Montag, 4. Februar 2013

Die Zero Dark Thirty Gegenposition



Philip Seybold hat sich zu meinem letzten Eintrag über den Film „Zero Dark Thirty“ von Kathryn Bigelow geäußert und meine 4 Kritikpunkte hinterfragt;  ich möchte unsere Diskussion zum Thema „Pathos“ und „Amerika“ nicht vorenthalten.  Ich habe unsere Diskussion nach den Kritikpunkten meiner Besprechung geordnet, um eine inhaltliche Kohärenz zu gewährleisten. (hier nochmal der Link zur ursprünglichen Besprechung)

Kritikpunkt 1


Philip                                                                                                                                                                         

Zur ersten Szene mit der schwarzen Leinwand und den Stimmen der Opfer; sie setzt die Szenen ja nicht in Kontrast sondern stellt sie Gegenüber und thematisiert die Auge um Auge Zahn um Zahn Mentalität der Amerikaner.

Jugend ohne Film
 

Bei diesem Punkt gebe ich dir am ehesten Recht. Den habe ich ja auch am defensivsten formuliert. Was ich daran nicht verstehe ist glaube ich, dass es die Opfer sein müssen, die thematisiert werden; über eine sehr emotionale Schiene im Gespräch mit ihren Liebsten; dabei wird dem ganzen schon eine so große Bedeutung beigemessen mit der schwarzen Leinwand...und das ist ja schon ein Kontrast zu großen Teilen des Films, die dokumentarisch/realistisch daherkommen. Nur ich glaube auch nicht, dass ein Amerikaner, der das im Kino sieht, darin seine eigene Mentalität gespiegelt sieht...die sieht man vielleicht nur mit unserem europäischen Blick von außen. Aber das ist natürlich Spekulation; glaube einfach, dass das als ein emotionaler Trigger gedacht war und den finde ich unpassend. Zugegeben: Man muss mit 9/11 beginnen, aber vielleicht aus einem anderen Blickwinkel?

Philip                                                                                                                                                                         

Ich finde es gut und halte es auch für richtig dass die Opfer thematisiert werden. Die Folterszenen im Anschluss sind ja nur schwer ertragbar. Die Frage, ob auch das größte Leid der Menschen, die bei 9/11 gestorben sind die Handlungen, die darauf folgten rechtfertigen, ist das entscheidende für mich. In beiden Sequenzen geht es ja um Opfer. Und die schwarzen Bilder, nur von Ton unterlegt, entsprechen für mich durchaus auch dem dokumentarischen Charakter des Films.

Kritikpunkt 2


Philip
 

Das ist natürlich Geschmackssache, ob man diese Art der Inszenierung mit dem Spannungsaufbau mag, aber der Auftrag bekommt so für die Hauptfigur natürlich ein persönliches Motiv; das ist meiner Meinung nach ein wichtiger Katalysator für die weiteren Handlungen der Hauptfigur.

Jugend ohne Film                                                                                                                                             
Aber warum braucht eine solche Handlung einen Katalysator? Und warum braucht man dazu die Emotionen einer einzelnen Person, die scheinbar alleine gegen alle arbeitet? (es wird ja sogar mal im Film ausgesprochen, dass sie alleine gegen alle ist.) Ich denke, dass fast jeder Zuschauer des Films weiß, um was es geht und die Wichtigkeit oder Absurdität des ganzen auch einschätzen kann; ich finde die Reduzierung der Thematik auf diese einzelne Person sehr billig. Insbesondere, da sie ja nicht sonderlich ausgearbeitet wird. Dann hätte man entweder mehr Charaktere oder mehr Charakter (von ihr) zeigen müssen. Man zeigt 1-2 halbherzige Szenen, in denen eine Freundschaft zwischen den beiden Frauen entsteht und dann wird sie mit einem riesigen Vorspiel spektakulär weggesprengt...hat mich irritiert, irritiert mich noch immer. Vielleicht verstehe ich auch den Charakter, den Chastain spielt falsch. Sie war hart und besessen ab einem gewissen Zeitpunkt, ich habe ihr nicht abgenommen, dass sie ein Anschlag so mitnimmt.

Philip
 

Da finde ich die grade die Distanz wichtig die man zu ihrem Charakter hegt, sonst könnte man dem Film sogar vorwerfen die Methoden der CIA zu rechtfertigen. (Was ihm meiner Meinung nach auch vollkommen zu Unrecht in vielen Kritiken vorgeworfen wird). Zumal das ja auch nicht gerade zur Gesinnung Kathryn Bigelows passt. Die Idee einen Film über die Suche nach Bin Laden zu machen gab es ja schon vor seiner Ergreifung; das Drehbuch war auch schon geschrieben und wurde dann geändert weil ein paar Monate vor Drehbeginn die Tötung Bin Ladens vollzogen wurde.
Dem Charakter von Chastain geht es ja nur um die Spur , die sie eben für die richtige hält und auch für ihren Karrieresprung dienen soll; für den sie ja offensichtlich über Leichen geht, aber die anderen drängen ja auch nach der Ergreifung Bin Ladens . Und dass da eben nur eine einzelne Figur gezeigt wird, finde ich gerade gut, denn trotz der Distanz zum Charakter (keine wirkliche Backgroundstory, kein Einblick ins private Umfeld etc.) wird eben diese maschinelle Suche, die teilweise zum perversen Spiel wird, als sie zum Beispiel mit der Kollegin wie ungeduldige Teenager SMS schreibt, im Zuschauer reflektiert und eben nicht als ein normales Verhalten verstanden; du hast dich ja auch darüber aufgeregt, vollkommen zu Recht, weil der Umgang der Figuren mit ihrer "Aufgabe" eine merkwürdige Dimension erfährt. Ich finde aber nicht die Darstellung krankhaft sondern eben die Figuren.

Kritikpunkt 3


Philip

Die Hubschraubersequenz stellt für mich wiederum die subjektive Sicht der Amerikaner dem Unterfangen gegenüber da, also das typische Helden-Konstruieren. aber die Heroisierung wird ja durch den Einsatz an sich, der dem folgt, gebrochen als die Soldaten vor den Augen der weinenden Kinder die Eltern töten.

Jugend ohne Film                                                                                                                                                   
Ich habe die Inszenierung nicht als subjektiv empfunden. Für mich war der Blick sehr distanziert. Mit der Musik (, die ich im Übrigen großartig finde!), diesen langsam, schwebenden Bildern, der Parallelmontage, dem Countdown...subjektiv wurde es nur kurz, als sie innen im Hubschrauber bei den Soldaten war meine ich. Aber was heißt subjektiv schon? Und die Sequenz dauert wahnsinnig lange; dann hatte ich ja auch geschrieben, dass Bigelow schnell wieder in diese Professionalität und Mechanik übergeht, sobald sie im Haus sind. Das fand ich auch gut. Ich glaube hier liegt der springende Punkt: Ich finde nicht, dass der Film pro-amerikanisch ist. Ich finde auch nicht, dass er anti-amerikanisch ist. Ich glaube er will einfach die Dinge so zeigen wie sie sich zugetragen haben/haben könnten. Und ich finde, dass er in den genannten 4 Szenen eine Stellung bezieht und die ist vor allem pathetisch, mal ganz unabhängig, ob das jetzt pro-amerikanisch oder anti-amerikanisch ist. Zudem glaube ich, dass heute fast alle halbwegs intelligenten Filme eine kritische Haltung haben müssen, um beim Publikum nicht durchzufallen. Das ist ja fast ein Zeitphänomen, ein Trend anti-patriotisch beziehungsweise anti-amerikanisch zu sein.

Philip
 

Und da wird es eben dramatisch, in klassischer Hollywood Manier, und der dokumentarische Stil wird verlassen; das meinte ich mit subjektiver Sicht; eben die amerikanische Sicht auf die Suche , das Epische das dem Unterfangen angedichtet wurde von Seiten der Politik und der Medien in den Staaten. Anti-amerikanisch war wohl ein bisschen naiv und platt ausgedrückt von mir, ich finde sowie nicht, dass der Film sehr politisch ist oder dass er eben nur eine einzige Position einnimmt. Außer eben am Ende und das ist, was mir an ihm so gut gefällt: Aus amerikanischer Sicht wirft er einige Fragen auf, aber er rechtfertig nicht die Handlungen des Militärs. 

Kritikpunkt 4

Philip
 

Für mich entsteht am Schluss keineswegs das Gefühl von „Wir haben es geschafft.“Am Ende wird vielmehr die Sinnlosigkeit des Unterfangens selbst thematisiert:"Gewinner gibt es am keine". Der Film ist für mich ein antiamerikanischer Film.

Jugend ohne Film                                                                                                                                                      

Damit hast du sicher Recht. Ich ärgere mich nur, dass der Film das so an einer Person festnagelt. Manchmal versucht der Film die kompletten globalen Positionen mit einzubeziehen, zeigt Nachrichtenbilder und so weiter, dann will er wieder ein Charakterdrama sein, zeigt aber eigentlich nichts von seinem Charakter, um sie am Ende weinend im Flugzeug sitzen zu lassen? Weiß nicht, ob du "The Hurt Locker" gesehen hast oder sagen wir "The Thin Red Line" von Malick. Die haben ja ganz ähnliche Enden, aber halt mit mehr Tiefe, weil mehr Charaktere. Was mich gestört hat, ist dass man nicht thematisiert hat, dass der weltweite Terrorismus nach dem Tod von Bin Laden im Endeffekt genau so weitergegangen ist. Ich hätte es beispielsweise als gut empfunden den Anfang aufzugreifen und auch mit einem Anschlag zu enden oder ähnliches. Aber das ist-wie alles-subjektiv...Vielleicht sei noch angemerkt: Dieser Pathos bewirkt für mich eben das, was ich im letzten Abschnitt sage; dieses "Wir haben es geschafft", insbesondere, wenn sie ihn identifiziert...also dadurch dass das so auf ihren Charakter reduziert wird, wird es für mich übersteigert. Die letzte Szene beziehe ich dann auch mehr auf sie, als auf die komplette Mission. Sie hat ihr Ziel erreicht und weiß nicht mehr wohin. Aber das kann man natürlich auch als Sinnbild für alle sehen, da verstehe ich deinen Punkt vollkommen.

Philip
 
Am Ende ist für mich eben der Blick auf die Leiche entscheidend, Ich interpretiere das nicht so wie bei „The Hurt Locker“. Da ist die Figur ja abhängig von dem Thrill und so weiter und kommt nicht mehr davon los, sondern dass sie mit "dem Blick auf den Tod" die Sinnlosigkeit ihrer verbitterten Suche erkennt. Zu alldem sei gesagt, dass ich deine Argumentation auch für nachvollziehbar halte beziehungsweise auch verstehe, dass du ihn vielleicht nicht so mochtest. 


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