Es gibt zwei Arten von Kino, von denen ich einfach nicht
genug bekommen kann. Das wäre zum einen jenes Kino, das sich völlig den
Gefühlen hingibt und weniger auf Narration und Inhalte setzt, das also eine
gewisse Ähnlichkeit zur Lyrik aufweist, wo Farben, Stimmungen und Töne die
eigentliche Geschichte erzählen. Zum Anderen gibt es jenes Kino, das sich
völlig dem Realismus hingibt. Wo die Zeit noch tatsächlich zu vergehen scheint,
wo mir motorische Abläufe erst richtig bewusst werden und Denkprozesse reifen
können. Diese beiden „Arten“ treten natürlich unterschiedlich auf, aber kaum
jemand vermag die zweite Art derart geschickt umzusetzen wie Corneliu
Porumboiu. Dabei setzt er in seinem neuen Film ganz auf die Tradition der
Schlusssequenzen seiner beiden beeindruckenden Vorgänger „Poliţist, Adjectiv“
und „A fost sau n-a fost?“, indem er das Verstreichen der Zeit nicht mit Stille
sondern mit Wörtern füllt. Alltägliche Gespräche, philosophische Gespräche,
intime Gespräche. Dabei verzweigen sich charakterliche Schwächen und Stärken,
Humor, Boshaftigkeit und Gefühl. Noch stärker wirkt dieses Kino, weil Porumboiu
immerzu die Position eines neutralen Beobachters mit starren Einstellungen
wählt. Was für ein Gehör muss dieser Mann haben, wenn er solche Filme schreibt?
In “Când se lasa seara peste Bucuresti sau metabolism” geht
es, ganz wie der Titel vermuten lässt, um einen Regisseur in der Krise. Er
schläft mit seiner Schauspielerin statt am Set aufzutauchen, täuscht
Krankheiten vor und will alles nochmal drehen. Dabei reflektiert der Film von
Beginn an auch auf die Materialität von Filmen, ein wenig flirtet er mit dem
Gedanken an ein Ende des Kinos. Film wird vom Protagonisten als Selbstzensur
verstanden, die ihm verschiedene Erzählweisen und vor allem die Länge von
Einstellungen auferlegt. Um seinen Punkt zu forcieren, erklärt er in einer
dieser typisch absurden, doch ernsten, furchtbar komischen, zum Nachdenken
anregenden Szenen, dass die asiatische Küche von den Stäbchen geprägt ist, mit
denen dort gegessen wird. Den ganzen Film über spürt man Zeit und Material. Ein
Ende des Kinos droht am Horizont. In einem Gespräch über Monica Vitti wird
klar, dass die Schauspielerin im Film weder Vitti kennt, noch Michelangelo
Antonioni. In seiner Konsequenz bezüglich der Länge seiner Einstellungen erinnert
der Film an die letzten Werke von Cristi Puiu oder Tsai Ming Liang. Allerdings
ist „Metabolism“ ein Film über das Filmemachen und reiht sich damit in eine
ganz andere Tradition von Filmen ein. Einmal lässt Porumboiu seinen Regisseur
und seine Schauspielerin eine Szene lange proben, um den Regisseur unmittelbar danach
in eine psychologisch ganz ähnliche Situation zu werfen wie die Frau in seinem
Film. Ansonsten gibt sich der Film kaum der Verlockung dieser doppelten
Verschachtelung hin.
Der Film stellt auch die Frage nach dem Realismus selbst und
was es bedeutet ein realistisches Kino zu machen. Dennoch ist er weit weg von
einer filmtheoretischen Abhandlung. Im Kern geht es um ein verzweifeltes
Anrennen gegen einen Film, gegen sich selbst. Porumboiu legt seinen Regisseur
äußert egozentrisch an und er macht nicht den Fehler in bei der Arbeit zu
zeigen. Er zeigt ihn auf seinen Wegen zur Arbeit und bei seinen
Ausweichmanövern vor und nach dem Sex mit seiner Hauptdarstellerin.
Gewissermaßen stellt „Metabolism“ die Suche nach Inspiration dar. Die
Hindernisse, die mehr aus dem Regisseur selbst zu kommen scheinen. Dieser Mann
wirkt in keiner Sekunde wie ein Künstler oder Handwerker, er wirkt wie eine
verlorene Seele, ein Existenzialist ohne Erkenntnis. Der Film wiederholt
Abläufe ohne sie jemals wirklich zu wiederholen. Es ist wie eine Parklücke, aus
der man nicht findet. Ein mutiger Film, der von André Bazin hätte gedreht sein
können. Zumindest hätte er ihn mit ziemlicher Sicherheit zu Recht geliebt.
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