Sonntag, 30. September 2012

Kurzfilm=Anti-Cinema? Part 2

Vor einigen Wochen hatte ich an dieser Stelle die Meinung vertreten, dass Kurzfilme und Langfilme nicht vergleichbar wären und daher die Qualitätsbestimmung eines jungen Regisseurs anhand von Kurzfilmen nicht gegeben sein kann. Dabei hatte ich mich vor allem auf Aussagen von Jean-Luc Godard und auf einen Artikel von Mike Jones berufen. (danke nochmal an Sebastian Wegscheider dafür)

Jean-Luc Godard


Nun habe ich in den vergangenen Wochen einen eigenen Kurfilm vorbereitet und gedreht. Ich hatte auch schon zuvor kleinere Kurzfilme gedreht, aber dieses Mal war der Aufwand und die vorhandenen Mittel doch um einiges größer. Daher möchte ich meine Aussagen hier noch einmal aus praktischer Sicht überdenken, weil sich bei der Wertschätzung des Kurzfilms als Sprungbrett zum Langfilm doch große Löcher auftun zwischen der praktischen Komponente des Filmemachers und der eher theoretischen Komponente des Rezipienten. Nach wie vor bin ich der Meinung, dass Filmschulprofessoren, Kurzfilmfestivaljurys und Kinozuseher anhand eines Kurzfilmes kaum das Potenzial eines Regisseurs bzw. Drehbuchautors für die Produktion von Langspielfilmen erkennen können. Zu verschieden sind die Anforderungen, zu wenig Zeit hat man in eine "Art des Erzählens" einzutauchen. Die Anforderungen an einen guten Kurzfilm sind fernab der technischen Umsetzung völlig unterschiedlich. Dramaturgie, Erzählstruktur und Etablierung von Charakteren und Orten sind an die Kürze der vorhandenen Zeit gebunden. Außerdem ist die Rezeptionssituation eine gänzlich andere, weil Kurzfilme meist im Rahmen von Zusammenstellungen präsentiert werden. Am Ende sieht man dann oft 15 Minuten Nachwuchsfilm und fragt sich wohin die investierte Zeit, die Gedanken und Emotionen, die man mit dem Projekt verbunden hat, verschwunden sind. Kurzfilme haben durchaus die Kraft einen wirklich zu begeistern oder mitzureißen, aber das funktioniert eher über eine geschickte inhaltliche Idee oder Pointe, oder gar über eine besonders ansprechenede visuelle Umsetzung. In kurz: Eigentlich ist Kurzfilm eine eigene Kunstgattung und sollte nicht mit Langspielfilmen verglichen werden.



Auf der praktischen Seite des Filmemachens jedoch muss ich meine Aussage revidieren. Kurzfilme bieten schlicht und ergreifend die Gelegenheit eine Geschichte zu erzählen und dabei einen möglichst hohen Standard zu erreichen. Je weniger Szenen/Einstellungen der Film hat, desto weniger Geld benötigt man, um einen möglichst gutes Ergebnis zu erhalten. Ist ja an sich logisch und sicherlich nichts neues, aber was bedeutet das konkret? Man kann sich in der Arbeit mit einer hohen Anzahl an Departments ausprobieren, hat die Möglichkeit sich (einigermaßen) anspruchsvolles Kamera- und Lichtequipment zu leihen, kann sich an einem geregelten Tagesablauf versuchen und lernt den Umgang mit Team und Schauspielern.Man kann viel zeit in eine vernünftige Vorbereitung legen, in der man sich auch an Kinofilmen orientiert. Bei einem langen Spielfilm würden diese Aspekte sicherlich vollends in die Hose gehen, währned sie bei einem Kurzfilm auffangbar und im Falle von Fehlern nicht so schwerwiegend sind. In der heutigen Zeit kann man sich nicht erlauben Gelder in einen langen Spielfilm zu investieren und dann mit Nachwuchsfehlern arbeiten zu müssen. Das war vielleicht noch in Zeiten von Godards À bout de souffle möglich, weil in dieser Zeit in Frankreich eine ganz andere Stimmung und Rezeption rund um das Kino von sich ging und weil die Nouvelle Vague als Teil einer gesellschaftlichen Bewegung zu sehen war, die es heute so nicht gibt. Der Cineast ist tot, wenn man Kunst und Filme verbinden will, dann muss man Geldgebern und Produzenten etwas im Gegenzug anbieten. (etwa billige Produktionsbedingungen, wenige Drehtage, kleines Team o.Ä.) Wenn der französische Filmemacher Olivier Assayas sagt, dass er seine Hauptaufgabe darin sieht eine gewisse, dem Film entsprechende Atmopshäre am Set zu kreieren, dann kann man ihm damit nur beipflichten und dann muss man auch eingestehen, dass man sich in diesem Tätigkeitsfeld im Rahmen eines Kurzfilmes deutlich besser ausprobieren kann, als bei einem langen Film. Dass es junge Regisseure gibt, wie etwas Xavier Dolan, die trotzdem schon mit Anfang 20 erfolgreich längere Spielfilme drehen, ist die Ausnahme und hängt mit Zeitströmen und familiären Umfeldern der jeweiligen Filmemacher zusammen. Handlungstechnisch bewegt sich Dolan übrigens nicht fern von Kurzfilmen. Seine Inszenierung und seine besondere Beachtung von stilistischen Extravaganzen dehnt die Filme nur in die Länge und lässt sie dabei absolut unterhaltend bleiben.

Olivier Assayas


I killed my mother von Xavier Dolan


Dennoch möchte ich nochmal betonen, dass mir die pointierte und gehetzte Dramaturgie vieler Kurzfilme nach wie vor gegen den Strich geht. Dann kann man nämlich-wie Mike Jones findet-gleich Serien für das Internet machen. Zwischen Film und Serie kann man nämlich noch weit unterschieden. (trotz diverser kinoähnlicher amerikanischer Blockbusterserien wie zum Beispiel Boardwalk Empire ) Als Fazit bleibt also festzuhalten, dass Kurzfilme durchaus hilfreich sein können auf dem Weg zum sogenannten abendfüllenden Spielfilm. Aber nur, wenn das Wort "Film" über das Wort "Kurz" dominiert.


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