Samstag, 2. Februar 2013

Zero Dark Thirty von Kathryn Bigelow





Manchmal-und das ist ihre große Stärke-inszeniert Kathryn Bigelow diesen Film über die letztlich erfolgreiche Jagd eines Terroristen so, als wäre sie selbst dabei gewesen. Fast beiläufig geht es dabei um mechanische Abläufe, Funktionen und das Unterdrücken von Emotionen in einer krampfhaften Professionalität. In diesen Momenten spürt man den Druck auf die Psyche und die Bedeutung der Operation. Jessica Chastain spielt in diesem Szenario eine Frau, die ihr Leben einem Sterben widmet, auf der Jagd nach Osama Bin Laden. Sie beginnt professionell, aber zurückhaltend, bis sie sich völlig in der Arbeit verliert. Sie hört auf ein Leben zu führen (nicht, dass man weißt, ob sie vorher eines hatte). Dann zeigt Bigelow ihre Kollegen, meist müde Männer, die hart agieren, aber in ihrem Kern zerbrochen sind an den Methoden und an einem innerpolitischen Druck, der vor allem dadurch zu Stande kommt, dass die Charaktere sich ihm bewusst sind ohne, dass er explizit ausgesprochen wird. Da gibt es Soldaten, die sie zwischen Angst, Galgenhumor, Freundschaft, Wahnsinn und Professionalität beleuchtet, ganz wie in ihrem „The Hurt Locker“. Bigelow scheint in diesen Teilen des Films eine Realität zu durchdringen, von der man zu Recht fragen darf, woher sie diese denn so gut kennt. „Zero Dark Thirty“ taucht völlig ein in diese Welt; die Welt aus „Argo“ von Ben Affleck, wirkt dagegen-und man muss fairerweise dazu sagen, dass „Argo“ bei aller Politik, die ja zudem nicht aktuell ist sicherlich mehr ein Unterhaltungsfilm sein möchte-wie aus einem Comic, furchtbar bunt und unecht. Die Rauheit, das völlige Chaos und die Unerbittlichkeit der Operationen in „Zero Dark Thirty“, das sich Wiederholen und im Kreis drehen, machen den Film zu einer Tour de Force, die einen fesselt bis man den Bildern (und das ist zugleich das größte Lob und die größte Gefahr) völlig glaubt. Aufgrund des Realitätsbezugs erwischt man sich ständig beim Gedanken an die Glaubwürdigkeit des Geschehens, ja auch an seine Relevanz. Man wird fast zu einer politischen Diskussion animiert; wie es sich für eine moderne politische Thematik gehört, verzichtet der Film größtenteils auch auf Schwarz/Weiß-Malerei und beschränkt sich auf das Zeigen statt zu Kommentieren.


 
Allerdings gibt es vier Szenen im Film, die in einen Pathos rutschen, der den ganzen Film an den Rand eines völlig unnötigen Abgrunds bringt, der amerikanisches Kino von seiner pathetischsten Seite präsentiert, was gerade in diesem hyper-realistischen Zusammenhang völlig aus dem Kontext gerissen scheint.

  1.  Warum, Kathryn Bigelow beginnt der Film mit einer schwarzen Leinwand und den Stimmen der Opfer des World Trade Center Anschlages, die ihre Liebsten über das Handy anrufen? (die Anrufe scheinen originale Dokumente zu sein.) Mit welcher emotionalen Schiene hier versucht wird den Zuschauer ins Boot zu ziehen, erscheint merkwürdig. Von den „Opfern“ ist auch gar nicht mehr die Rede im Anschluss, eigentlich spielt der ganze Anschlag keine Rolle mehr. Er ist nur der Auslöser. Gleich danach zeigt Bigelow die harten Foltermethoden der Amerikaner. Will sie die beiden Szenen in Kontrast setzen oder will sie die Foltermethoden rechtfertigen? Warum diese erste Szene? 



  2.   Warum, Kathryn Bigelow ist der Anschlag auf die CIA-Leute in einem Militärcamp mit einem solchen Suspense inszeniert, mit einer solchen Verzögerung? Da fährt das Auto des Terroristen in einer teligen Einstellung durch Wüstensand, die Musik von Alexandre Desplat und eine schwarze Katze, die die Straße kreuzt, verkünden Unheil. Da ist die nichts-ahnende, scheinbar völlig sorglose Agentin und da ist eine Parallelmontage, in der sie mit ihrem Handy mit Jessica Chastain schreibt, als wären sie Mädchen vor ihrem ersten Date. Man spürt über fünf Minuten, dass gleich etwas passieren wird. Das ist auf der einen Seite jene Spannung und Präzision in der Inszenierung, die Bigelow in „The Hurt Locker“ so fantastisch angewandt hatte, auf der anderen Seite wirkt so ein Element in diesem Film reichlich deplatziert. Aber es dient leider auch zur Emotionalisierung des individuellen Rachefeldzuges, zu dem „Zero Dark Thirty“ am Ende zu verkommen droht.


  3.  Warum, Kathryn Bigelow fliegen die Hubschrauber zu Osama Bin Ladens Haus mit einer solchen Eleganz, mit einer solchen amerikanischen Kraft, dass man unweigerlich an Wagner und „Apocalypse Now“ denken muss? Warum werden aus Arbeitern plötzlich Helden gemacht, die vor einer wehenden amerikanischen Flagge losfliegen, um das „Böse“ zu besiegen? Der Beginn der Schlusssequenz wirkt wie das komplette Gegenteil des Films. Dem Tötungsprojekt Bin Laden wird eine Bedeutung beigemessen, als würde es das Ende aller Kriege bedeuten. Irritierend insbesondere deshalb, weil Bigelow bei der Operation im Haus selbst wieder in die Mechanik der Handlungen zurückkehrt.



  4.  Warum, Kathryn Bigelow und Mark Boal (Drehbuch) verkommt der Charakter von Jessica Chastain zu einer emotionalisierten Rachefigur, die in einem typisch-amerikanischen Sujet alleine gegen den Rest der Welt kämpft, um Erfolg zu haben? Auf ihrem Hintergrundbildschirm ist plötzlich ein Foto von ihr und der beim Anschlag im Militärcamp verstorbenen Kollegin, sie rechtfertigt ihre manische Suche mit dem Tod vieler ihrer Freunde. Am Ende sitzt sie im Flieger und weiß nicht mehr wohin. Sie weint. Dabei gibt es noch viel zu tun, doch in diesem Film wirkt es so, als wäre alles erledigt. Durch das persönliche Element raubt sich „Zero Dark Thirty“ seinem Portrait einer Operation, seiner Realität, seiner Glaubwürdigkeit; der Film scheint insbesondere gegen Ende jede Form von Selbstreflexivität einzubüßen. Wir haben es geschafft. Osama ist tot.


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