Freitag, 25. Oktober 2013

Viennale 2013: Când se lasa seara peste Bucuresti sau metabolism von Corneliu Porumboiu



Es gibt zwei Arten von Kino, von denen ich einfach nicht genug bekommen kann. Das wäre zum einen jenes Kino, das sich völlig den Gefühlen hingibt und weniger auf Narration und Inhalte setzt, das also eine gewisse Ähnlichkeit zur Lyrik aufweist, wo Farben, Stimmungen und Töne die eigentliche Geschichte erzählen. Zum Anderen gibt es jenes Kino, das sich völlig dem Realismus hingibt. Wo die Zeit noch tatsächlich zu vergehen scheint, wo mir motorische Abläufe erst richtig bewusst werden und Denkprozesse reifen können. Diese beiden „Arten“ treten natürlich unterschiedlich auf, aber kaum jemand vermag die zweite Art derart geschickt umzusetzen wie Corneliu Porumboiu. Dabei setzt er in seinem neuen Film ganz auf die Tradition der Schlusssequenzen seiner beiden beeindruckenden Vorgänger „Poliţist, Adjectiv“ und „A fost sau n-a fost?“, indem er das Verstreichen der Zeit nicht mit Stille sondern mit Wörtern füllt. Alltägliche Gespräche, philosophische Gespräche, intime Gespräche. Dabei verzweigen sich charakterliche Schwächen und Stärken, Humor, Boshaftigkeit und Gefühl. Noch stärker wirkt dieses Kino, weil Porumboiu immerzu die Position eines neutralen Beobachters mit starren Einstellungen wählt. Was für ein Gehör muss dieser Mann haben, wenn er solche Filme schreibt? 



In “Când se lasa seara peste Bucuresti sau metabolism” geht es, ganz wie der Titel vermuten lässt, um einen Regisseur in der Krise. Er schläft mit seiner Schauspielerin statt am Set aufzutauchen, täuscht Krankheiten vor und will alles nochmal drehen. Dabei reflektiert der Film von Beginn an auch auf die Materialität von Filmen, ein wenig flirtet er mit dem Gedanken an ein Ende des Kinos. Film wird vom Protagonisten als Selbstzensur verstanden, die ihm verschiedene Erzählweisen und vor allem die Länge von Einstellungen auferlegt. Um seinen Punkt zu forcieren, erklärt er in einer dieser typisch absurden, doch ernsten, furchtbar komischen, zum Nachdenken anregenden Szenen, dass die asiatische Küche von den Stäbchen geprägt ist, mit denen dort gegessen wird. Den ganzen Film über spürt man Zeit und Material. Ein Ende des Kinos droht am Horizont. In einem Gespräch über Monica Vitti wird klar, dass die Schauspielerin im Film weder Vitti kennt, noch Michelangelo Antonioni. In seiner Konsequenz bezüglich der Länge seiner Einstellungen erinnert der Film an die letzten Werke von Cristi Puiu oder Tsai Ming Liang. Allerdings ist „Metabolism“ ein Film über das Filmemachen und reiht sich damit in eine ganz andere Tradition von Filmen ein. Einmal lässt Porumboiu seinen Regisseur und seine Schauspielerin eine Szene lange proben, um den Regisseur unmittelbar danach in eine psychologisch ganz ähnliche Situation zu werfen wie die Frau in seinem Film. Ansonsten gibt sich der Film kaum der Verlockung dieser doppelten Verschachtelung hin.


Der Film stellt auch die Frage nach dem Realismus selbst und was es bedeutet ein realistisches Kino zu machen. Dennoch ist er weit weg von einer filmtheoretischen Abhandlung. Im Kern geht es um ein verzweifeltes Anrennen gegen einen Film, gegen sich selbst. Porumboiu legt seinen Regisseur äußert egozentrisch an und er macht nicht den Fehler in bei der Arbeit zu zeigen. Er zeigt ihn auf seinen Wegen zur Arbeit und bei seinen Ausweichmanövern vor und nach dem Sex mit seiner Hauptdarstellerin. Gewissermaßen stellt „Metabolism“ die Suche nach Inspiration dar. Die Hindernisse, die mehr aus dem Regisseur selbst zu kommen scheinen. Dieser Mann wirkt in keiner Sekunde wie ein Künstler oder Handwerker, er wirkt wie eine verlorene Seele, ein Existenzialist ohne Erkenntnis. Der Film wiederholt Abläufe ohne sie jemals wirklich zu wiederholen. Es ist wie eine Parklücke, aus der man nicht findet. Ein mutiger Film, der von André Bazin hätte gedreht sein können. Zumindest hätte er ihn mit ziemlicher Sicherheit zu Recht geliebt.


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