Im vieldiskutierten „Gold“ von Thomas Arslan treibt sich
eine Gruppe deutscher Glücksritter quer durch die amerikanische Wildnis, auf
dem Weg nach Dawson, wo das titelgebende Gold auf sie warten soll.
Vieldiskutiert ist Arslans Goldgräber-Film, weil er mal wieder eine Debatte
über Kunst und Kommerz im deutschen Kino auslöste, weil es Dietrich Brüggemann
und anderen vehementen Gegnern des Films auf der Berlinale darum ging, dass es
doch nicht sein könne, dass es neben dem dominierenden Dummkopfkino von Til
Schweiger, Matthias Schweighofer und Konsorten nur die sogenannte Berliner
Schule gibt, die unabsichtlich alles unter sich zu vereinen scheint, was nach
Anspruch riecht. Was den Film letztlich so angreifbar macht, ist seine
Inkonsequenz. Eine Inkonsequenz, die auch schon beim weichgespülten „Barbara“,
Christian Petzolds schlechtestem Film bis heute (er ist nicht ganz schlecht,
das könnte Petzold wahrscheinlich nicht) spürbar war. Und dann liegt das unendliche deutsche
Kinoproblem vielleicht nicht an einer aufklaffenden Diskrepanz zwischen
Anspruch und Unterhaltung, (man muss ja nur mal nach Frankreich schauen wie
fruchtbar ein solcher Boden dennoch sein kann) sondern an der fehlenden
Radikalität dessen, was sich Anspruch nennt, aber mehr und mehr zu einem Requisitenkino
verkommt und natürlich auch der Diskussion selbst, die sich weniger mit den
einzelnen Filmen beschäftig als mit Gesellschaftsanalysen. Dadurch werden die
Filme aber nicht besser.
„Gold“ ist ein Anti-Western. Aber eigentlich ist er es
nicht. In erschreckend sauberen Bildern marschiert die Truppe von Stereotypen
durch die Landschaft und wenn nicht einmal gesagt werden würde, dass die
Charaktere aus Bremen oder Hannover kommen, wäre das völlig egal. Für ein Kino
der deutschen Identität schaltet man in diesem Land nach wie vor besser den Fernseher
an. Arslan dreht also einen Anti-Western, aber bedient sämtliche Klischees
eines amerikanischen Genres von dubiosen Indianern, geldgeilen Wegpassanten,
Möchtegern-Anführern und einem grausam unpassenden, amerikanischen
Verfolgerduo. Immer, wenn der Film etwas anders macht als ein klassischer Western
kündigt er das groß an: Jetzt kommt die Frau als Heldin! Jetzt schneide ich
weg, weil ich Thomas Arslan bin und ich immer wegschneide, wenn es interessant
wird! Das wäre alles okay, wenn das Gesamtkonstrukt nicht in ein derart
ebenmäßiges Filmchen gekleidet wäre, wenn nicht alles immer Erzählung wäre.
Statt seine Charaktere zu beobachten, diktiert sie Arslan und gibt ihnen kleine
Brocken Psychoanalyse ohne sie zu bearbeiten. Also weder Fisch noch Fleisch. Man
merkt dem Film in jeder Sekunde seinen Versuch an verständlich zu bleiben und hölzerne
Dramaturgien zu entwickeln. Das beißt sich immens mit dem Streben nach Realismus,
der in kühlen und distanzierten Ästhetik von Arslan aufgeht. Das ist die
Inkonsequenz. Entweder sollte der Film sexy sein und unterhaltsam, ein
dreckiger-spaßiger Western eben mit Stereotypen oder er sollte sich mit anderen
Dingen auseinandersetzen, vom Leben erzählen mit Individuen und nicht immer
daran erinnern, dass es ja eigentlich ein Western ist, aber eben doch nicht.
Das kann nicht interessant sein. Nichts über die Charaktere zu erzählen, ist
nur dann wertvoll, wenn es etwas zu erzählen gibt. Außerdem ist das Konzept des
Anti-Westerns kein wirklich neues. Kinogänger kennen die dramatische
Reduzierung in finalen Shootouts genauso wie ungewöhnliche Ängste und Sorgen
der Helden. Es ist ja der Western, der tot ist und nicht der Anti-Western. Aber
hat Kelly Reichardt in ihrem „Meek’s Cutoff“ den Zuseher Staub fressen lassen
und sich einer sinnlichen Meditation des Genres hingegeben und sich „The Assassination
of Jesse James by the Coward Robert Ford“ von Andrew Dominik der Studie eine
Möchtegern-Westernhelden hingegeben, weiß „Gold“ nichts zu erzählen und zu
fühlen. Man merkt dem Film in jeder Sekunde an, dass er Förderung gebraucht
hat, um überhaupt realisiert werden zu können. Ohne den Berlinale-Schnitt zu
kennen, der 13 Minuten länger ist, merkt man der jetzigen Kinofassung einfach
an, dass er nicht bis in die äußeren Extreme geht, die ein solcher Ansatz
verlangen würde.
Wichtig ist dann immer das Thema. Danach wird man gefragt…“Deutsche
Goldsucher in Amerika. Ah, interessant, gute Idee, schaue ich mir an.“ Wenn
aber das Thema auch für sogenanntes Kunstkino ausschlaggebend ist, dass der
Film überhaupt gemacht wird, dann stimmt da was nicht. Es ist keine Frage, dass
auch Filmemacher wie Arslan oder Petzold von ihren Werken leben müssen und man
wohl froh sein muss, dass solche Filmemacher überhaupt noch gefördert werden
und dass sie daher eventuell auch inhaltliche Zugeständnisse machen und Inhalt
und Verständnis daher unnötig präsente Konstanten in der deutschen
Filmwahrnehmung bleiben. Bezeichnend ein Artikel der Deutschen Presseagentur
über die kürzlich zu Ende gegangenen Filmfestspiele in Locarno. „Aus dem
überzeugenden Angebot des Hauptwettbewerbs, in dem 20 Spiel- und
Dokumentarfilme liefen, wählte die Jury immerhin zwei Preise für Leistungen
aus, die viele Festivalbesucher fesselten.“, heißt es da und immerzu wird
darauf verwiesen wie sehr das Festival bei den Preisen auf Kunstfilme reagierte
und wie wenig auf publikumsfreundliche Filme. Ein Festival soll also auch noch
damit beginnen sogenannte Unterhaltungsfilme auszuzeichnen, damit noch weniger
Produzenten sich an schwieriges, eigenwilliges, forderndes Kino wagen? Was ist
eigentlich publikumsfreundlich? Mir ist bewusst, dass Film auch und vielleicht
vor allem eine Industrie ist, aber die letzten Festungen, die sich dagegen wehren
und die schon immer dafür gesorgt haben, dass sich dieses Medium
weiterentwickelt und ein Mittel für künstlerischen Ausdruck ist, können doch
nicht auch noch einknicken. Wenn in Locarno „Feuchtgebiete“ ausgezeichnet
worden wäre, dann hätte das Festival in einigen Jahren keine Bedeutung mehr,
denn es sind eben nicht die mittelmäßigen Blockbuster und zeitgenössischen
Literaturverfilmungen, die die Zeit überleben und die auch in vielen Jahren
noch Bestand haben werden, sondern die großen Filme. Egal, ob Kunst oder nicht,
der Film selbst ist wichtiger als sein Publikum.
Womit wir wieder bei „Gold“ wären. Wenn dieser Film ein
schwer-zugänglicher Kunstfilm wäre, dann würde er vieles besser machen. Aber da
Arslan ein völlig klischeehaftes, sich am Mainstreamkino orientierendes
Drehbuch abliefert, wirken die womöglich absichtlich steifen Dialoge einfach
nur steif, die überraschenden Schnitte deplatziert und der immer wieder
auftauchende Neil Young&Jim Jarmusch „Dead Man“ Gedächtnis-Score
nervtötend. Und dann sind wir beim weichgespülten deutschen Kino von Regisseuren,
die sich den Förderlandschaften anpassen müssen statt gegen sie zu rebellieren.
Es gibt immer wieder Ausnahmen natürlich, aber es scheint mir schon ein Problem
zu sein, wenn Deutschlands beste Regisseure nicht mehr gegen das System
kämpfen, damit sie drehen können und dürfen. Nicht alles ist schlecht in „Gold“.
Die Stimmung und das Raumgefühl, das Arslan erwecken kann, geben an vielen
Stellen ein gutes Bild ab, er ist auch keineswegs zu lang oder ermüdend, die Charaktere wissen trotz ihrer einfachen Struktur zu überzeugen, was auch am guten Casting liegt. Es
gibt einige intensive Szenen, aber insgesamt ist das alles so wie ein gut
aufgewärmtes Mikrowellenessen nach Mamas Rezept. Besser wäre mal etwas neues,
auch wenn es völlig schiefgeht. Wo also liegt das Gold im deutschen Kino? Als Nachwuchsfilmschaffender muss man auch möglichst schnell ums Überleben schwimmen,
bleibt da Zeit und vor allem Kraft sich aus dem Fenster zu lehnen? Die
Vergangenheit scheint mit einem gewissen zeitlichen Abstand natürlich immer
etwas besser gewesen zu sein. Womöglich ist es also so wie im Film selbst. Der
Weg zum Gold im deutschen Kino ist hart und beschwerlich und die meisten werden
scheitern. Da wohl in baldiger Zukunft
niemand eine gute Straße nach Dawson bauen wird, muss man also entweder dort
bleiben, wo man ist, die Wege gehen, die alle gehen oder alles riskieren.
Vielleicht interessiert das Gold heute aber nicht mehr, sondern nur wie viel es
wert ist.
mitgemacht :)
AntwortenLöschen