Sonntag, 25. März 2012

Der Twilight-Selbstversuch


Nach längerem Kampf habe ich mich zu diesem Experiment hinreißen lassen: Ich werde mir einen Twilight-Film (aus vernünftigen Gründen den 1.Teil) ansehen; von einem Blog, der sich mit Jugend und oder ohne Film beschäftigt, muss man erwarten können, dass der Autor die wichtigsten Phänomene der Jugendkultur am eigenen Leib erfahren hat. Alle zehn Minuten werde ich meine Gedanken posten…und ich werde VERSUCHEN nicht mit Vorurteilen in das Filmerlebnis zu gehen…los geht’s



0-10min:
Das sieht ja aus wie Antichrist von Lars von Trier da im Wald; alles ist blau und grün und ein Reh wird gerissen von einem schwarzen Schatten. Die Handkamera zerstört leider jegliche Ästhetik an dieser Stelle. Eine Voice-Over Narration, die ich nah an der literarischen Vorlage vermute und die unendlich stört, begleitet das Geschehen um dieses Arizona-Girl Bella, das sich in einer neuen Schule und Umgebung eingewöhnen muss. Die Fremdheit des Ortes wird ganz gut eingefangen, es gibt auch einige etwas peinliche Situationen, die dem Ganzen eine charmante Note beifügen. Dann war da auch schon dieser Taylor Lautner mit toller Frisur, ja…und am Ende der zehn Minuten eine vor Kitsch triefende Einführung des männlichen Hauptcharakters, der im strahlenden Weiß und in Slow-Motion durch den Eingang zur Mensa einschreitet und er lächelt. Bislang ist alles flüssig und es wird dafür gesorgt, dass man wissen will, wie es weitergeht.

Antichrist; Lars von Trier

10-20min:
Subtil wird nicht das passende Adjektiv sein, um diesen Film zu beschreiben; ich habe gesehen wie Bella in ein Klassenzimmer geht. Dort steht ein riesiger Ventilator und der bläst ihr den Wind um die langen braunen Haare und dann gibt es eine Zeitlupe und eine vergewaltigende Musik und dann sitzt da dieser Edward (hoffe er heißt so); blass und merkwürdig (ihm ist schlecht?) und die beiden blicken sich an, aber Edward geht es dabei nicht gut. Er hat mich ein bisschen an einen Autisten erinnert, vielleicht auch Sean Penn in I am Sam. Jedenfalls gibt es einige Ereignisse und jetzt kommen sich die beiden näher. Allerdings muss man dem Film lassen, dass er sich sehr auf cineastische Mittel verlässt bis dato; wenig wird gesprochen, viel wird gezeigt. Viele Nahaufnahmen setzt Catherine Hardwicke ein, die ja mit Thirteen und Lords of Dogtown bereits zwei sehr jugendaffine Filme realisiert hatte. Die nahen Gesichter des Over-Actings, blasse Gesichter, Außenseiter und schöne Menschen. Der Film setzt auf ein Gefühl der Jugend; das Gefühl alleine zu sein und anders zu sein. Was mir noch aufgefallen ist: In der Serie True Blood ist die Umgebung dreckig und feucht, überall lauern Tiere und es ist schwül und unangenehm und daraus zieht diese Serie einen großen Teil ihres Reizes. Dagegen wird in Twilight nur davon gesprochen wie feucht es ist; wenn man darauf achtet ist alles sauber und schön. Übrigens finde ich Bella’s Vater merkwürdig.

True Blood

Thirteen, Catherine Hardwicke

20-30min:
Interessante Spiele mit der Wahrnehmung: Distanz und Nähe werden hier leicht überbrückt; dies entspricht wohl der Wahrnehmung der Vampire. Es gibt ständig Blicke, der Film dreht sich ausschließlich um Bella und Edward, alles andere ist nur Beiwerk. Konsequent die Schärfenverlagerung. Und dann wieder zwei Blicke in Nahaufnahme und man hat das Gefühl, dass sich hier zwei Menschen (bzw. Wesen) sehen können, nur um in der nächsten Einstellung zu zeigen, dass sie sehr weit voneinander entfernt stehen. Die Welt ist immer noch sehr blau und ich frage mich, warum sich die Vampire keine Mühe mit ihrer Hautfarbe geben. Das sieht man doch, Leute. Das Kostüm ist intelligent gewählt. Wirkt stylish, aber bezahlbar.

30-40min:
Google, Superman, Spiderman…der Film installiert sich innerhalb einer popkulturellen Gesellschaft; bricht sogar ironisch mit sich selbst…“What if I am not the hero?“; der Schuss-Gegenschuss Dialog ist noch lange nicht tot. Wirkt stylish, aber bezahlbar. Was mich ein wenig irritiert: Warum ist Bella so beliebt bei ihren Mitschülern? Sie gibt sich ja nicht gerade sympathisch. Ich kenne das Buch nicht, aber rein aus filmischer Sicht wäre hier ein ganz anderes Potenzial gelegen, welches den Film weit mehr in den heutigen, gesellschaftlichen Problemen hätte unterbringen können. Wo ist denn die Voice-Over Narration hin? Typisches Hollywood-Stilmittel; am Anfang hören die Charaktere gar nicht damit auf uns alles zu erzählen über sich und ihre Gefühle und wenn sie dann mal vorgestellt sind, dann wird der Voice-Over-Ton einfach weggelassen. Bei vielen Filmemachern und Kritikern gilt die Verwendung des Stilmittels zur Beschreibung der Gedanken der Charaktere sowieso als „billig“ und „unästhetisch“. Gegenbeispiele wie Memento von Christopher Nolan, Goodfellas von Martin Scorsese oder sämtliche Filme von Terrence Malick beweisen, dass es aber durchaus möglich ist Voice-Over kreativ und wertgenerierend zu verwenden.

The Thin Red Line; Terrence Malick

40-50min:
In der bis zu diesem Zeitpunkt stilistisch aufregendsten Passage wird aufgelöst, dass es sich bei Edward tatsächlich um einen Vampir handelt; die Kamera löst sich immer wieder vom Geschehen und schwebt frei durch die Flora und Fauna des blau-grünen Waldes, Nebelschwaden. Wieder muss man an Malick denken, wobei der sich, ob der Unnatürlichkeit der Natur und der zerstörerischen Verwendung unnötiger Schnitte wohl gelangweilt abdrehen würde. Die Dialoge sind flach; vorgetragen werden sie immer am Rande der Emotion, auf ganz dünnem Eis. Alles ist überemotional. Schockierend. Dennoch bleibt der Horror- und Angstfaktor kinderfreundlich. Es geht um Schatten, und laute Flashbacks, die so verfremdet sind, dass man sich fragt, ob irgendwer hier die Gesamtwirkung des Filmes in Auge hatte oder es nur Szene für Szene ging. Außerdem wird mit wichtigen Themen für junge Mädchen jongliert: Nachts durch einen Tunnel gehen, wenn einem dunkle Gestalten entgegenkommen; das Anprobieren von Kleidern oder den Mut auch mal selbst den Jungen ihrer Wahl nach einem Date zu fragen. Gott, sind wir aber emanzipiert. Was mich überrascht sind die geringen Schauwerte für einen Blockbuster. Da es so viel Nebel gibt und so viele Naheinstellungen gibt es kaum Totalen, die sich in Herr der Ringe oder Harry Potter ja nur so tummeln.

Lord of the Rings; Peter Jackson

50-60min:
„I am designed to kill“, sagt er, dieser Pattinson und dann springt er mitsamt unheimlich elektronisch-klingender „Wusch“ Soundeffekte von Baum zu Baum und wird sehr wütend. Aber Bella mag ihn sehr und so. Und wenn er in der Sonne glitzert, dann ist vielleicht kein typischer Vampir, aber hübsch, hübsch. „Your scent is like a drug to me“. Der schmale Grat zwischen Tod und Versuchung, auf dem sich die Regisseurin hier bewegt, misslingt ihr für meinen Geschmack. Immer wenn das Potenzial für die Versuchung aufkeimt, der unterschwellige Sexappeal des Gefährlichen, der schon immer Teil der Faszination im Vampirfilm-Genre war, kommt ein Kitsch ins Spiel, ob mit lila Blumen, einem schmachtenden Blick oder dem nach wie vor kaum nachvollziehbaren Einsatz von vergewaltigender Musik. Und dann liegen sie im Gras wie Anakin und Amidala, ja. Dann gibt es eine interessante Szene; aus all dieser Melancholie kommt plötzlich eine Teenage-Highschool Coemdy-Szene. Edward und Bella kommen mit dem Auto in die Schule und alle starren sie an und Edward hat eine coole Sonnebrille auf und haut einen coolen Spruch raus. Mehr davon, bitte! Aber nein, zurück in den Wald. Dort gibt es eine Inception-artige Aufklärungsstunde zu allem, was einem so auf den Fingern brennt zum Thema Vampirismus. Meine Meinung zu diesen „Logikfüllern“ habe ich ja schon des Öfteren von mir gegeben, aber gerade in einem Genre, das so von Mythologie und Legenden lebt, ist es meiner Meinung nach einfach nur schädlich so viele Fragen zu beantworten.


60-70min:
Endlich sehe ich etwas, was den Erfolg des Filmes gerechtfertigt; die Sequenz, in der Edward Bella zu sich nach Hause nimmt. Viele interessante, komische, merkwürdige und spannende Situationen entstehen hier; auf ähnliche Art und Weise, wie Casino Royale mit diversen James Bond Gesetzmäßigkeiten aufräumte, wird hier auf selbstreflexive Art der Vampir an sich in seine Einzelteile zerlegt; Erwartung und Erklärung ergänzen sich und man bekommt ein Gefühl für ein Leben in dieser Welt; auch das Serienpotenzial kommt hier zum Vorschein, denn hier gibt’s es eine Welt, die entdeckt werden möchte; mit „Claire de Lune“ und dem erstmaligen Gefühl von emotionaler Teilnahme meinerseits (wenn auch extrem manipuliert) kulminiert die Sequenz dann im Höhepunkt des Kitsches: Einem Flug von Baum zu Baum mit anschließendem Klavierspiel, welches all die Vampir-Dynamik wieder zu einer Vampir-Romantik verklärt. Deshalb habe ich auch mehr und mehr das Gefühl, dass der Film sich nicht vorwärtsbewegt. Es gibt einfach keinen Wechsel in Stimmungen.

Casino Royale; Martin Campbell

70-80min:
Die Eltern dürfen nicht vergessen werden, ist einem der Autoren hier wohl eingefallen; die Beziehung zu den Eltern ist modern, das heißt distanziert, aber freundschaftlich. Dann endlich der erste Kuss. Hardwicke inszeniert ihn ruhig und präzise. Wieder entsteht für Augenblicke sowas wie Magie, das Problem ist eher, dass die Figuren wie Marionetten der Geschichte wirken, ihre Motivationen bleiben nebulös, denn in einem Film reicht es womöglich nicht, dass sich zwei Personen einfach verlieben, als Zuseher habe ich den Wunsch diese Liebe nachvollziehen zu können. Oft spricht man dann von der Chemie zwischen den Darstellern, die will ich Stewart und Pattinson gar nicht absprechen, aber ich glaube, dass man ihnen nicht genügend Raum gibt. Sie reden fast ausschließlich über Vampirismus und dann verzehren sie sich mit Blicken und der Funke will nicht überspringen, weil in dieser kitschigen Szene, als sie sich das erste Mal begegnen nur Kitsch und keine Substanz lag. Zudem fehlt es dem Film an einer richtigen Exposition; gezwungen dem Willen nicht zu „langweilen“, langweilt mich der Film nun, weil ich das Gefühl habe die Charaktere nicht zu kennen und auch nicht die Möglichkeit bekomme sie zu lesen, denn immer dann, wenn es interessant wird, wird geschnitten und gewackelt. Das in 10 Minuten Teile zerlegen dieses Films betont noch mehr sein, auf eine Aufmerksamkeitsspanne der Youtube-Generation geschriebenes Drehbuch. Dann gibt es Jump-Cuts und wie so oft Überblendungen, die wohl einen traumartigen Zustand vermitteln sollen, aber einfach nur stimmungstötend wirken. Apple-Produkte fühlen sich auch wohl im Twilight-Universum. Dann wird Baseball gespielt und es entwickelt sich ein Musikvideo-Flair, der aber derart durchkomponiert ist, dass es wieder dieses Serien-Gefühl in mir weckt und auf eine merkwürdige Art und Weise auch Freude auslöst. Schließlich kommen aus dem Wald drei bösartige Vampire mit vielen Bauchmuskeln und man redet.

80-90min:
Pattinson fährt Stewart mit dem Jeep durch den dunklen Wald auf der Flucht vor den bösartigen Vampiren, die Stewart ganz und gar als lecker empfinden. Warum fliegt er nicht von Baum zu Baum? Wenig ausbalanciert ist das Ganze für mein Gefühl; habe ich mich vorher noch über immer dieselbe Stimmung beschwert, sind es jetzt Wechsel in jener, die ich nicht mitmachen will. In einer effektiv-herzzerreißenden Szene muss Bella ihren Vater belügen und verletzen, um ihn zu retten. Es geht Schlag auf Schlag und jede Emotion wird von dieser unnötigen Geschwindigkeit des Plots vernichtet. Da der Film aber in einer gewissen Altersgruppe eben diese Gefühle auslöst, ist davon auszugehen, dass entweder diese Generation näher am Gefühl gebaut ist  und daher keine Langsamkeit braucht oder aber dass diese Generation einfach schneller in der Lage ist mediale Muster aufzusaugen, um sie mit eigenen Emotionen zu kombinieren. Ein weiteres Beispiel hierfür ist die kurze Szene, in der sie ihre (fast vergessenen) Freunde aus der Schule sieht; das Leben, das sie hätte haben können. Drei Sekunden scheinen hier zu reichen für die Emotion. Jetzt wird es ein richtiges Verfolgungsjagdspektakel und so weiter.



90-100min:
Endlich werden Helden geschaffen; die Familie ist in Gefahr und die Heldin ist bereit sich zu opfern. Hollywood lebt. Voice-Over und Mut. Und den Vater, trägt sie in Form eines Sprays in ihrer Tasche. Go Bella! Eigentlich ist es ganz schnell vorbei, aber um es in den Worten von Funny Games zu sagen: „Unterschätzen Sie nicht den Unterhaltungsfaktor.“, hier wird wirklich jedes Klischee bedient. Dann kommt der Held zur Rettung, aber „You’re alone…cause you’re faster than the others.“, achso, hatte mich schon gefragt. Es wird auch relativ brutal, mit der bislang kinderfreundlichen Umsetzung wird aufgeräumt. Doch die Moral wird nicht gebrochen. Gut ist, wer nichts Schlimmes tut. Der Held muss die Heldin nun aussagen, um sie vom Gift zu befreien; die Nahtoderfahrung wird meiner einer recht anschaulichen und völlig belanglosen Montage garniert. Und es gibt gleich noch einen Konflikt hinterher. Bella möchte in Zukunft bei ihrem Vater leben, aber Edward möchte, dass sie zu ihrer Mutter nach Florida zieht, damit er nicht mehr in Versuchung kommt. Das waren zehn Minuten der absoluten Fülle. Bis hin zur völligen Belanglosigkeit.

Funny Games US; Michael Haneke

100-110min:
Ah da ist der Lautner wieder; er präsentiert den Cliffhanger. Das Szenenbild ist schon auffällig; diese Gothik-Romantik Mischung, schwarz und lila sind dominierend; es gibt keine natürliche Lichtsetzung in dieser Welt, alles wirkt immer wie vom Mond durchleuchtet. Ganze Arbeit wurde da geleistet. Thom Yorke beendet mit einem weiteren Cliffhanger und irgendwo zwischen diesen Gesprächen über Unendlichkeit, Liebe und Tod muss sich Substanz und Wahrheit versteckt haben. Abspann. Danke.Aus.





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