
Schwierigkeiten, die für Locke immer weiter zunehmen, die schnellen und
fesselnden Dialoge. Visuell hat man sich ganz im Gegensatz zum
Klaustrophobie-Bruder „Buried“ von Rodrigo Cortés keine Besonderheiten
einfallen lassen, die ständigen Zwischenschnitte von durch die Nacht
schwebenden Lichtern auf der Autobahn sind schlicht und ergreifend obsolet.
Irgendwie ist auch der Realismus im Film, der mit ständigen Zeitangaben und
dadurch kolportierter Echtzeit nicht ganz echt, weil unnötige Schnitte und ein
großer Plan, der hinter den Aktionen steckt
dafür sorgen, dass man mehr einer Geschichte als einer Gegebenheit
folgt. Mit Gedanken an Cristi Puius „Marfa
și banii“ wird klar welche Möglichkeiten in einer schlichten Autofahrt von A
nach B vorhanden wären, wenn sich der Regisseur etwas mehr zurücknimmt.
Trotzdem ist „Locke“ ein gelungener Film, eben auch, weil er einen womöglich
modernen Helden zeigt, der sich nicht mehr bewegen muss, um sein Leben zu
verändern.
Ivan Locke sieht ganz ähnlich Travis Bickle einmal nervös in
den Rückspiegel. Geschickt manövriert sich der Film um mögliche Motive für das
Aussteigen aus dem bisherigen Leben, liefert aber genug
Vergangenheitsbewältigung, um Ivan Locke zu einer glaubhaften Figur werden zu
lassen. Was ihn so glaubhaft macht, ist aber nicht zwangsläufig seine
Psychologie, sondern seine Selbstgerechtigkeit. Ähnlich wie der „Taxi Driver“
herrscht hier eine ganz eigene moralische Welt, die im Universum von Locke,
eingesperrt in sein eigenen Auto durchaus glaubhaft wird. Nach einer
Telefonzelle in „Phone Booth“ von Joel Schumacher und einem Sarg in „Buried“
ist es nun also ein Auto im Genre des Platzangst-Thrillers. Dem realistischeren
Setting wird Knight mit einem größeren Fokus auf das Drama gerecht. Dieser
Mann, der einen die Schwere des Lebens spüren lässt, wenn er mit seiner Frau
streitet und Sekunden später wieder beschwichtigend und liebenswürdig sein
muss, um seine schwangere Geliebte zu trösten, um Sekunden später mit seinem
Sohn über ein Fußballspiel zu reden, um Sekunden später einen wichtigen
Transport für seinen Job zu regeln. Es mag nur eine Fahrt sein, aber es ist
eine Achterbahnfahrt.
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