Sonntag, 23. März 2014

Diagonale 5.Tag: High Performances neben dem Kino und Masturbation mit Peter Lorre



Der vorletzte Tag war geprägt von-man mag es kaum glauben-Filmen auf der Diagonale 2014, von der Rainer und ich morgen noch einen größeren Abschlussdialog veröffneltichen werden.
 

Rainer: Das Festival geht dem Ende zu, und bis jetzt hast du noch kaum einen Film verrissen in unseren Gesprächen, obwohl ich es doch so gern mag wenn du dich aufregst. Also: Bühne frei!

Patrick: Wir können uns über einen Film aus dem Kurzfilmprogramm unterhalten. „REM“ von Manuel Johns. Eine Art Meta-Horrorfilm, der im Stil eines Wanne-Be but never heard of Edgar Allen Poe eine junge Frau von einem Albtraum in den nächsten torkeln lässt und dabei stets mit filmischen, nie aber mit stimmungsvollen oder diegetischen Mitteln versucht , Schocks zu erzeugen. Es ist ein Meta-Horrorfilm, der nicht mal weiß, dass er das ist, sondern der ganz fest daran glaubt wirklich unheimlich zu sein, weil er irgendwelchen Anfänger-Regeln zum Thema „Wie kreiert der gute Regisseur einen Schock“ befolgt. Schlimm ist, dass so etwas staatlich gefördert wird und hier eine Spielfläche bekommt. Genre zu machen ist natürlich spannend, aber dann sollte es nicht ein stupides Abfilmen alter Klischees sein. Aber wenn mir der Regisseur, wie scheinbar viele dort, nach dem Film erzählt, dass er kaum Zeit in der Vorbereitung benötigte, dann muss man sich nicht wundern. Manche anderer rühmt sich sein Drehbuch in einer durchzechten Nacht geschrieben zu haben. Das ist lächerlich. Hast du eine Wut auf verschiedene Filme entwickeln können.?

Rainer: Ich bin in dieser Hinsicht nicht so passioniert. Einige Male war ich aber schon schockiert - aus verschiedenen Gründen. Gestern war ich z.B. in "High Performance" von Johanna Moder um mir meinen Liebling Manuel Rubey anzusehen. Der Film war "nett", in den Filmolymp wird er es nicht schaffen, aber er war unterhaltsam und somit zweckerfüllend. Danach kam das Publikumsgespräch und die junge Filmemacherin kommt auf die Bühne. Da habe ich mir noch gedacht: "Good job! Ambitioniertes Projekt für das Alter" - Dann hat sie gesagt, dass "High Performance" ihre Abschlussarbeit an der Filmakademie war, und für mich ist die Welt zusammengebrochen. Da studiere ich jahrelang an einer Kunstakademie (und nichts anderes ist die Filmakademie) um dann SO einen Film zu machen? Wie wenn man Malerei studiert und eine Gerichtszeichnung als Abschlussarbeit abgibt. Sonst fand ich die aufdringlich manipulative Art von "Kick Out Your Boss" und "Everyday Rebellion" etwas unsympathisch, wobei letzterer wenigstens auf emotionaler Ebene funktioniert und den Revoluzzer in mir herausgekehrt hat. Unreflektierte Polemik braucht aber Komik und wenigstens ein Mindestmaß an Selbstironie (à la Michael Moore) um zu reüssieren.

Patrick: Ich bin mir nicht sicher, ob die Filmakademie wirklich zwangsläufig eine Kunstakademie ist. In Deutschland gibt es ja nicht umsonst immer Diskussionen an den Filmschulen über deren Nähe zu  Markt. Ich glaube, dass das sehr perspektivabhängig ist und ich glaube, dass Filmschulen jedem die Möglichkeiten geben sollten, sich in die Richtung zu entwickeln, die dem einzelnen Filmschaffenden selbst vorschwebt. Es wäre schön, wenn es dort wirklich ein künstlerisches Verständnis gibt. Dazu fehlt mir aber der Einblick. „Sitzfleisch“ von Lisa Weber war ja sehr beliebt, den habe ich leider nicht gesehen. (Sie studiert ja auch dort) Wie erging es dir auf der Abschlussparty?

Rainer: Ich hatte Mühe hinzukommen, da die Grazer Öffis etwas exzentrisch sind (die Nightlines fahren nur stadtauswärts - was soll das bitte?) und für meine Verhältnisse war ich nicht allzu betrunken. Ein voller Erfolg könnte man sagen. Nur den ohnehin spärlichen Schlaf hat mir diese Unternehmung noch verkürzt.


Patrick: Ich weiß, dass ein Festival immer auch ein Branchentreffen ist, aber ich finde auch (ohne, dass man das ändern könnte), dass diese Kontaktbörsen dort und dieses Marktgesülze den Filmen im Weg stehen. Das ist eine sehr naive Ansicht und ich mag, dass ich sie habe. Da beginnt man dann erst Filmemacher zu schätzen, die sich dem scheinbar völlig entziehen. Gestern haben wir uns zusammen unseren einzigen Peter Lorre Film hier angesehen: „Der Verlorene“…was war dein Eindruck?

Rainer: DEIN einziger Peter Lorre Film. Ich war am Dienstag bereits in "M". "Der Verlorene" kann da nicht ganz mithalten, ist aber filmisch auf einem sehr hohen Stand. Lorre hat sich augenscheinlich einiges abgeschaut von seinen Regisseuren in Amerika. Schade, dass es nur bei dieser einen Arbeit von ihm als Regisseur blieb - diese psychologische Tiefe und bewusste Auseinandersetzung mit der Vergangenheit findet man im deutschen Kino der 50er ansonsten kaum.

Patrick: Ich fand ihn aus ganz anderen Gründen bemerkenswert. Dieses beiläufige Spiel in den dramatischten Situationen, das interessante und zum Teil sehr spannend inszenierte Wechselspiel zwischen Rahmenhandlung und Flashback. Die Komik des Grauens, wenn man so will und diese Souveränität, die wie du ganz richtig sagst, auf große Einflüsse im Werk von Lorre hinweisen. Es war gut, dass gemacht zu haben, auch wenn wir im Anschluss den vielleicht hektischsten Kinowechsel der Woche hingelegt haben, als wir nur wenige Minuten hatten bis wir in „Les salauds“ waren. Ich hatte den ja bereits in Cannes gesehen und fand ihn gerade beim zweiten Mal außergewöhnlich gut. Allgemein fällt mir auf, dass mein Interesse hier nicht unbedingt an neuen Filmen festzumachen ist. Aber dann ist es ja so, dass Film keine Vergangenheit kennt, sondern nur Gegenwart.

Rainer: Also den hektischsten Kinowechsel habe ich am Vortag gemacht. Sechs Minuten zu Fuß vom Rechbauer-Kino zum Schubertkino (wer nicht weiß wo das ist, bitte googlen) - da habe ich ordentlich geschwitzt. Jetzt habe ich dir deinen schönen pathetischen Abschlusssatz gestohlen.

Patrick: Und zwar für eine Information, die dich selbst lobt. Aber das passt vielleicht zu manchem Beitrag im Festival. Masturbation ist beliebter als Pathos oder ist Pathos auch Masturbation?

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